Volksbegehren in Bayern geht in die heiße Phase

Seit dem 14. Oktober können die Bürger in den bayerischen Kommunen ihre Stimme abgeben. Die CSU hingegen versucht, dies mit einer Diffamierungskampagne zu verhindern. Die Initiative, die hinter dem Volksbegehren steht, hat inzwischen Strafanzeige erstattet.
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Markus Söder.Foto: HANNIBAL HANSCHKE/POOL/AFP via Getty Images
Von 22. Oktober 2021

Das „Bündnis Landtag abberufen“ im Freistaat Bayern geht in die heiße Phase. Noch bis zum 27. Oktober können Stimmberechtigte in den bayerischen Gemeinden für das Volksbegehren unterschreiben. Im Vorfeld hatte die Initiative im ersten Anlauf die erforderlichen 25.000 Stimmen gesammelt. Nun gilt es, die Marke von einer Million Unterschriften zu knacken.

Jan-Christoph Münch, Pressesprecher des „Bündnis Landtag abberufen“, erklärte gegenüber Epoch Times, dass die Menschen sehr positiv auf das Volksbegehren reagieren. Viele Mails erreichen die Initiative mit lobenden Worten. „Das Engagement der Menschen ist unfassbar“, so Münch. Mitstreiter würden Flyer verteilen, Plakate aufstellen und sogar auf eigene Kosten Werbeanzeigen in den Zeitungen schalten. Ein Bannerflieger, der ebenfalls von Unterstützern finanziert wird, kreist zusätzlich über den größten bayerischen Städten.

Um sicherzustellen, dass die Unterschriften ordnungsgemäß gezählt werden, hat die Initiative Unterschriftenlisten in Heftform drucken lassen. Die einzelnen Seiten und Zeilen sind jeweils durchnummeriert. Da bei der Unterschrift jedoch oft die Seiten umgeklappt und andere Unterschriften abgedeckt sind, ist nicht immer erkennbar, dass es sich um die Originalliste handelt. So gab es in der Vergangenheit Meldungen über falsche Listen, die sich jedoch nicht bestätigt haben. Bei Unstimmigkeiten können diese jedoch an die dafür geeignete Mailadresse [email protected] gemeldet werden.

Rechtsanwalt kritisiert Medienberichterstattung

Der bekannte Rechtsanwalt Ralf Ludwig, der die Initiative unterstützt und aktuell eine Infotour für das Volksbegehren durch Bayern bestreitet, kritisiert, dass das Volksbegehren in den Nachrichten relativ totgeschwiegen wird. Dass die AfD nun offiziell das Volksbegehren zur Abberufung des Landtages unterstützt, sieht er positiv. In seinen Augen sollte grundsätzlich jede Oppositionspartei sich für das Volksbegehren einsetzen.

Ludwig geht davon aus, dass die Parteien zunächst abwarten werden, ob die Initiative die notwendige Anzahl von einer Million Stimmen erhält. „Das würde dann sehr stark nach Wechselstimmung riechen, sodass sich sehr wahrscheinlich auch die anderen Oppositionsparteien – also SPD, Grüne und FDP – auf das Volksbegehren stürzen und die Auflösung des bayerischen Landtags fordern werden.“

Trotz eigenen Wahlkampfs der CSU habe die Partei das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei den Bundestagswahlen erzielt. Es spreche daher vieles dafür, dass die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung unzufrieden mit der Regierung ist. Für Ludwig steht fest: „Gerade nach den Ergebnissen der Bundestagswahl sind die Chancen, Bayern auf eine neue Regierung zu stellen, so hoch sind wie noch nie.“

CSU vs. Volksbegehren

Für die CSU ist das angestrebte Volksbegehren alles andere als erfreulich, schließlich hält sie 84 der 205 Mandate inne. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) erklärte, dass die bayerische Verfassung zwar ein derartiges Volksbegehren vorsehe und dies voll und ganz zu respektieren sei. Gleichzeitig sagte sie: „Wenn jetzt einige wenige – weil ihnen die Corona-Maßnahmen nicht passen und das Parlament nicht nach ihrer Pfeife tanzt – den Landtag abberufen wollen, ist das falsch verstandene Demokratie.“

Dem widerspricht die Initiative vehement. „Unser Ziel ist es, die Demokratie zu stärken.“ Landtagsabgeordnete sollten sich für das Wohl der Bürger und den Freistaat Bayern engagieren und sich nicht ausschließlich dem Fraktionszwang unterwerfen, ohne den politischen Diskurs zu suchen. Nach Schweizer Vorbild bringen sich nun Bürger mit dem Volksbegehren in das politische Geschehen ein.

In einem Flugblatt, als dessen Herausgeber die CSU-Landesleitung aufgeführt ist, wird das Volksbegehren hingegen als „radikale Täuschung“ bezeichnet. Hinter dem Volksbegehren würden vor allem sogenannte Querdenker-Gruppen stecken, die „bereits durch rassistische, volkshetzende und antisemitische Ausfälle auffielen“. Jede Stimme für das Volksbegehren sei eine Stimme gegen die Demokratie. Zudem seien die Argumente für das Volksbegehren von der Realität überholt. Schließlich habe die Bayerische Staatsregierung „mehrfach klargestellt, dass es dank der Impfmöglichkeiten keinen erneuten Lockdown geben wird“, heißt es weiter.

Für das „Bündnis Landtag abberufen“ ist das „Informationsschreiben“ der CSU unfassbar. Da die Initiative sich schlichtweg nicht vorstellen konnte, dass die CSU Verfasser des Schreibens ist, wurde zunächst eine Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Die Initiative distanziert sich ganz klar von jeder Art von Gewalt, von Aufrufen zur Gewalt, von Antisemitismus und Rassismus, Volksverhetzung und Extremismus in jedweder Form und verurteile diese. Was die CSU schreibe, sei eine „Aneinanderreihung von falschen Darstellungen, Vermutungen und Unterstellungen“.

„Es ist zur Gewohnheit geworden, Meinungen und Strömungen, die nicht regierungskonform sind, der sogenannten Querdenker-Szene zuzuordnen“, erklärt Münch. Der für die Antragstellung auf die Zulassung des Volksbegehrens beauftragte Joachim Layer habe bis dato an keiner Querdenken-Demo teilgenommen. „Wir alle mussten erleben, dass sich politische Entscheidungen direkt auf unsere Kinder, Familien, ältere Menschen, auf Alleinlebende, unternehmerische Existenzen und letztendlich auch auf unser persönliches Befinden und unsere Psyche machtvoll ausgewirkt haben“, so Münch weiter. Deshalb treffe das Volksbegehren nun auf große Zustimmung in unterschiedlichen Bevölkerungskreisen, Altersgruppen und quer durch alle Parteien.

Noch mehr Gründe für das Volksbegehren

Auch das Argument der CSU, dass die Gründe für das Volksbegehren inzwischen überholt seien, lässt das „Bündnis Landtag abberufen“ nicht gelten. „Es sprechen in der Tat aktuell mehr Gründe dafür als jemals zuvor“, so Münch. Die bayerische Politik treibe die Spaltung der Gesellschaft immer weiter voran. Eine Teilnahme am kulturellen und sozialen Leben sei nur noch mit 3G, in manchen Bereich nur mit 2G möglich. Die Einführung kostenpflichtiger Tests ist eine zusätzliche Belastung. „Grundrechte besitzen kein Preisschild, ab dem eine Durchsetzung zu teuer wird.“ Ein Abgeordneter, der die Grundrechte verinnerlicht habe, hätte derartigen Regeln seinem Gewissen folgend nicht zugestimmt.

Allein die Tatsache, dass die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig eingestufte Ausgangssperre, die von März bis April 2020 galt, von der Regierung mit einer Revision angefochten wird, zeige, dass sie an keiner Analyse oder Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert sei, heißt es vom „Bündnis Landtag abberufen“.

Wer darf wählen und wie geht es weiter?

Stimmberechtigt für das Volksbegehren sind alle deutschen Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind. Sie müssen seit mindestens drei Monaten in Bayern ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Ausnahme gilt für Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die ihre Wohnung aus beruflichen Gründen aus Bayern in einen Ort im Ausland nahe der Landesgrenze verlegen mussten, sowie die Angehörigen ihres Hausstandes.

Nach der Abstimmung, die bis zum 27. Oktober läuft, wird der Wahlausschuss innerhalb von zwei bis drei Wochen das Ergebnis des Volksbegehrens feststellen und das Ergebnis dem Ministerpräsidenten übergeben. Anschließend hat Ministerpräsident Markus Söder vier Wochen, um den Landtag zu informieren. Dieser wiederum ist verpflichtet, das Thema innerhalb von drei Monaten zu behandeln. Ist das Volksbegehren erfolgreich, kann sich der Landtag entweder selbst auflösen oder es kommt zu einem Volksentscheid innerhalb von drei Monaten. Dann wird jeder wahlberechtigte Bürger benachrichtigt und kann in den Wahllokalen abstimmen. Es reicht eine einfache Mehrheit aus, damit Neuwahlen stattfinden.

Sollte das Volksbegehren scheitern, bleibt die Regierung weiterhin bestehen – bis zur nächsten Landtagswahl im Herbst 2023. Und selbst in diesem Fall müsse man immerhin noch betrachten, wie viele Stimmen sich gegen die aktuelle Regierung ausgesprochen haben, erklärt Ludwig. Er findet es vor allem wichtig, dass man den Menschen im Rahmen derartiger Volksinitiativen verdeutlicht, wie viel Macht die Bürger haben. Wenn die Menschen nicht mit der Politik zufrieden sind, könne man Politiker absetzen und sogar selbst Gesetze erlassen. „Wir haben viel mehr Spielraum zur Beteiligung an der Politik, als wir glauben“, erklärt der Anwalt.

Volksbegehren wie in Bayern sind laut Ludwig auch in anderen Bundesländern geplant. In Thüringen gibt es derzeit eine Vorprüfung im Ministerium. Hier besteht die Besonderheit, dass eine Verfassungsänderung herbeigeführt werden soll, die die Abwahl des Landtages ermöglicht. Ursprünglich hatte der thüringische Landtag versprochen, den Weg für Neuwahlen freizumachen. Später kam es jedoch nicht zu der geplanten Auflösung. Sobald die Vorprüfung abgeschlossen ist, wird auch in Thüringen eine entsprechende Initiative gestartet.



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