Verfassungsschutz sieht AfD auf Weg der Radikalisierung

Der Verfassungsschutz fühlt sich durch den Europaparteitag der AfD in seiner Einschätzung bestätigt, dass sich die AfD radikalisiere. Auch EVP-Politiker Manfred Weber übte Kritik – und handelte sich selbst Populismus-Vorwürfe ein.
Laut Thomas Haldenwang, dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, «äußerten   diverse Wahlbewerber» der AfD bei der Europawahlversammlung «rechtsextremistische Verschwörungstheorien».
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 7. August 2023

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Der Europaparteitag der AfD vom Wochenende in Magdeburg ist zu Ende. Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, fühlt sich durch dessen Ergebnisse in seiner Einschätzung der Partei bestätigt. Der Bundesverfassungsschutz betrachtet die Partei als sogenannten Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus. Das Landesamt in Thüringen stuft den dortigen Landesverband sogar als „gesichert rechtsextremistisch“ ein.

Bereits vor einer Woche hatte Haldenwang geäußert, innerhalb der Partei gebe es starke verfassungsfeindliche Strömungen, deren Einfluss weiter zunehme. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte ihm daraufhin eine Stillhaltezusage abverlangt, nachdem die Partei im Eilverfahren gegen die Äußerungen vorgegangen war. Diese war darauf gerichtet, wertende Äußerungen für die Dauer der Versammlung zu unterlassen.

AfD erzwang Stillhaltezusage von Haldenwang

Haldenwang stützt seine Einschätzung auf den Inhalt der Redebeiträge mehrerer Delegierter und Kandidaten. Gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio äußerte er, in diesen sei ein „ethnisches Volksverständnis“ zum Ausdruck gekommen. Narrative wie jenes vom „Großen Austausch“ seien angeklungen, die zum Kernbestand rechtsextremistischer Bestrebungen wie der „Identitären Bewegung“ gehörten:

Solche Äußerungen bieten Anhaltspunkte dafür, dass hier die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes für bestimmte Bevölkerungsgruppen infrage gestellt wird.“

Bereits am Wochenende davor hatte Haldenwang erklärt, dass „diverse Wahlbewerber rechtsextremistische Verschwörungstheorien“ geäußert hätten. Daraufhin hatte die Partei gerichtlich die Stillhaltezusage erwirkt.

Der Verfassungsschutzpräsident sprach von einem „üblichen Vorgehen in derartigen Eilverfahren“. Diese sollen dem Gericht hinreichend Zeit für eine sachgerechte Prüfung und Entscheidung geben.

„Geordnete Auflösung der EU“ nicht mehr im Programm

Mit seinen Äußerungen komme er seinem „gesetzlichen Auftrag“ des Informierens der Öffentlichkeit nach, so Haldenwang. Es gehe ihm darum, über „Bestrebungen und Verhaltensweisen zu unterrichten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind“. Auf diese Weise „kann solchen Bestrebungen rechtzeitig im Wege gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzung begegnet werden“.

Der Parteitag hatte eine 35 Namen umfassende Liste für die Wahl zum Europäischen Parlament beschlossen. Dazu kam die Verabschiedung eines Europawahlprogramms. In diesem finden sich einige Passagen nicht mehr, die Mitte Juni noch im Leitantrag der Bundesprogrammkommission der AfD vorhanden waren.

So sieht die Partei die EU zwar als „gescheitertes Projekt“ an und möchte diese perspektivisch durch einen „Bund europäischer Nationen“ ersetzen. Allerdings ist nicht mehr von einer „geordneten Auflösung“ des Staatenbundes die Rede. Stattdessen steht eine Form der Neugründung im Raum.

Deren Säulen sollen der gemeinsame Markt, der Schutz der Außengrenzen und die „strategische Autonomie“ in der Sicherheitspolitik sein. Dazu komme „die Bewahrung der europäischen Kultur und ihrer verschiedenen Identitäten“.

AfD gegen Russland-Sanktionen – gemischte Signale zum Schwangerschaftsabbruch

Ein Änderungsantrag zur Präambel aus dem Umfeld des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke wurde nach einer nächtlichen Sitzung zurückgezogen. In diesem klang die Forderung nach einem zeitnahen Ausstieg Deutschlands aus der NATO an. Auch einer aus dem Umfeld des Bundestagsabgeordneten Marc Jongen lag vor. Am Ende einigte man sich auf einen gemeinsamen Antrag.

Nun heißt es, dass diese „der wesentliche Eckpfeiler unserer Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit“ sei. Allerdings gelte dies nur in dem Umfang, in dem sie sich auf ihre Aufgabe als Verteidigungsbündnis beschränke. Die AfD sprach sich zudem gegen gemeinsame europäische Streitkräfte aus. Auch verschwanden Formulierungen wie jene von einer „globalistisch eingestellten Elite“ aus dem Antrag.

Spitzenkandidat Maximilian Krah äußerte selbst am Rande der Veranstaltung, die EU und der Euro müssten „verändert, aber nicht sofort abgeschafft werden“. Gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) sagte er zudem, die NATO sei „zum derzeitigen Zeitpunkt völlig alternativlos“. Man wünsche sich jedoch, dass dieser Zustand sich ändere.

Der AfD-Parteitag sprach sich zudem für einen „ungestörten Handel“ mit Russland und ein Ende der Wirtschaftssanktionen aus. Zudem sollten Schwangerschaftsabbrüche zur „absoluten Ausnahme“ in engen Grenzen werden – etwa aus medizinischen Gründen oder nach Vergewaltigungen. Auf der Kandidatenliste finden sich hingegen Anhänger der Geburtenkontrolle und der chinesischen Ein-Kind-Politik. Diese wurde unter anderem mithilfe von Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen umgesetzt.

Weber: Unterstützung der Ukraine als Teil der „Brandmauer“

CSU-Europapolitiker Manfred Weber warf der AfD im „heute journal“ des ZDF vor, sie stehe „gegen all das, wofür Vorgänger-Generationen gekämpft haben“. Zwar solle die EU reformiert werden, der AfD gehe es jedoch „um ein ganz anderes und nationalistisches Europa“.

„Die Brandmauer muss klar definiert sein“, was eine Zusammenarbeit mit der EVP anbelange. Nur wer an der Seite der Ukraine stehe, „Europa positiv mitgestalten und nicht abschaffen“ wolle und den Rechtsstaat verteidige, könne demokratischer Partner seiner Partei sein.

Dies sei etwa im Fall von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni der Fall, verwahrte sich Weber gegen Vergleiche der AfD mit Italiens Postfaschisten. Aus den Reihen der Sozialdemokraten kam dafür Kritik an Weber. Dieser habe „ganz bewusst die Flanke nach rechts geöffnet und macht daraus auch kein Geheimnis“, äußerte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katharina Barley.

Der frühere SPE-Spitzenpolitiker Martin Schulz meinte, vor Jahren sei man sich mit Weber noch in der Ablehnung der Politik von Akteuren wie Silvio Berlusconi einig gewesen. „Heute reist Manfred Weber als Chef der EVP durch Europa und sagt, seid doch froh, dass die Forza Italia in Rom an der Regierung beteiligt ist“, äußerte Schulz. Nach dem Motto: Es könne ja noch schlimmer sein.

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(Mit Material von dpa und AFP)



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