Verfassungsschutz unter Druck: Warum wurde der AfD-Abgeordnete nicht gewarnt?
Die Spionageaffäre um den AfD-Europaabgeordneten Maximillian Krah beschäftigt die Öffentlichkeit seit Tagen. Nun hat sich nach Informationen der „Bild“ auch die Parlamentarische Kontrollkommission des Sächsischen Landtags in einer geheimen Sitzung mit der Affäre beschäftigt.
Die Kontrollkommission, die aus fünf Landtagsabgeordneten aller Fraktionen besteht, hat laut Eigenauskunft auf der Website des Sächsischen Landtags die Aufgabe, „die Aktivitäten der Staatsregierung hinsichtlich der Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz und die Tätigkeit dieses Amtes zu kontrollieren.“ Was den Abgeordneten auf dieser Sitzung durch den sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) berichtet wurde, wirft mehr Fragen als Antworten auf.
Informant des Landesamtes für Verfassungsschutz
Ende April berichtete die „Bild“ unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass Krahs Mitarbeiter Jian G., dem die Generalbundesanwaltschaft geheimdienstliche Tätigkeit für China vorwirft, von 2007 bis 2018 Zuträger für das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Sachsen gewesen war. Zuvor habe G. sich dem Bundesnachrichtendienst (BND) angeboten, der allerdings kein Interesse an ihm gehabt habe. Der Auslandsgeheimdienst habe aber das Landesamt für Verfassungsschutz auf Jian G. aufmerksam gemacht.
Die „Bild“ beruft sich in ihrem Artikel auf Nachrichtendienstakten. G. soll dem sächsischen Verfassungsschutz laut den Akten vorwiegend Hinweise zu von ihm vermuteten Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste in Deutschland geliefert haben. Besonders sollen die Aktivitäten Pekings gegen in Deutschland lebende chinesische Oppositionelle im Fokus der Berichte G.s gestanden haben.
So sollen vor allem Informationen zu in Deutschland und Europa tätigen Personen, Firmen, Vereinen und Gruppierungen mit möglichen Kontakten zu chinesischen Nachrichtendiensten von G. an den Verfassungsschutz geliefert worden sein. Wie es in den Akten heißt, habe der Verfassungsschutz G. keine Aufträge erteilt. Jian G. sei lediglich, wie es im Geheimdienstjargon heißt, „abgeschöpft“ worden sein. Man hat also das notiert, was der mutmaßliche chinesische Spion den Beamten des Verfassungsschutzes erzählte.
Zweifel an der Loyalität des Informanten G.
Allmählich sollen den deutschen Sicherheitsbehörden aber Zweifel an G. gekommen sein. Acht Jahre nachdem er sich dem Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen angedient hatte, war man sich sicher, dass G. für die Chinesen arbeitet und sich nur zum Schein den Verfassungsschützern in Sachsen angeboten hat. Der Hinweis, dass es sich bei G. um einen Doppelagenten handeln könnte, soll nach der Aktenlage vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln gekommen sein. Ab diesem Zeitpunkt wird der chinesischstämmige Mann von den deutschen Geheimdiensten beobachtet.
2014 kommen G. und Maximilian Krah in Kontakt. Krah ist damals noch Mitglied der CDU und übernimmt immer wieder Mandate für G., der damals noch SPD-Mitglied ist.
Operative Maßnahmen der Sicherheitsbehörden
Zwischen 2015 und 2016 führen die Spionageabwehr des Bundesamtes und das Landesamt für Verfassungsschutz operative Maßnahmen gegen Jian G. durch. Er wird überwacht, weil man dem Mann die Spionage für China beweisen möchte. 2016 wird G. dann durch die deutschen Sicherheitsbehörden „konfrontativ befragt“, das heißt, der mutmaßliche Spion wird in Mangel genommen. Man hofft, so auf die Wahrheit zu kommen. Der Verdacht einer Agententätigkeit G.s für China kann aber weder entkräftet noch erhärtet werden.
Das Landesamt für Verfassungsschutz hält in dieser Zeit weiter Kontakt zu G. Man habe ihn damit unter Kontrolle halten wollen und deshalb „pro forma“ den Kontakt aufrecht gehalten, heißt es in den Nachrichtendienstakten. Es sei nur noch eine „scheinbare Zusammenarbeit“ gewesen.
Diese Zusammenarbeit scheint sich dann aber als fruchtlos erwiesen zu haben. Es habe „keine nachrichtendienstliche Erkenntnisse“ mehr gegeben, zitiert die „Bild“ aus den Akten. Die Kontakte zur China-Opposition in Deutschland könne „nicht als Beleg für eine nachrichtendienstliche Verstrickung“ gewertet werden. Das Landesamt reagiert: „Die ND-Person Jian G.“ wird vom sächsischen Inlandsgeheimdienst in Absprache mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz „abgeschaltet“.
Trotz Verdachts der Spionage kein Hinweis
Bis 2019 führte G. eine Firma, die mit LED-Leuchten handelte. Dann plötzlich der Umschwung: G. tauscht sein Geschäftsleben gegen einen Job als Assistent im Europa-Büro von Maximilian Krah ein, der kurz zuvor für die AfD ins Europaparlament eingezogen ist. Fast zur gleichen Zeit wendet sich das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen an das Bundesamt: Es möchte wissen, ob es zur Person G. Neuigkeiten gibt?
Im Dezember 2019 schreibt das Bundesamt an die Kollegen in Sachsen, dass die Spionageabwehr mehrere Telefonate G.s mit dem Botschaftsrat der politischen Abteilung der chinesischen Botschaft abgefangen habe. Und sie teilen den Sachsen mit: G. arbeitet jetzt im EU-Parlament für Krah.
Seit diesem Zeitpunkt, so offenbaren die Akten, wird der Assistent von Krah systematisch durch die Spionageabwehr überwacht. Bis zu seiner Verhaftung am 22. April 2024 war er also auf dem Radar des Bundesverfassungsschutzes.
Und genau an dieser Stelle tut sich nicht nur für die Parlamentarier in der Parlamentarischen Kontrollkommission die Frage auf: Wenn das Bundesamt und das Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse hatten, dass G. für China spionierte, warum wurde Krah als Europaabgeordneter nicht gewarnt?
Als Abgeordneter des Europaparlaments ist Krah Verfassungsorgan und müsste von den Behörden geschützt werden. Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, spricht im Interview mit Epoch Times darüber, wie der korrekte Umgang mit so einem Fall gewesen wäre:
„Wenn bekannt geworden wäre, dass ein Mitarbeiter eines Abgeordneten für einen ausländischen Dienst arbeitet, dann würde normalerweise der Dienstchef selbst, also der Präsident des Verfassungsschutzes oder sein Vertreter oder der Chef der Spionageabwehr, ein Sensibilisierungsgespräch mit dem Abgeordneten führen. Er würde den Abgeordneten darauf hinweisen, dass er mutmaßlich Opfer eines Spionageangriffs durch seinen Mitarbeiter ist.“
Gegenüber den Abgeordneten der Parlamentarischen Kontrollkommission habe sich nach „Bild“-Informationen der sächsische Verfassungsschutz für eine Warnung Krahs schlichtweg „nicht zuständig“ gefühlt, weil die Erkenntnisse über den Krah-Mitarbeiter beim Bundesamt aufgelaufen wären.
Zudem habe man befürchtet, dass G. mit einem Hinweis an Krah hätte gewarnt werden können. G. und Krah, so war offenbar die Befürchtung, machen für den chinesischen Geheimdienst gemeinsame Sache.
Man hätte Einfluss abwehren müssen
Auch in so einem Fall hätte der Verfassungsschutz handeln müssen, sagt der Ex-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Maaßen:
Wenn der Eindruck besteht, dass der Abgeordnete nicht ansprechbar ist oder er selbst nachrichtendienstlich verstrickt ist, würde man das Gespräch dann mit der Parteiführung, dem Parteivorsitzenden oder dem Fraktionsvorsitzenden führen, um sie darauf hinzuweisen.“
Die Spionageabwehr sei in erster Linie Gefahrenabwehr. „Also abwehren, dass dieser Mann Einfluss auf die Politik nehmen kann und Zugang zu Informationen hat.“ Eine Festnahme, so Maaßen, würde man erst dann durchführen, „wenn diese Anhaltspunkte sich so verfestigt haben, dass man tatkräftige Beweise hat, die jedenfalls für einen Strafrichter ausreichend sind, um einen Haftbefehl auszusprechen.“
Im Falle von Maximilian Krah hat das alles nicht stattgefunden. Deshalb haben die Innenexperten der Landtagsfraktionen in Dresden Fragen am Vorgehen der Landesbehörde des Verfassungsschutzes. So zitiert die „Bild“ den Innenpolitiker Valentin Lippmann (Grüne), der am Dienstag vor Journalisten gesagt habe:
Nachrichtendienstfachlich ist erst mal nichts daran zu beanstanden, dass man eine Quelle erst als nachrichtendienstliche Gewährsperson wirbt, dann in ein eher loses Verhältnis mit ihr gelangt.“
Und Lippmann weiter:
Dennoch wirft das Ganze natürlich insoweit Fragen auf, warum man die Quelle so lange geführt hat. Das sind Fragen, da braucht es natürlich noch Antworten drauf.“
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