„Vision Zero“ – so will Deutschland die Zahl der Verkehrstoten auf null bringen
In den vergangenen Jahren und Monaten war zunehmend von der sogenannten Vision Zero die Rede. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Arbeitswelt, und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat ihn 2008 erstmals in ihre Präventionsstrategie integriert.
Ziel war eine „Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen“. Außerdem sollen tödlich und schwere Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten vermieden werden. Mittlerweile erstreckt sich die Vision Zero auch auf andere Lebensbereiche. Ein zusätzlicher Schwerpunkt ist dabei der Straßenverkehr.
Vision Zero will Schutz von Leben und Gesundheit in den Fokus stellen
Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ist im Westen bereits seit Mitte der 1970er deutlich rückläufig. Bedingt durch die Wiedervereinigung gab es eine kurze Steigerung, allerdings setzte sich der Trend schon seit 1992 auch im größeren Bundesgebiet durch. Auch wenn im Vergleich zu 1970 etwa 80 Prozent weniger Verkehrstote zu verzeichnen sind, kamen im Vorjahr 2.839 Menschen im Straßenverkehr um.
Bis 2030 will die Bundesregierung einen weiteren Rückgang um 40 Prozent erreichen. Fernziel ist es, in Deutschland keine Toten mehr im Straßenverkehr beklagen zu müssen. Zudem sollen die Fälle von schweren Verletzungen auf ein Minimum sinken.
Die Vision Zero soll den Schutz von Leben und Gesundheit in den Fokus aller Bestrebungen stellen. Dabei geht das Konzept von der Fehleranfälligkeit menschlicher Entscheidungen und Verhaltensweisen aus. Systeme sollen deshalb so ausgerichtet sein, dass diese keine tödlichen oder verletzungsträchtigen Folgen hätten.
„Dynamisches und lernendes System“
Wie das Bundesverkehrsministerium betont, unterscheide sich das aktuelle Verkehrssicherheitsprogramm, das alle zehn Jahre erneuert werde, deutlich von früheren Programmen. So sei es „nicht als starrer Plan, sondern als dynamisches und lernendes System“ angelegt.
Es werde regelmäßig überprüft und angepasst, um auf aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen eingehen zu können. Zudem fließen dem Ministerium zufolge auch Maßnahmen anderer Ministerien ein, etwa solche im Bereich des autonomen Fahrens oder der Ausbildung von Verkehrsteilnehmern.
Der „Pakt für Verkehrssicherheit“ bilde ein Dach für alle Akteure der Verkehrssicherheit. Dazu gehörten Bundesländer, Kommunen und Verbände. Ihre gemeinsame Verantwortung sei es, eine gemeinsame Strategie und konkrete Maßnahmen für eine sichere Mobilität umzusetzen.
Die Kernelemente der Vision Zero
Zur Vision Zero sollen technologische Fragen wie autonomes Fahren oder Fahrsicherheitsassistenten gehören. Die Bundesregierung will die Entwicklung von Fahrzeugen fördern, die auf diesem Wege miteinander oder mit den Infrastruktureinrichtungen kommunizieren können.
Außerdem gehören die Optimierung der Straßeninfrastruktur, der Verkehrszeichen und der Straßensysteme zu den Kernanliegen der Vision Zero. Eine datenbasierte Unfallanalyse soll helfen, gezielte Präventionsmaßnahmen zu veranlassen. Diese sollen auch regelmäßig einem Monitoring und einer Evaluation unterzogen werden.
Zu den weiteren Ansätzen der Vision Zero gehören auch die Trennung von Rad- und Autoverkehr sowie die Förderung von Abbiegeassistenzsystemen für Lkw zur Vermeidung von Unfällen im toten Winkel. Grundsätzlich ist auch angestrebt, Kommunen die Möglichkeit zu bieten, an sensiblen Stellen flexibler mit Tempolimits arbeiten zu können.
Mehr Tempo 30
So unumstritten das Ziel ist, Verkehrstote oder Unfälle mit schweren Personenschäden zu vermeiden, so weit gehen die Vorstellung zu dessen konkreter Umsetzung im Alltag auseinander. Politiker und NGOs stellen vielerorts Forderungen im Rahmen der Vision Zero, die bis in das Alltagsleben der Menschen reichen.
Ein Beispiel dafür war die erstmals 2021 aufgestellte Forderung der Deutschen Umwelthilfe (DUH), innerorts Tempo 30 statt Tempo 50 zur Norm machen zu wollen. Bis dato ist eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung nur im Umfeld sensibler Bereiche wie Schulen oder Pflegeheimen vorgesehen.
Angedachtes Verbot des Rückwärtsausparkens in Kiel
Schon im Jahr 2020 hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer einen Bußgeldkatalog auf den Weg gebracht, der deutliche Erhöhungen mit sich gebracht hatte. Dieser wurde mit der Vision Zero begründet und dem Ziel, Verkehrstote und Schwerverletzte zu minimieren. Geschwindigkeitsübertretungen führen seither zu schärferen Sanktionen.
Dass Parken ebenfalls Vision Zero-relevant sei, dieser Überzeugung ist auch die Mobilitätsdezernentin der Stadt Kiel, Alke Voß. Der Grünen-Politikerin schwebte einem Bericht der „Kieler Nachrichten“ zufolge vor, das Rückwärtsausparken im gesamten Stadtgebiet zu untersagen. Dies solle auch auf privaten Grundstücken gelten.
Der Vorstoß hatte massive Kritik aus der Opposition zur Folge. Diese sprach von einem „klassischen Beispiel von Überregulierung“ und beklagte „politische Bevormundung“ und einen „Eingriff in den privaten Alltag“. Voß hat den Antrag, über den am 5. November abgestimmt werden sollte, nach dem massiven Gegenwind von der Tagesordnung nehmen lassen.
Man wolle sich nun „als Verwaltung erst noch mit beteiligten Akteuren abstimmen, wie zum Beispiel der Verkehrswacht, der Polizei oder der IHK“. Vom Tisch ist er jedoch bisher nicht. Bei den Wahlen zur Kieler Ratsversammlung wurden die Grünen mit 27,1 Prozent (plus 6,7) mit deutlichem Abstand stärkste Kraft. Zusammen mit der SPD (22 Prozent) verfügt man über eine Mandatsmehrheit.
Gesundheitstests für ältere Fahrer bleiben in Verantwortung der Mitgliedstaaten
Auch auf EU-Ebene ist das Ziel, Verkehrstote und Schwerverletzte zu verhindern, bereits ein Thema. Im Februar wollte Brüssel, um dieses Ziel zu verfolgen, Führerscheinbesitzer ab einem bestimmten Alter zu Gesundheitstests verpflichten.
Der EU-Rat und das Europäische Parlament hatten sich im Dezember des Vorjahres und im Februar dieses Jahres für Maßnahmen ausgesprochen, um die Fahrtüchtigkeit regelmäßig zu kontrollieren. Allerdings wird es keine einheitliche Regelung geben. Vielmehr soll die Festsetzung von Maßnahmen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten bleiben.
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