„Verlust von Vertrauen“: Habeck dachte an Rückzug – Politiker zunehmenden psychischen Belastungen ausgesetzt

In einem Interview enthüllt Minister Habeck, er habe im Sommer 2024 über einen Abschied aus der Politik nachgedacht. Sein Ampel-Kollege Kevin Kühnert zog sich wenig später zurück. Politiker leiden auch in Deutschland unter zunehmenden psychischen Belastungen.
Will Kanzler werden: Robert Habeck. (Archivbild)
Will Kanzler werden: Robert Habeck.Foto: Georg Wendt/dpa
Von 4. Januar 2025

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat im vergangenen Sommer unter dem Eindruck der Differenzen innerhalb der Ampel über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht. Dies hat er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ enthüllt. Habeck begründete dies unter anderem mit dem Verlust an Vertrauen, der die Politik insgesamt und auch ihn persönlich getroffen hätten.

Habeck dachte über Ende seiner Karriere als Politiker nach

Auf eine Frage, ob der Wunsch, Bundeskanzler zu werden, angesichts der Umfragewerte für seine Partei nicht an der Realität vorbeigehe, erwiderte Habeck:

„Im Gegenteil, ich denke deutlich intensiver über die Realität und die politischen Konsequenzen daraus nach, als Sie sich das vielleicht vorstellen können.“

Anschließend erläuterte er, bereits im Sommer „in sich gegangen“ zu sein und gefragt zu haben, „ob ich noch einen sinnvollen Beitrag leisten kann oder ganz aufhören sollte mit der Politik“.

Er habe sich die Frage gestellt, ob er „noch Vertrauen zurückgewinnen“ könne – „in meine Person, in die Grünen und in das demokratische System dieses Landes“. Selbst als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärt habe, nicht erneut als Spitzenkandidatin zur Verfügung zu stehen, habe er erst Gespräche führen müssen. Am Ende wollte er seinem Rückzugsgedanken doch nicht nähertreten, da er „von der Partei getragen“ worden wäre:

„Ich habe mich entschieden, noch einmal zu kämpfen. Mit allem, was ich gelernt habe, mit aller Leidenschaft.“

Auch früherer SPD- und CDU-Generalsekretär zogen sich aus gesundheitlichen Gründen zurück

Habeck ist nicht der erste Politiker, der daran dachte, sich vorzeitig aus der politischen Arena zurückzuziehen – und einige haben dies auch getan. Das bekannteste Beispiel aus jüngster Zeit ist dabei der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Er hatte im Alter von erst 35 Jahren im Oktober 2024 seinen Rücktritt „aus gesundheitlichen Gründen“ erklärt.

Auch auf eine neuerliche Bundestagskandidatur verzichtet Kühnert. Obwohl weder er selbst noch die Partei Details über die Hintergründe verraten, spricht vieles für eine Überbelastung, die den Politiker zu einem Ende seiner Karriere gezwungen hat.

Im Jahr 2021 verließ der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber die politische Arena. Zwar nannte er eine Darmerkrankung und keine psychische Belastung als Begründung für seinen Rückzug. Allerdings erklärte er auch, es habe seine Krankheit begünstigt, „nicht achtsamer“ mit sich selbst umgegangen zu sein. Seine Karriere als Politiker hat Tauber bis heute nicht fortgesetzt.

Wagenknecht kehrte erst nach Auszeit in politische Arena zurück

In mehreren Fällen haben sich Politiker, die sich durch Stress und das permanente öffentliche Rampenlicht psychisch und mental belastet sahen, temporär zurückgezogen. Dies betraf auch prominente Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht. Die damalige Linkspolitikerin hatte 2019 einen Burn-out erlitten und sich aus der ersten Reihe zurückgezogen. Erst nach der Veröffentlichung ihres Buches „Die Selbstgerechten“ kehrte die spätere BSW-Gründerin in die aktive Politik zurück.

Mit „psychischer Erschöpfung“ hatte SPD-Außenpolitiker Michael Roth 2022 eine vorübergehende Auszeit begründet. Mittlerweile will er nicht wieder für den Bundestag kandidieren – begründet dies allerdings mit einer „Entfremdung“ von seiner Partei und Fraktion. An Depressionen gelitten zu haben, erklärte der 2011 nach einer Plagiatsaffäre zurückgetretene Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er ist seither nicht mehr in die Politik zurückgekehrt.

Im Februar 2022 hatte die Berliner Grünen-Politikerin Antje Kapek ihr Amt als Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus niedergelegt. Erst einen Monat zuvor hatte die Fraktion sie in diese Funktion wiedergewählt. Kapek äußerte damals, der Wahlkampf, die Koalitionsverhandlungen und die Corona-Pandemie hätten „mentale und psychische Spuren“ bei ihr hinterlassen.

Phänomen betrifft Politiker aller Parteien

Die frühere Linksabgeordnete im Sächsischen Landtag, Julia Bonk, blieb wegen einer psychischen Erkrankung von Sommer 2013 bis Frühjahr 2014 dem Parlament fern. Die Politikerin, die 2006 bundesweit wegen einer „Deutschlandfahnen-Umtauschaktion“ zur WM bekannt wurde, kandidierte nicht mehr erneut. Auch in ihrer Partei hatte sie keinen Erfolg mehr: 2022 erhielt sie beim Versuch, Co-Parteichefin zu werden, nur 2,5 Prozent.

Nur wenige Politiker gehen offen mit psychischen Erkrankungen um. Der NRW-Landtagsabgeordnete Arndt Klocke bekannte sich dazu, an einer wiederkehrenden Depression mit Elementen einer Angststörung zu leiden. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg, Kevin Hönicke, berichtete 2022, von einer schweren Depression heimgesucht zu werden.

Eine psychische Erkrankung zwang auch den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Udo Stein zu einem stationären Klinikaufenthalt. Er war wegen des Verdachts mehrerer strafbarer Handlungen in die Schlagzeilen geraten. Allerdings verneinte die Staatsanwaltschaft in späterer Folge einen hinreichenden Tatverdacht und zweifelte auch die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatvorwürfe an.

Sogar Willy Brandt litt phasenweise an Depressionen

Als Gründe für Burnout-Erscheinungen, Überbelastung und psychische Erkrankungen bei Politikern werden häufig ständige Beobachtung, lange Arbeitszeiten oder hoher Erwartungsdruck genannt. Gegenüber früheren Zeiten habe die Belastung, die mit dem Beruf verbunden sei, noch deutlich zugenommen. Dazu kämen ein stetig rauer werdender Umgangston in den Parlamenten selbst und in sozialen Medien.

Temporäre psychische Überbelastungen hatten Berichten zufolge bereits Politiker wie Willy Brandt zu ertragen. Er soll phasenweise ebenfalls an Depressionen gelitten haben. In einigen Fällen sind Politiker auch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen, um Nachteile zu verhindern. So hatte Helmut Kohl den Bundesparteitag der CDU 1989 unter Einnahme starker Schmerzmittel absolviert. Auf diese Weise wollte er verhindern, durch innerparteiliche Rivalen wie Heiner Geißler oder Lothar Späth gestürzt zu werden.

Zunehmende psychische Belastungen sollen auch der Grund für die Ende der 2010er Jahre zu beobachtenden Zitteranfälle der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gewesen sein. Sie selbst erklärte diese mit dem Tod ihrer Mutter. Allerdings stand sie auch politisch immer stärker unter Druck. Als Konsequenz konnte sie das Abspielen der Hymnen bei Staatsbesuchen teilweise nur noch im Sitzen verfolgen.



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