Vielfalt als Programm

Bioland-Bauer Karsten Ellenberg: Wieder-Entdecker alter Kartoffelsorten
Titelbild
Eine der alten Sorten nennt sich „Rode Erstling“ und stammt aus Schottland. Die Kartoffeln haben eine rote Schale und hellgelbes Fleisch. (Karsten Ellenberg)
Von 23. Juli 2008

Ein kleines Dorf in der Lüneburger Heide. Mittendrin der Bioland-Hof von Karsten Ellenberg und in Barum dreht sich inzwischen alles um die Kartoffel. Was 1997 mit einer Handvoll Knollen alter Sorten begann, ist zu einem Kartoffelhof schlechthin geworden. Die Kunden können zwischen 22 Sorten wählen und Ellenberg wurde zu einem der bekanntesten Biobauern Norddeutschlands. Einmal durch seine Kartoffelvielfalt, aber vor allem deshalb, weil er versucht seine selbsternannte „Königin der Kartoffeln“, die Sorte Linda am Leben zu erhalten.

Der 45-jährige Ellenberg übernahm 1984 von seinem Vater einen konventionellen Heidebauernhof mit 60 Hektar Land, auf dem Zuckerrüben, Getreide und Kartoffeln angebaut wurden. Auch eine Schweinemast gab es damals. Die stellte er 1988 auf eine artgerechtere Haltung um, doch im Jahr 1990 entschied er sich für den Biolandbau. „Der Betrieb war zu klein, um langfristig eine Perspektive als konventioneller Mischbetrieb zu haben“, sagt Ellenberg, „und ich wollte ökologisch wirtschaften.“ Einige Jahre produzierte er Möhren und Zwiebeln für die Babynahrungsindustrie. Doch dann besann er sich wieder auf das, was in der Lüneburger Heide Tradition hat: die Kartoffel.

Aus der Genbank Groß Lüsewitz bekam Ellenberg eine Handvoll Knollen alter Kartoffelsorten. „Viele dieser Sorten sind noch so gezüchtet, wie es heute der ökologische Landbau vorschreibt“, so Ellenberg. Die zwölf Sorten pflanzte er im Garten aus. Das Ergebnis beeindruckte die ganze Familie: verschiedene Blüten, verschiedene Knollen, verschieden im Geschmack. „Der Geschmack geht von cremig über würzig bis erdig, so was gibt es bei den neuen Sorten kaum noch“, erzählt Ellenberg. Die wohlschmeckenden Sorten vermehrte er, darunter rote und blaufleischige Kartoffeln. In einer Gegend, in der man an jeder Ecke „Heidekartoffeln“ kaufen kann, berichtete die Presse plötzlich über „Bamberger Hörnchen“, die „Blauen Schweden“ oder alte Inkakartoffeln. Erste Händler wie manufactum kauften kleine Mengen der bunten Kartoffeln.

Schließlich begann der „Kartoffelhof Ellenberg“, selbst Kartoffeln zu züchten, also alte Kartoffelsorten mit Wildkartoffelarten und einigen neuen Sorten zu kreuzen. Wichtig für den Biolandbau: teilweise haben die alten Sorten eine geringere Anfälligkeit gegen Krautfäule oder das Kraut wächst sehr stark, was zu weniger Beikräutern führt. Mittlerweile gibt es ein kleines Labor auf dem Hof, in dem unter sterilen Bedingungen die Pflänzchen „In vitro“ vermehrt werden. Im Kühlraum entsteht allmählich eine eigene Genbank mit den wichtigsten Sorten für den Hofanbau. Im Gewächshaus nebenan werden die neuen Sorten herangezogen und selektiert und als Knollen dann im Freiland ausgesetzt.

Die moderne konventionelle Kartoffelzucht verringerte dagegen die Kartoffelvielfalt immer mehr. Nur Massenertragssorten, die industriell als Stärke- oder Pommeskartoffeln gut verwertbar sind, haben noch eine Chance. Die wenigen auf Ertrag gezüchteten Speisesorten schmecken alle relativ homogen. „Dagegen kämpfen wir an, das ist Biodiversität auf dem Acker – und eine Bereicherung des Geschmackserlebnisses“, sagt Ellenberg.

Inzwischen entstanden die ersten eigenen Hofsorten „Emma“ und „Olivia“. Bisher darf Ellenberg sie nur als Speisekartoffeln verkaufen, da die Sorten noch nicht offiziell anerkannt sind. Allerdings ist es nicht verboten, wenn andere Bauern die Kartoffeln wiederum pflanzen. Im Herbst wird Ellenberg sie beim Bundessortenamt als neue Sorten anmelden, dann beginnt dort die zweijährige Prüfung.

Genau das passiert gerade auch mit der Sorte „Linda“. Der Streit darum begann 2004, als der bisherige Sorteninhaber Linda nach 30 Jahren vom Markt nehmen wollte, obwohl viele (Bio-)Bauern und Verbraucher sie behalten wollten. Nach langem gerichtlichen Hin und Her stellte der Linda-Freundeskreis um Karsten Ellenberg jetzt einen Antrag auf Neuzulassung der Sorte. Noch immer ist Linda die wichtigste Speisekartoffelsorte auf dem Hof Ellenberg.

Doch die Vielfalt wird immer größer. Im Kartoffelladen kann man derzeit aus 22 Sorten wählen, angebaut werden aber über 150 Sorten, und längst gibt es die Ellenbergschen Kartoffeln auch im Internet. „Hermanns Blaue“, „La Nonnotte“ oder „Highland Burgundy Red“ kommen dann als Paket ins Haus. Zwischen 30 und 50 Pakete pro Tag verlassen durchschnittlich den Hof, drei der fünf Hilfskräfte auf dem Hof beschäftigen sich mit dem Verpacken. „Vielfalt macht Arbeit“, sagt Karsten Ellenberg, aber „Vielfalt schafft auch Arbeit“.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 30/08



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