Visaskandal in Pakistan: Sanktionen gegen kritische Beamtin werfen Fragen auf

Die Visaaffäre in der deutschen Botschaft in Islamabad spitzt sich zu: Hinweise verdichten sich, dass das Auswärtige Amt eine kritische Mitarbeiterin sanktioniert hat. Grund soll ihr Eintritt für strengere Sicherheitsprüfungen afghanischer Bewerber für humanitäre Aufnahmen gewesen sein.
Außenministerin Annalena Baerbock sieht Fortschritte im Visaverfahren.
Außenministerin Annalena Baerbock wegen der Visaaffäre unter Druck.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 15. August 2024

Die sogenannte Visaaffäre in der deutschen Botschaft in Pakistans Hauptstadt Islamabad scheint für Bundesaußenministerin Annalena Baerbock noch nicht ausgestanden. Mittlerweile erhärten sich Hinweise darauf, dass sie und ihre Staatssekretärin Susanne Baumann eine kritische Mitarbeiterin sanktioniert haben.

Baerbock selbst soll sich proaktiv dem Ansinnen entgegengestellt haben, Sicherheitsinterviews mit Kandidaten für eine humanitäre Einreise aus Afghanistan zu führen.

CDU-Abgeordneter hakt in Visaaffäre nach

Wie der „Business Insider“ unter Berufung auf mehrere Quellen aus Regierungskreisen mitteilt, soll es zu Beginn des kommenden Jahres eine pikante Umstrukturierung in der Botschaft in Islamabad geben. So sollen der Leiterin des Rechts- und Konsularreferats (rk-1) alle Aufgaben entzogen werden, die mit dem sogenannten Bundesaufnahmeprogramm (BAP) zusammenhängen.

Grund dafür soll sein, dass die Beamtin wiederholt Bedenken bezüglich einer zu großzügigen Auslegung der Visabestimmungen zugunsten afghanischer Kandidaten für eine humanitäre Ausreise geäußert habe. Sie soll insbesondere Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Sicherheit des Kurses des Auswärtigen Amtes geäußert haben.

Über längere Zeit hinweg hatte sich das Auswärtige Amt bedeckt gehalten. Mittlerweile hat jedoch der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif dort nachgefragt. Er wollte wissen, warum es eine geplante Personaländerung im Zusammenhang mit dem Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen gibt.

„Kaltstellung einer unbequemen Beamtin“?

Das Auswärtige Amt, vertreten durch Staatssekretärin Susanne Baumann, gibt an, dass die Änderung im Rahmen einer Reorganisation erfolge, um „die Leitung des Rechts- und Konsularreferats zu entlasten“.

Seif kritisiert diese Begründung als „scheinheilig“. Er vermutet, dass der wahre Grund die „Kaltstellung einer Beamtin“ gewesen sei, der „die Sicherheit Deutschlands mehr am Herzen lag als ideologische und politische Vorgaben“. Die Beamtin war eine entschiedene Befürworterin von Sicherheitsinterviews mit potenziellen Begünstigten des humanitären Ausreiseprogramms.

Strengere Prüfungen wurden von der Bundesregierung erst nach Hinweisen auf Missbrauch eingeführt. Im Juni 2023 hatte das Bundesinnenministerium darauf gedrängt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock soll sich zuvor persönlich proaktiv gegen solche Prüfungen verwahrt haben. Noch Ende 2022 soll sie vertraulich in einem Schreiben an Baumann geäußert haben:

„Das sollten wir nicht akzeptieren. Hier hart bleiben, ggfs. weiter bis zur Ebene BMin eskalieren, ggfs. öffentlich.“

Offenbar versprach sie sich von Ministerin Faeser Rückendeckung – tatsächlich drängte diese auf strengere Standards.

Baerbock kündigte „Abbau bürokratischer Hürden“ an

Während reguläre Antragsteller mit Blick auf die deutsche Botschaft in Islamabad über monate- oder gar jahrelange Wartezeiten für Visa zum Ehegattennachzug klagen, sollen Vorgänge in politisch sensiblen Fällen durch Weisung beschleunigt worden sein. Hintergrund des Kurses war das BAP, das sich vor allem an sogenannte Ortskräfte in Afghanistan richtete.

Diese hatten in den Jahren zwischen 2001 und 2021 für deutsche Einrichtungen in Afghanistan gearbeitet. Nach der Machteroberung durch die radikalen Taliban-Milizen im August 2021 drohen den Ortskräften Repressionen oder Racheakte. Deshalb wollte die deutsche Bundesregierung monatlich 1.000 von ihnen aus dem Land holen.

Baerbock hatte im Dezember 2021 angekündigt, man werde „bürokratische Hürden abbauen, um die Aufnahme und die Einreise nach Deutschland zu erleichtern“. Da Deutschland die Taliban nicht als Regierung anerkennt und in Afghanistan keine diplomatischen Einrichtungen mehr unterhält, müssen potenzielle Begünstigte ihre Ausreise über die deutsche Botschaft in Islamabad beantragen.

Visaprogramm derzeit nicht mehr aktiv

Mittlerweile liegt das Visaprogramm auf Eis. Ausschlaggebend waren Hinweise auf Vetternwirtschaft und sogar Rechtsbeugung, die mittlerweile die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Leitende Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, gegen die sich die Ermittlungen richten, sollen Visaanträge afghanischer Staatsangehöriger genehmigt haben, obwohl diese ungültige Papiere vorgelegt hätten. Sogar Sicherheitsbedenken hätten die Verdächtigen außer Acht gelassen.

Das Auswärtige Amt räumt mittlerweile ein, dass sogenannte Proxy-Pässe in einigen Visaverfahren zum Einsatz gekommen seien. Sprecher Sebastian Fischer sprach von „weniger als zwei Dutzend Fälle“.

Proxy-Pässe sind nicht gefälscht, aber es fehlen ihnen eine Reihe zwingender Eigenschaften, die üblicherweise für die Anerkennung von Dokumenten fremder Staaten vorgeschrieben sind. Hintergrund der Anfertigung von Proxy-Pässen ist es, dass nicht in jedem Fall der Passinhaber selbst diesen abholt.

In Afghanistan selbst erkennen Behörden diese an, deutsche Behörden dürften diese im Visaprozess jedoch nicht akzeptieren. Es hätte jeweils ein Reisedokument für Ausländer ausgestellt werden müssen.



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