Von der Leyen hat „Telefon ordentlich aufgeräumt“ – Opposition fassungslos über gelöschte Daten
Am 30. Januar des Vorjahres beschloss der Verteidigungsausschuss des Bundestages, sich selbst im Zusammenhang mit der Vergabe von hochdotierten Beraterverträgen durch das Bundesverteidigungsministerium und diesem unterstehende staatseigene Unternehmen zum Untersuchungsausschuss zu konstituieren. Am 14. Februar wurde ein Unterausschuss gegründet, der dem Untersuchungsauftrag nachkommen soll.
Bezüglich der Frage, ob bei den Vergabeentscheidungen die erforderlichen gesetzlichen Kriterien eingehalten worden seien, sollten insgesamt 13 Zeugen und Sachverständige geladen und gehört werden, darunter die im Juli 2019 aus dem Amt geschiedene Bundesverteidigungsministerin und nunmehrige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Als Beweismittel wollte der Ausschuss zudem die Diensthandys der früheren Verteidigungsministerin beschaffen und auswerten. Nachdem das Ministerium anfänglich keine Eile gezeigt hatte, der Anforderung nachzukommen, steht der Beweisaufnahme mittels des Diensthandys nun ein noch schwerwiegenderer Umstand entgegen: Auf beiden Handys – eines davon wurde von Ende 2013 bis August 2019 genützt, das andere von Januar bis Oktober 2019 – befinden sich keine Daten mehr.
„Hinhalte-Taktik“
Eine Wiederherstellung scheidet offenbar aus. Gegenüber der „Welt“ äußerte der FDP-Obmann im Verteidigungsausschusses, Alexander Müller: „Die Ministerin hat ihr Telefon ordentlich aufgeräumt – oder aufräumen lassen.“
Im Dezember des Vorjahres hatte nach unterschiedlichen Aussagen über den Verbleib der Daten der stellvertretende Beauftragte der Bundesregierung für die Aufklärung der Affäre, Markus Paulick, den Abgeordneten in vertraulicher Sitzung gesagt, die Daten auf dem Mobiltelefon der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) seien bereits im August gelöscht worden.
Zuvor habe sich, so Müller, das Ministerium in einer „ärgerlichen Hinhalte-Taktik“ geübt. Erst habe es geheißen, man suche nach dem Handy, dann sei mitgeteilt worden, es gäbe noch eine PIN-Sperre, am Ende wurde zugegeben, dass die Daten gelöscht worden wären. Allerdings hatte der Ausschuss bereits zuvor die Einstufung des Handys als Beweismittel beantragt – was eine Löschung rechtswidrig machen würde.
Aus dem Ministerium hieß es, diese sei aus „Unachtsamkeit“ erfolgt. Den Untersuchungsausschuss und die Bedeutung, die den Daten diesbezüglich zukommen würde, habe man nicht auf dem Schirm gehabt, schrieb der „Spiegel“.
Müller (FDP): „Lange Liste von Organisations-Mängeln des Hauses“
In der Opposition fühlt man sich verschaukelt. Müller wittert ein „Chaos“ im Ministerium. Erst seien dem Ausschuss gegenüber widersprüchliche Angaben gemacht worden, und nun komme das Bekenntnis, dass potenzielle Beweismittel gelöscht worden seien. Worte wie „Vertuschung“, die aus anderen der Opposition kommen, wollte der FDP-Abgeordnete nicht bemühen.
Der AfD-Verteidigungssprecher Rüdiger Lucassen sprach von einem „klaren Verstoß gegen das Aktenvernichtungsmoratorium“ und forderte rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen im Ministerium. Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat im Dezember angekündigt, die Angelegenheit prüfen zu lassen.
Der Ausschuss wollte die SMS-Nachrichten sichten und auswerten, die auf den Mobiltelefonen gespeichert waren. Sie hätten nach Einschätzung der Parlamentarier Aufschluss darüber geben können, ob und inwieweit Ministerin von der Leyen im Bilde war über freihändig vergebene Aufträge, hoch dotierte Beraterverträge, fürstliche Gehälter oder Headhunterverträge im Umfeld von „Inhouse“-Gesellschaften des Ministeriums, wie sie der Untersuchungsausschuss bereits zutage gefördert hatte.
Von der Leyen will von Löschung nichts gewusst haben
Auch bei von der Leyen selbst sehen die Abgeordneten nun Erklärungsbedarf. Sie selbst hatte gegen Ende des vergangenen Jahres gegenüber dem „Spiegel“ erklärt, von einer Löschung der Handydaten nichts gewusst zu haben. Außerdem seien keine für die Untersuchung relevanten Daten darauf zu finden gewesen.
Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, stellt dies einem Bericht von n-tv zufolge in Zweifel und will selbst eine SMS von der Ex-Ministerin zugeschickt bekommen haben, aus der hervorgegangen sei, dass die Ministerin auf ihrem Handy über Themen kommunizierte, die die Berateraffäre betreffen.
Das Ministerium selbst sieht hingegen im Inhalt des SMS-Verkehrs „keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Löschung des Mobiltelefons vorlagepflichtige Beweismittel vernichtet worden sind, da es sich nicht um ein derartiges Beweismittel handelt“.
„Nach bestem Wissen und Gewissen geprüft“
Auch auf von der Leyens zweitem Mobiltelefon, das sie von Januar 2019 bis Oktober 2019 verwendet hatte, seien nach der Rückgabe durch die Ministerin keine Textnachrichten gespeichert gewesen.
Diese beiden Geräte habe, so vertraute man aus dem Ministerium der „Welt“ an, seien von „der ehemaligen Bundesministerin durch sie nach bestem Wissen und Gewissen geprüft worden“. Damit wurde unverhohlen eingeräumt, dass von der Leyen, deren eigene Rolle im Vergabewesen Gegenstand des Untersuchungsausschusses ist, selbst kontrollieren konnte, welche Daten noch auf dem Gerät vorhanden sein würden, wenn es bei dem Ausschuss eingehe.
Von der Leyen selbst hatte im Gespräch mit dem „Spiegel“ Ende des Vorjahres nichts dergleichen anklingen lassen. Falls von der Leyen die Löschung der Daten auf ihrem zweiten Handy entgegen früheren Aussagen selbst verfügt habe, müsse sie schnellstmöglich erklären, wieso sie zuvor „das glatte Gegenteil behauptete“, meinte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer am Dienstag (14.1.) in Berlin.
(Mit Material von afp und dts)
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