Von VIP-Karten bis Nachtflügen: EURO 2024 und die „seit Jahrzehnten tradierte Staatspraxis“
Die EURO 2024 in Deutschland ist Geschichte. Sportlich war für die DFB-Elf im Viertelfinale Endstation. Schon jetzt ist jedoch die Rede von etwa 650 Millionen Euro, die vonseiten der öffentlichen Hand dafür aufgebracht werden mussten. Als ein vergleichsweise geringfügiger Posten erscheinen dabei insgesamt 531.008,86 Euro, die laut Bundesverteidigungsministerium davon auf Flüge von Regierungsmitgliedern entfielen.
Dennoch haben gerade diese in der Öffentlichkeit für Debatten gesorgt. So hat der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Die Linke) erfahren, dass nicht nur Minister die Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums im Kontext von Fußballspielen genutzt hatten. Die Rede ist von Stadionbesuchen des Bundeskanzlers, aber auch der Bundesminister Karl Lauterbach, Nancy Faeser und Annalena Baerbock.
„Ehrenkarten“ für Angehörige nicht von der UEFA autorisiert
Außerdem hat demzufolge die Ehefrau von Bundeskanzler Olaf Scholz, Britta Ernst, eine der „Ehrenkarten“ für einen Stadionbesuch genutzt. Eine schriftliche Vorgabe bezüglich des Besuchs von Angehörigen der obersten Verfassungsorgane, die solche erhielten, gebe es nicht, so die Bundesregierung. Allerdings sei dies „seit Jahrzehnten tradierte Staatspraxis“. Von der UEFA selbst sei dies so nicht vorgesehen, heißt es in einem internen Schreiben der Bundestagsverwaltung. Diese stelle die Ehrenkarten „ausschließlich personengebunden und nicht übertragbar“ zur Verfügung.
Pellmann wirft der Bundesregierung vor, diese habe die Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums als „alternative Reisemöglichkeit für ein abendliches Unterhaltungsprogramm“ zweckentfremdet. Mit dieser Praxis habe sie indirekt auch deutlich gemacht, dass sie die „kaputtgesparte“ Bahn nicht als das „angenehmere Reisemittel“ erachte.
Flüge trotz Nachtflugverbots sorgen weiter für Irritationen
Für zusätzliche Irritationen sorgte der Umstand, dass sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in den Nachtstunden von Frankfurt am Main abgeflogen waren. Seit 2011 gilt dort ein – von den Grünen durchgesetztes – Nachtflugverbot. Baerbock hatte im Wahlkampf 2021 eine deutliche Verteuerung und „perspektivische“ Einstellung von Kurzstreckenflügen gefordert.
Scholz war am 23. Juni nach dem Vorrundenspiel Deutschlands gegen die Schweiz um 23:39 Uhr nach Berlin weitergereist. Baerbock nahm um 23:54 Uhr eine Maschine der Flugbereitschaft nach Luxemburg, wo tags darauf eine Außenministertagung der EU angesetzt war. Die Flugzeit betrug 35 Minuten.
Auf dem Flughafen Frankfurt am Main sind in der Zeit zwischen 23 und 5 Uhr keine planmäßigen Starts und Landungen erlaubt. Auch in den sogenannten Nachtrandstunden zwischen 22 und 23 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr sind pro Nacht im Kalenderjahresdurchschnitt nicht mehr als 133 Flugbewegungen zulässig. Ziel der Bestimmung ist der Schutz von Anwohnern vor Lärmbelästigung.
Politikerbesuche als Zeichen der „Wertschätzung“
Ausnahmen sind lediglich für Flugzeuge erlaubt, die aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen den Flughafen ansteuern müssen. Dazu kommen Starts und Landungen in Katastrophenfällen oder medizinischen Hilfseinsätzen.
Wie das Wirtschaftsministerium in Hessen bestätigte, ist den Politikern für ihre Flüge jeweils eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden. Die Behörde habe ein „öffentliches Interesse“ an den Reisen der Regierungsmitglieder bejaht.
In dieser Weise argumentierten auch Vertreter der Bundesregierung, die am 3. Juli 2024 im Rahmen der Bundespressekonferenz auf den Sachverhalt angesprochen worden waren. Es sei ein dienstlicher Anlass gewesen, der die Minister zu den EM-Spielen geführt habe. Zum einen habe man der deutschen Mannschaft und dem europäischen Ereignis „Wertschätzung“ gezollt. Die Art und Weise, wie sich Deutschland bei der EURO 2024 als Gastgeber geriere, habe Auswirkungen auf das Image des Landes in der Welt.
Auswärtiges Amt rechtfertigt Flüge von Baerbock
Dem Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christian Wagner, zufolge hatte Baerbock insgesamt an drei Spielen teilgenommen. Dass Regierungsmitglieder dort zugegen waren, habe zudem nicht nur sportliche und repräsentative Gründe gehabt. Es hätten in einigen Fällen auch Amtskollegen aus dem Ausland teilgenommen, was eine Gelegenheit zum Austausch gegeben habe.
Speziell der Nachtflug Baerbocks mit der Bereitschaftsmaschine der Bundeswehr sei auch keine Aushebelung von Regeln gewesen. Immerhin habe es bereits am nächsten Morgen das Außenministertreffen in Luxemburg gegeben. Bereits am Mittag sei es weiter in drei Länder des Nahen Ostens gegangen. Da die gleiche Maschine der Flugbereitschaft dafür vorgesehen gewesen sei, wäre diese ohnehin zum Einsatz gekommen.
Wagner versicherte, dass man im Ministerium vor jeder Reise die Frage nach „alternativen Möglichkeiten für Transportmittel“ stelle. Aufgrund der engen Taktung im Tagesablauf der Bundesaußenministerin seien viele dieser Reisen „einfach nur mit der Flugbereitschaft zu bestreiten“.
Warum wurde der elektrifizierte Fuhrpark nicht genutzt?
Dennoch verursachte insbesondere der 184-Kilometer-Flug nach Luxemburg Kritik, da dieser – je nach Größe und Auslastung des Flugzeugs – eine persönliche CO₂-Bilanz von bis zu 0,24 Tonnen verursachte. Der politisch vorgegebene Preis für eine Tonne CO₂ beträgt 2024 bereits 45 Euro.
Aber selbst bei einer besseren Kohlendioxidbilanz pro Person hätte der Ausstoß immer noch ein Vielfaches der 0,01 Tonnen betragen, die im Fall einer Bahnreise angefallen wären. Allerdings hätte dies für die Ministerin nach dem Spiel eine Wartezeit bis 3:13 Uhr und wenig Schlaf infolge zweier Umstiege bedeutet. Erst um 8:23 Uhr wäre sie am Tagungsort angekommen.
Verglichen mit den Alternativen wäre eine Anreise mit einem Dienstwagen aus der Flotte des Ministeriums in den Nachtstunden ein möglicher Kompromiss gewesen. Das Auswärtige Amt hat seinen Fuhrpark mittlerweile auf E-Autos umgestellt.
Ausrichterstädte müssen fast 295 Millionen Euro aufbringen
Die höchsten Kosten der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit der EURO 2024 fielen für Sicherheit, Stadionsanierungen, Mobilität und Personal an. Allein die zehn Ausrichterstädte hatten fast 295 Millionen Euro zu tragen – aufgrund von Corona, Inflation und höheren Energiekosten um 66 Millionen mehr als ursprünglich einkalkuliert.
Ein Kostenfaktor war zudem die gegenüber der UEFA eingegangene Verpflichtung, in allen Gastgeberstädten Fanzonen auszurichten. Die „Sportschau“ zitiert aus der Vereinbarung wie folgt:
„Die Gastgeberstadt ist der Veranstalter der offiziellen Fanzone und muss alle Kosten im Zusammenhang mit deren Planung, Aufbau, Betrieb und Abbau tragen.“
Der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen des Turniers lässt sich derzeit demgegenüber bisher nicht in vollem Umfang abschätzen.
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