Es geht ums Geld: Vermittlungsausschuss sucht Kompromiss im Ganztagsstreit
Berlin – Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat berät an diesem Montag über den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Die Bundesländer hatten das Vorhaben der großen Koalition im Bundesrat gestoppt und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Hintergrund ist ein Streit über die Finanzierung des milliardenschweren Projekts.
Warum überhaupt ein Rechtsanspruch?
Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, den Rechtsanspruch einzuführen. Begründung: Werden Grundschulkinder auch am Nachmittag betreut, verbessere das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was Eltern sich auch wünschten. Zudem wäre Arbeitgebern geholfen, weil dem Arbeitsmarkt so mehr Fachkräfte zur Verfügung stünden. Argumentiert wurde auch mit besseren Bildungschancen für Kinder, wenn diese nach Schulschluss gut betreut würden, statt unbeaufsichtigt vor dem Fernseher zu sitzen oder am Handy zu zocken, wie es die ehemalige Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte.
Wie soll der Rechtsanspruch konkret umgesetzt werden?
Jedes Kind, das ab Sommer 2026 eingeschult wird, soll in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz bekommen, für mindestens acht Stunden an Wochentagen. Erlaubt sein soll den Einrichtungen eine Schließzeit von maximal vier Wochen im ganzen Jahr und nur während der Ferien. Nach Angaben aus dem Bundesfamilienministerium sind schon jetzt mehr als die Hälfte der 2,8 Millionen Grundschulkinder im Ganztag – in einigen Bundesländern, vor allem im Osten, sogar über 90 Prozent. Für die Erfüllung des Rechtsanspruchs müssten nach ursprünglichen Schätzungen noch einmal 800.000 bis zu eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden.
Wo hakt es nun?
Gestritten wird übers Geld. „Wer bestellt, muss auch bezahlen“, heißt es aus den Ländern. Demnach soll der Bund, wenn er ein Gesetz für den Rechtsanspruch auf den Weg bringt, auch dafür sorgen, dass für die Umsetzung genug Geld da ist. Es geht um Investitionen und Baumaßnahmen an Grundschulen für Räumlichkeiten plus laufende Betriebs- und Personalkosten für den Ganztag. Gerechnet wurde bisher mit Investitionskosten von 7,5 Milliarden Euro, wovon der Bund 3,5 Milliarden übernehmen will und mit laufenden Betriebskosten von 4,5 Milliarden im Jahr, an denen Berlin sich mit knapp einer Milliarde beteiligen will. Die Länder pochen darauf, dass der Bund seine Anteile erhöht.
Die Länder, die noch viele Plätze schaffen müssten, um den Rechtsanspruch zu erfüllen, verhandeln härter, beispielsweise Baden-Württemberg. Andere Länder, zum Beispiel Thüringen, haben schon einen Rechtsanspruch umgesetzt. Sie müssen damit zwar weniger investieren, können nach all der Vorarbeit das Geld vom Bund aber auch gut gebrauchen.
Wie könnte die Lösung aussehen?
Der Einigungsdruck ist hoch. Ein Scheitern wird sich gerade in Wahlkampfzeiten niemand leisten wollen. Zuletzt waren neue Zahlen vom Deutschen Jugendinstitut öffentlich geworden, wonach die Zahl der noch zu schaffenden Ganztagsplätze vielleicht doch nicht so hoch ist, wie immer geschätzt wird: Statt bis zu einer Million zusätzlicher Plätze könnten es nur 600.000 sein, was auch die angenommenen Kosten deutlich drücken würde. Möglicherweise haben sich dadurch neue Verhandlungsspielräume eröffnet.
Welche Szenarien sind möglich?
Kommt der Vermittlungsausschuss zu einer Einigung, müsste diese noch einmal von Bundestag und Bundesrat bestätigt werden. Im Bundestag könnte das an diesem Dienstag bei der vorerst letzten Sitzung vor der Wahl passieren. Der Bundesrat kommt am 10. und am 17. September zusammen und könnte dann seine Zustimmung geben. Gibt es keine Einigung im Vermittlungsausschuss, droht das Ganztagsgesetz der sogenannten Diskontinuität zum Opfer zu fallen: Gesetze, die in einer Wahlperiode nicht abschließend beraten werden, verfallen. (dpa/oz)
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