Verhandlung gegen Polizisten nach Angriff auf Corona-Demonstrant vertagt
Gestern, 9. März, stand vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten der Beginn der Hauptverhandlungen gegen den Berliner Polizisten Dominic H. (33) an. Ihm wird vorgeworfen, Körperverletzung im Amt im Rahmen einer Corona-Demonstration begangen zu haben. Doch zum Verdruss der zahlreich angereisten Prozessbeobachter und Unterstützer des Geschädigten wurde der Verhandlungsbeginn vertagt. Was war geschehen?
Rückblick: Während eines Polizeieinsatzes am 21. April 2021 auf der Straße des 17. Juni soll der Polizeibeamte anlässlich der Auflösung einer Demonstration, die sich gegen die Corona-Politik der Regierung richtete, einem schwerbehinderten Rentner mit einer Reizgasflasche ins Gesicht geschlagen und ihm dann damit ins Gesicht gesprüht haben.
In einem Video, das die Szene zeigt, ist zu sehen, wie der Geschädigte Peter K. aus Hamburg (65) danach zu Boden geht und krampfartig zuckt. Nur zögerlich wird seitens der Polizei, nachdem sich bereits andere Versammlungsteilnehmer um ihn gekümmert hatten, Erste Hilfe geleistet. Schließlich wird er von Polizisten weggetragen, um ihn einer medizinischen Hilfe zuzuführen.
Auch jetzt, fast zwei Jahre nach dem Vorfall, leidet er gesundheitlich unter dem damaligen Erlebnis. Ihm fällt es merklich schwer, darüber zu sprechen.
Vorwurf der schweren Körperverletzung steht im Raum
Sein Vertreter im Nebenklageverfahren, Rechtsanwalt Stefan Koslowski aus Frankfurt (Oder), erklärt gegenüber Epoch Times, dass zunächst der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung im Raum stand. „Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, meinen Mandanten zunächst mit einem Schlag mit einer Pfeffersprayflasche an der Schläfe getroffen zu haben und kurze Zeit später ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu haben.“
Es hätten sich jetzt jedoch sehr spontan Erkenntnisse ergeben, dass vielleicht sogar der Vorwurf der schweren Körperverletzung im Raum stehe, führt der Rechtsanwalt weiter aus. „Das ist ein Verbrechen, das mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird und nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Einzelrichters fällt.“
Das heißt, über dieses Verbrechen dürfte der Strafrichter am Amtsgericht als Einzelrichter gar nicht verhandeln, sondern es wäre dann ein Gericht höherer Ordnung zuständig. Somit müsste das Verfahren dorthin verwiesen werden, erklärt Koslowski.
Um eine zweimalige belastende Situation für seinen Mandanten durch eine Schilderung der als traumatisch empfundenen Ereignisse vor zwei Gerichten zu verhindern, hat sich der Rechtsanwalt mit dem Richter verständigt, dass sein Mandant erst vernommen wird, nachdem ein Gutachten erstellt wurde. Es soll klarstellen, ob der Tatbestand der schweren Körperverletzung gerechtfertigt ist oder nicht und welches Gericht demzufolge die Verhandlung führt.
Daher wurde der Beginn der Hauptverhandlung vertagt.
Gegen Polizisten sollen mehrere Strafverfahren laufen
Nach Aussage des Rechtsanwalts ist der Polizist Dominic H. kein unbeschriebenes Blatt. Gegen ihn laufen aktuell mehrere Verfahren wegen Gewalt im Amt. Er soll damals als Hundertschaftsführer bei der Polizei eingesetzt gewesen sein. Die Berliner Staatsanwaltschaft wollte weder Angaben zu weiteren laufenden Ermittlungsverfahren gegen Dominic H. wegen des Vorwurfs „Gewalt im Amt“ noch zu Vorstrafen zum selbigen Straftatbestand machen. Begründet wurde dies mit der Aussage, dass es sich bei dem Beschuldigten um keine Person des öffentlichen Lebens handelt. Man verwies auf die Hauptverhandlung, wo die Vorstrafen erörtert würden.
Ein Video von einer anderen Corona-Demonstration zeigt, wie sich Dominic H. auf einen auf dem Bauch liegenden Versammlungsteilnehmer setzt und auf ihn einschlägt. An der Rückennummer ist der Polizist zu identifizieren. Die Anfrage dazu, ob der betreffende Polizist vom Dienst freigestellt ist und gegen ihn bereits Dienstaufsichtsbeschwerden wegen „Gewalt im Amt“ vorliegen, kann die Berliner Polizei frühstens Anfang kommender Woche beantworten.
Was Koslowski zudem besonders empört, ist, dass sein Mandant bereits vor einem Jahr Prozesskostenhilfe beantragte. „Der Antrag wäre so auszulegen gewesen, dass ihm ein Rechtsbeistand beigeordnet wird, weil er das selber nicht kann.“ Hamburg habe diesen Antrag zuständigkeitshalber nach Berlin verwiesen. Doch hier würde er seit einem Jahr unbearbeitet herumliegen, erklärt Koslowski.
„Das heißt, mein Mandant ist erst seit ganz kurzer Zeit anwaltlich vertreten. Ich habe die Akte seit Montag und konnte bedingt durch den Feiertag gestern auch früher nichts veranlassen. Es ist eine Verkettung unglücklicher Umstände, die wir nicht zu verantworten haben“, so der Rechtsanwalt.
„Ohne dieses Video wäre ich jetzt vor Gericht“
Was den Geschädigten sichtlich bewegt, ist, dass er vielleicht ohne den Videobeweis durch einen anderen Versammlungsteilnehmer, der den mutmaßlichen Angriff des Polizisten filmte, selbst vor Gericht stehen würde. „Ich wurde wegen eines tätlichen Angriffs gegen einen Vollstreckungsbeamten durch die Polizei angezeigt“, berichtet er.
„Ohne dieses Video wäre ich jetzt vor Gericht. Und trotz des Videos wurde mir nicht geglaubt.“ Dankbar zeigt er auf den Mann, der damals alles filmte und heute zur Verhandlung mit anreiste.
Rechtsanwalt Koslowski ergänzt: „Deshalb behalten wir uns vor, eine Strafanzeige gegen die entsprechenden Beamten wegen des Verbrechens der Verfolgung Unschuldiger einzureichen.“ „Man kann es nicht beschreiben, wie das ist“, äußert der Geschädigte betroffen, bevor sein Anwalt – seinen Mandanten schützend – bittet, auf weitere Nachfragen zu verzichten.
Gab es eine Provokation?
Doch was weiß er als Nebenklagevertreter zu dem, was im Vorfeld vor dem Schlag gegen den Kopf passierte? Hat der Geschädigte etwas geäußert oder gemacht, was die Situation eskalieren ließ?
„Mein Mandant hat nichts zur Eskalation beigetragen. Er stand mit erhobenen Händen da“, erklärt Koslowski. „Wenn Sie 1.000 Leute fragen, was die erhobenen Hände für eine Geste sind, dann werden Sie garantiert tausendmal die Antwort bekommen, dass es eine friedfertige Geste ist, eine Geste der Kapitulation, und dass man das wahrlich nicht als Angriff werten kann.“
Zu der Verhandlung angereist ist auch Frank Großenbach (62), selbst Rechtsanwalt aus Frankfurt (Main). Er war damals als Teilnehmer der Versammlung mit dabei und Zeuge des Vorfalls. Er zeigt sich enttäuscht von der Vertagung. „Ich bin ja mit der Erwartung hierhergefahren, dass ich als präsenter Zeuge hier aussagen kann.“
Entsprechend seiner Aussage stand im Raum, dass der Prozess ohne Zeugenvernehmung beendet würde. „Es wurde darüber nachgedacht, den Prozess gegen eine geringe Geldauflage einzustellen.“ Für ihn ist unverständlich, warum das Opfer vor Verhandlungsbeginn durch die Staatsanwaltschaft nicht besser befragt wurde, um den Straftatbestand zu ermitteln.
„Von dem Mann ging keine Gefahr aus“
Für ihn war es damals beängstigend zu sehen, wie der Geschädigte nach dem Schlag und der Pfeffersprayattacke sofort zu Fall kam. „Durch die Erscheinung des Mannes war eigentlich klar, dass er eine gesundheitlich eingeschränkte Person war“, so der Frankfurter. Peter K. war bereits vor dem Vorfall schon als Schwerbehinderter eingestuft und gehbehindert aufgrund eines Schlaganfalls. Damals sei für ihn klar gewesen, dass von dem Mann keine Gefahr ausging.
„Er war mit kurzer Hose da, also relativ leicht bekleidet und wirkte ein bisschen desorientiert.“ Erschüttert zeigt er sich darüber, dass es nach seiner Erinnerung gar keine Kommunikation zwischen dem Polizeibeamten und dem späteren Opfer gab. „Der hat ja sofort zugeschlagen und aus kurzer Distanz ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Sofort war er aktiv.“ Der Polizeibeamte, der den Mann dann sichtlich angriff, habe nichts angewiesen, was das Opfer hätte machen sollen, berichtet Großenbach. Demzufolge gab es für den Rechtsanwalt auch keinen Grund für eine polizeiliche Maßnahme.
„Ich war als Teilnehmer der Demonstration im Bereich vom Tiergarten an der Straße. Ich habe keine Anweisungen gehört, was man zu machen oder zu lassen hat.“
Aus seiner Sicht sollen solche Situationen heraufbeschworen werden, damit sie dann im Netz sich verbreiten. „Damit sollen möglichst viele Leute abgeschreckt werden, auf eine legal angemeldete Demonstration zu gehen“, mutmaßt der 62-Jährige.
„Deswegen ist auch dieser Polizeibeamte, der eine Hundertschaft führen soll und gegen den 14 Verfahren anhängig sein sollen, noch Polizeibeamter. Solche Leute sollen genau diese Atmosphäre in der Gesellschaft schaffen und bestärken.“
„Systematisches Versagen der Polizeiführung und der Staatsanwaltschaft“
Er sieht in den damaligen Fällen ein systematisches Versagen der Polizeiführung und der Staatsanwaltschaft. „Als Staatsanwalt wäre ich damals mit zu den Versammlungen gegangen und hätte alles mitverfolgt. Ich hätte mich nicht zu erkennen gegeben, sondern nur einen Ausweis dabeigehabt.“ Hätte er dann etwas gesehen, hätte er sofort etwas gesagt und seinen Ausweis als Staatsanwalt gezeigt. „Das ist das, was ich der Staatsanwaltschaft vorwerfe, dass sie sich besser darum kümmern muss, was ihre Hilfsbeamten auf der Straße so alles treiben.“
„Die Delegitimation des Staates passiert nicht durch Demonstrationen, sondern durch das Wegschauen der Staatsanwaltschaft, die die Legalität des Staates selbst infrage stellt, weil sie Recht und Gesetz nicht durchsetzt“, so der Wahlhesse. Das sei das Problem, das dieser Staat habe. „Und es ist systematisch, weil es überall vorkommt.“
Möglich wäre seitens der Staatsanwälte auch, so schlägt er vor, dass sie an auffällige Polizisten eine Gefährderansprache richten. „Pass mal auf, du bist ja auch schon ein paarmal auffällig geworden. Wir haben hier 14 Verfahren gegen dich. Beim nächsten Mal, wenn wieder was ist, werden wir dann alle Verfahren gegen dich zusammenlegen.“ Dann käme auch ein entsprechendes Strafmaß heraus, ist er sich sicher.
Der beschuldigte Polizist konnte nicht durch Epoch Times befragt werden.
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