Verwirrung um Migrationszahlen – was hinter dem Deal mit Kenia steckt

Deutschland und Kenia haben ein neues Migrationsabkommen geschlossen. Dieses soll für beide Seiten eine Win-win-Situation schaffen. Dass Präsident Ruto von bis zu 250.000 jungen Kenianern sprach, die nach Deutschland kommen könnten, veranlasste das BMI zu einem Dementi.
Titelbild
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Kenias Premierminister Wycliffe Musalia Mudavadi besiegeln das Migrationsabkommen zwischen Deutschland und Kenia.Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images
Von 17. September 2024

Am Freitag, 13. September, verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz den Abschluss einer Vereinbarung mit dem Staatspräsidenten von Kenia, William Ruto. Ziel des Abkommens soll es zum einen sein, einen weiteren Partner zur Kontrolle von Migrationsbewegungen zu gewinnen. Gleichzeitig bemüht sich Deutschland, dessen Arbeitsmarkt jährlich bis zu 400.000 Arbeitskräfte fehlen, seinen Bedarf an Fach- und Anlernkräften zu decken.

Präsident Ruto sieht beiderseitigen Nutzen für Kenia und Deutschland

Ruto war am Freitag zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Deutschland eingetroffen. Bezüglich der Reichweite des Abkommens gehen die Darstellungen jedoch auseinander. In einem Interview mit der „Deutschen Welle“ (DW) sprach Ruto im Kontext des Abkommens von „Chancen für rund 250.000 junge Menschen aus Kenia“.

Der Präsident sprach von einer „Win-win-Situation“. Einem erheblichen Arbeitskräftedefizit in Deutschland stünde ein erhebliches Arbeitskräfteangebot in Kenia gegenüber. Einen Braindrain befürchte er nicht – Jahr für Jahr strömten eine Million junger Menschen auf den Arbeitsmarkt.

Demzufolge bestehe kein Widerspruch zwischen ambitionierten Vorhaben der Regierung für Kenia selbst und einer Förderung von Jobchancen junger Kenianer in Deutschland.

BMI: „Keine Zahlen oder Kontingente vereinbart“

Die Zahlenangabe hat in Deutschland für Irritationen gesorgt. Obwohl die Folgen der Überalterung des Landes perspektivisch für immer mehr Probleme sorgen, ist die Aussicht auf Einwanderungsbewegungen in dieser Größenordnung in der Bevölkerung wenig populär.

Dies hat mit den als unkontrolliert wahrgenommenen Zuwanderungsbewegungen seit Mitte der 2010er-Jahre zu tun – und mit schweren Straftaten wie dem mutmaßlichen Terroranschlag von Solingen. Zwar haben Länder wie Kenia mit diesen unwillkommenen Nebeneffekten nichts zu tun. Dennoch sehen viele Bürger Deutschland derzeit nicht in der Lage, 250.000 junge Menschen aus einem Drittstaat zeitnah zu integrieren. Immerhin vollzieht sich bereits der Eintritt mehrerer hunderttausender Geflüchteter aus der Ukraine seit 2022 eher schleppend.

Auch deshalb sah sich das Bundesministerium für Inneres und Heimat am Samstag dazu genötigt, die Darstellung Rutos zu relativieren.

Ausreisepflichtige sollen Land verlassen – es sind aber nur 800

Dem Ministerium von Nancy Faeser zufolge enthält das Abkommen keine Zahlen oder Kontingente bezüglich der Einwanderung von Arbeitskräften aus Kenia. Zudem müssten alle Bewerber die Kriterien des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erfüllen.

Ein weiterer Punkt der Vereinbarung sei zudem die erleichterte Rückführung ausreisepflichtiger kenianischer Staatsangehöriger aus Deutschland. Dazu soll die Identifizierung mittels der Verwendung biometrischer Daten erleichtert werden. Zudem sollen auch abgelaufene Reisepässe oder Personalausweise als gültige Reisedokumente anerkannt werden.

Die Epoch Times hat bei der kenianischen Botschaft in Deutschland angefragt, ob es eine mündliche Abrede bezüglich der Zahl von 250.000 jungen Menschen gebe, die Präsident Ruto erwähnte. Außerdem wollten wir wissen, wie sich die Zahl konkret errechne und aus welchen Bereichen die Arbeitskräfte kommen sollen. Sobald eine Antwort eintrifft, wird dieser Beitrag ergänzt.

Kenia ist kein typisches Auswanderungsland

Inwieweit es überhaupt realistisch ist, eine nennenswerte Anzahl von Facharbeitern aus dem ostafrikanischen Land für Deutschland zu mobilisieren, ist fraglich. Kenia, das innerhalb Afrikas als eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder mit dynamischer Wirtschaftsentwicklung gilt, stellt kein wesentliches Auswanderungsland dar.

Im Jahr 2020 lebten lediglich etwa 535.000 Bürger des Landes im Ausland, das entspricht etwa einem Prozent der Bevölkerung. Demgegenüber stellen São Tomé und Príncipe sowie Lesotho die Staaten in Afrika mit der größten Diaspora dar – mit etwa 15 Prozent.
Zudem ist Deutschland kein vorrangiges Zielland für Auswanderer aus Kenia. Die meisten Auslandskenianer, nämlich etwa 157.000, leben in den USA; an zweiter Stelle folgt das Vereinigte Königreich mit 139.400. In Deutschland leben derzeit hingegen lediglich etwa 14.800 kenianische Staatsangehörige. Von diesen sind gerade einmal 800 ausreisepflichtig.

Faeser zeigt sich mit dem Abkommen zufrieden

Allerdings könnte das Abkommen zum Sprungbrett für einige der derzeit rund 774.000 registrierten Schutzsuchenden werden, die mit Stand Ende Mai 2024 in Kenia untergebracht sind. Die meisten von ihnen stammen aus den kriegsgeschüttelten Nachbarländern Südsudan und Somalia.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich „sehr zufrieden“ mit dem Abkommen. CNN zitierte sie mit der Aussage:

„Wir wollen die Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht konsequent durchsetzen – das ist ein wichtiger Baustein zur Begrenzung der irregulären Migration. Hierfür haben wir gute Vereinbarungen getroffen.“

Gleichzeitig wolle man „qualifizierte Arbeitskräfte anwerben, die wir in vielen Bereichen unserer Wirtschaft dringend brauchen“.



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