Voigt vs. Höcke: Konfrontation mit früheren Äußerungen
70 Minuten diskutierten gestern Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) miteinander. Die „Welt TV“-Moderatoren Tatjana Ohm und Jan Philipp Burgard lenkten die Debatte schnell auf umstrittene ältere Äußerungen des AfD-Landeschefs.
Keine klare Antwort war Höcke zu der Frage zu entlocken, ob er noch heute der Meinung sei, die SPD-Politikerin und aktuelle Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz habe „in Deutschland nichts verloren“. Höcke hatte das vor sechs Jahren in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ gefordert, weil Özoğuz 2017 in einer „Tagesspiegel“-Kolumne geschrieben hatte, dass sie „jenseits der Sprache“ keine „spezifisch deutsche Kultur“ identifizieren könne. Dieses Mal aber gab Höcke an, sich nicht mehr genau an die Passage, ihren Kontext oder die Politikerin erinnern zu können. Er könne deshalb auch nicht sagen, wie er den Sachverhalt heute beurteilen würde. Voigt wiederholte seine Aussage, dass es Höcke in Wahrheit nur darum gehe, Millionen Deutsche abzuschieben, die ihm „nicht in den Kram“ passten. Alles andere seien „Wortschwälle“ und „Rumgeeiere“.
Etwas später angesprochen auf seinen angeblich der NS-Zeit entlehnten Wahlkampfspruch „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“, geriet Höcke erneut in die Defensive. Er sei davon ausgegangen, dass es sich bei dem letzten Teil des Dreiklangs um einen „Allerweltsspruch“ handele, der unter anderem von Ludwig II. von Bayern, von der Telekom oder auch von Franz Beckenbauer verwendet worden sei. Er habe nicht gewusst, dass der Spruch auch als Losung der SA gedient habe.
Höcke gab zu bedenken, dass es in Deutschland nicht strafbewehrt sei, „alles mögliche Böse und Schäbige und Ehrverletzende“ über das eigene Land zu sagen, etwa „Deutschland verrecke“ oder „Deutschland, du mieses Stück Sch[…]“. „Aber wenn man als Patriot in einer bedrängten Lage, in der dieses Land ist, fordert, alles für dieses Land zu geben – analog ‚America First‘“, finde man sich vor Gericht wieder. Für ihn bedeute das eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Und ohne Meinungsfreiheit sei „die Demokratie nichts“. Doch diese Argumentation ließen die Moderatoren und Voigt dem Ex-Geschichtslehrer nicht durchgehen. Höcke müsse sich in Kürze zu Recht vor Gericht für seinen Ausspruch verantworten, so das einhellige Urteil.
Dass über Höcke schon einmal „im Namen des deutschen Volkes“ geurteilt worden und Höcke dabei unterlegen sei, zeige, dass der Rechtsstaat funktioniere, meinte Voigt: „Bitte weinen Sie hier nicht.“ Die CDU beschrieb er als „die Partei des Rechtsstaats um Recht und Ordnung“.
Erinnerungskultur: Höcke möchte „positive Identität aufbauen“
In puncto Erinnerungspolitik hatte Höcke zuvor dafür plädiert, dass Deutschland wieder eine „positive Identität aufbauen“ müsse, wenn es „eine Zukunft“ haben wolle. Dass der Holocaust ein „Zivilisationsbruch“ gewesen sei, stelle niemand in Abrede. Die AfD aber wolle „grundsätzlich die Lichtseiten der deutschen Geschichte in den Mittelpunkt der Erinnerungspolitik rücken. Das heißt aber nicht, dass wir die Schattenseiten, die Schrecken der Nazizeit beispielsweise, hinten runterfallen lassen wollen.“ Diese gelte es in Erinnerung zu behalten und weiter „beständig“ daran zu lernen. Er sei allerdings auch der Überzeugung, dass die Deutschen sich „wieder mit sich selbst befreunden“ müssten: „Ohne einen natürlichen, vitalen Patriotismus, der auf einer gesunden Identität fußt, werden wir als Deutsche keine Zukunft haben.“
„Ich liebe mein Land, aber ich hasse keinen anderen“, entgegnete Voigt. Deutschland habe viele Gründe, stolz zu sein. Er freue sich schon darauf, dass die Nationalmannschaft bei der EM im Sommer eventuell den Titel holen könne. „Das ist ein Patriotismus, den ich mag.“ Es habe dagegen „Gründe“, dass Höcke und der AfD kein Zutritt zur Gedenkstätte Buchenwald gewährt würde. Immerhin habe Höcke in einem „Wall Street Journal“-Interview davon gesprochen, dass es „das große Problem“ sei, „dass Hitler als das absolut Böse dargestellt“ werde. „Dieses Angst-und-Gift-Verstreuen, das ärgert die Menschen“, so Voigt. „Hass liegt mir völlig fern“, antwortete Höcke.
Antisemitismus bekämpfen – auch durch Zuwanderungspolitik?
Er teile grundsätzlich auch den Standpunkt Voigts, dass Antisemitismus bekämpft werden und Deutschland an der Seite Israels stehen müsse. Man müsse aber auch die Ursachen für den Antisemitismus in Deutschland ergründen. Er sehe „keinen Antisemitismus ausgeprägten Maßes bei der ursprünglichen deutschen Bevölkerung“, wohl aber ein „Problem, das wir uns mit der Migration ins Land geholt haben“. Deshalb plädiere er dafür, die „Einwanderung aus dem islamischen Kulturkreis“ zu beenden.
Das bedeute nicht, dass es keine „prima Menschen islamischen Glaubens“ gebe, „die voll integriert“ seien und „voll auf dem Boden des Grundgesetzes“ stünden, betonte Höcke. „Aber die Masse und einfach die Gefährlichkeit dieser unkontrollierten Einwanderung, der müssen wir entschieden begegnen“. Andernfalls kippe „dieses Land und auch unser demokratischer Rechtsstaat“.
Ukraine: Voigt sowohl für Waffen als auch Diplomatie
Angesprochen auf Russland und den Ukraine-Krieg, erläuterte Voigt seinen Standpunkt, dass die Leute sowohl auf der ukrainischen als auch auf der russischen Seite „in Geiselhaft eines irren Aggressors Putin“ stünden. Diese „Reibung“ spürten auch die Thüringer. Das Entscheidende sei, dass die Ukraine sich verteidigen können müsse. Er werbe deshalb nicht nur „für diplomatischen Druck, um Frieden zu erreichen“, sondern auch dafür, „die Ukraine verteidigungsfähig zu halten“. Denn Putin werde im Fall eines Sieges genau das machen, „was er in Russland jetzt eh schon macht: Gräueltaten, Leute umbringen, Tausende Tote, Millionen Flüchtlinge“. Dann würden wahrscheinlich zehn Millionen Ukrainer fliehen, vier Millionen darunter nach Deutschland. Putin habe schon die „Asylsituation“ des Jahres 2015 zu verantworten, weil er damals „an der Seite von Assad Giftwaffen eingesetzt“ habe.
Generell befinde man sich in einem „Systemkonflikt“: Auf der einen Seite gebe es „autoritäre Regime“ wie China und Russland, auf der anderen Seite stehe „die demokratische Welt“. Die NATO zu verlassen und sich einer „Shanghai Organisation“ wie den BRICS-Staaten anzuschließen, wie es der AfD vorschwebe, schwäche die Position Deutschlands erheblich.
Höcke: Wir brauchen keinen Hass zwischen Russen und Deutschen
Höcke sagte, er sei „sprach- und fassungslos“ angesichts der Hunderttausenden Opfern auf beiden Seiten. Deswegen müsse der Krieg „so schnell wie möglich beendet werden – und zwar um jeden Preis“. „Wir brauchen Frieden mit Russland, wir brauchen Kooperation mit Russland, und wir brauchen keinen Hass zwischen Russen und Deutschen“, so der AfD-Spitzenkandidat. Deshalb lehne er weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab: „Wer Waffen liefert, der will keinen Frieden, der will den Krieg.“ Deutschland werde aber nicht zur Eskalation, sondern als „Friedensmacht“ gebraucht. Es sei an der Zeit, seine „Brückenfunktion zwischen Ost und West“ auszuspielen und zu „Friedensgesprächen“ einzuladen. Zumindest müsse man das versuchen.
Er glaube, dass auch Russland als geopolitisch „bedrängtes Land“ Frieden wolle. Für ihn sei Putin ein „rationaler Mann, der auch erkennt, wann es genug ist und wann Frieden geschlossen werden muss“. Unter Verweis auf eine Aussage des SPD-Politikers Egon Bahr aus dem Jahr 2013 untermauerte Höcke seine Überzeugung, dass „Kriege niemals für Demokratie und Menschenrechte geführt“ würden, sondern „immer aus Macht- und Geldinteressen“.
Voigt schließt Kooperation kategorisch aus
Bei allen unterschiedlichen Positionen bot Höcke Voigt am Ende der Runde an, nach der Landtagswahl für eine gemeinsame „konservativ-patriotische Wende“ zusammenzuarbeiten: „Meine Hand ist weiterhin ausgestreckt.“
Das lehnte Voigt strikt ab: „Mit diesen völkischen Bildern, mit diesen völkischen Ideen von Herrn Höcke werd‘ ich nicht zusammenarbeiten.“ Höcke sei zudem „autoritär“. Zu seinem künftigen Wunschbündnis im Fall einer Regierungsübernahme könne er, Voigt, noch nichts sagen: Es würden schließlich jede Woche neue Parteien gegründet. „Die CDU hat den Anspruch, stärkste Kraft zu werden. Dafür will ich alles tun.“
In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt.
Das Redequartett ist in seiner vollen Länge von knapp 74 Minuten auf „Welt.de“ zu sehen.
Lesen Sie hier den ersten Teil unserer Analyse des TV-Duells.
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