Verwirrspiel bei Anne Will: Zahlendesaster lässt Gauland unglaubwürdig erscheinen

Alexander Gauland saß am Sonntag Abend bei Anne Will, als es zu Zahlen-Missverständnissen kam. Die Moderatorin korrigierte den AfD-Politiker beim Thema Abschiebung, was einige Grundsatzdiskussionen in den Medien nach sich zog.
Titelbild
Alexander Gauland (mitte) bei Anne Will.Foto: screenshot ARD
Epoch Times29. Mai 2018

Nun kommt es schon selten genug vor, dass ein AfD-Vertreter in einer Talkshow zu Gast ist, und nun hagelt es gleich Kritik von allen Seiten. Talkmasterin Anne Will habe in ihrer Sendung am Sonntag AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland als Lügner hingestellt, heißt es von mancher Seite.

Es ging um den BAMF-Skandal und das Thema Abschiebung. Was war los? Während Gauland von 250.000 Ausländern sprach, deren Asylanträge abgelehnt worden seien und die immer noch da seien, fiel ihm Moderatorin Anne Will ins Wort, um ihn vor zahlreichem Fernsehpublikum zu berichtigen: „Die Zahl stimmt nicht ganz, 230.000 sind ausreisepflichtig.“ Gauland darauf: „Wir haben 600.000, die nicht abgeschoben werden können.“ Die Hälfte davon hätte auch keinen Hinderungsgrund.

Dann will die Moderatorin wissen, woher er die Zahl 600.000 hätte. Gauland antwortete: „Aus der „WELT“. Will sagt darauf: „Wir können uns die Abschiebezahlen kurz mal anschauen, nicht dass sich da irgendwas festsetzt, und die Kollegen der WELT werden das dann sicher auch schnell korrigieren.“

Wie „WELT“ daraufhin schreibt, kam es bei der Diskussion offenbar zu Missverständnissen. Gauland habe sich wahrscheinlich auf einen WELT-Artikel aus dem März bezogen, dem zufolge allein in 2016 und 2017 rund 600.000 Asylanträge abgelehnt wurden. In diesen beiden Jahren wurden nur knapp 50.000 Personen abgeschoben, zudem gab es etwa 80.000 freiwillige oder finanziell geförderte Ausreisen. Demnach bleiben 470.000 abgelehnte Asylbewerber übrig.

Aber warum sind dann- wie Will meinte – nur 230.000 Migranten ausreisepflichtig von denen nur 60.000 abgeschoben werden könnten? Laut WELT liegt es daran, dass rund 90 Prozent der abgelehnten Asylbewerber gegen die Entscheidung klagen.

Nun haben allerdings nur etwa 12 Prozent einen positiven Bescheid erhalten, alle anderen Kläger seien aber während des Verfahrens vor Abschiebung geschützt. Hinzu komme der Ermessungsspielraum der Behörden in Fällen von Krankheit oder zwischenzeitlicher Familiengründung. „Wer seit 18 Monaten hier ist, hat demnach gute Chancen auf eine dauerhafte Duldung“, so WELT. 

Das also der nüchterne Zahlenvergleich aus der WELT. Stephan Paetow schaut allerdings etwas hinter die Kulissen der Fernsehshow und kommentiert dazu auf „Tichys Einblick“ folgendes:

„Hier werden die üblichen Nebelkerzen gezündet, damit der halbinformierte Bürger am Montag halbwegs beruhigt wieder seiner Arbeit nachgeht – nach dem Motto ‚Es bewegt sich ja was, alles wird gut, die schaffen das‘.“

Dann zeigt er auf, wie in der Sendung seiner Meinung nach schamlos getrickst wird, wobei er schreibt: „Gauland sprach von 600.000 Ausreisepflichtigen, Will konterte: Woher haben Sie die Zahl? Gauland: Aus der „Welt“. Da spult Will ein Filmchen ab, das die Zahl der Ausreisepflichtigen von 230.000 sogar noch raffiniert auf 60.000 herunterrechnet.“

Schon die Zahl 230.000 sei eine grobe Täuschung, weil viele Ausreisepflichtige aus der Ausreisepflicht „herauswachsen“, weiß Paetow. Denn wenn die Rückführung längere Zeit nicht gelinge, bekämen sie trotz Ablehnung einen legalen Aufenthaltstitel. „Und die Abschiebung gelingt nicht, weil viele ihre Pässe wegwerfen, so dass die Behörden nicht wissen, wohin sie zurückführen sollen. Oder weil medizinische Gefälligkeitsatteste (für Geld oder Gottes Lohn) Rückführungen verhindern,“ so der Kolumnist.

Die sei „ein in seiner Perfidie perfektes System zur Aushebelung dessen, was mal ein Rechtsstaat war: Wer sich lange genug wehrt, erhält automatisch Recht. Versuchen Sie das mal bei einer Baugenehmigung: Was länge währt, wird endlich Recht?“

Und Alexander Wallasch kommentiert dazu ebenfalls bei „Tichys“: „Nun weiß man dort allerdings, dass die Sendung längst gelaufen ist und also der Zwecke erfüllt: Millionen haben gesehen, was nicht stimmt, geglaubt, dass Gauland ein Lügner ist. Den revidierenden Twitter-Tweet lesen höchstens ein paar hundert Twitter-Nutzer.“ Damit bezog er sich auf einen Twitter Austausch zwischen den Redakteuren der Anne Will-Sendung und der WELT:

„Es ist kompliziert, liebe @AnneWillTalk: Nicht jeder Asylbewerber mit Ablehnungsbescheid (fast 600.000) ist tatsächlich ausreisepflichtig. Und unter den Ausreisepflichtigen sind nicht nur abgelehnte Asylbewerber – hier die Zahlen.

Anne Wills Redaktion hat darauf reagiert:

„Danke für die Klärung!“

(mcd)



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