Verfassungsrechtliche Bedenken gegen SPD-Mitgliedervotum

Das Bundesverfassungsgericht prüft die Zulässigkeit der geplanten Abstimmung der 450.000 SPD-Mitglieder bei einem möglichen Koalitionsvertrag mit CDU/CSU.
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Werbung für SPD-Mitgliederentscheid auf SPD-ParteitagFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times6. Februar 2018

Die SPD will alle ihre 450.000 Mitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag mit CDU und CSU abstimmen lassen. Das Bundesverfassungsgericht prüft nach Beschwerden gegen das Vorgehen die Zulässigkeit der geplanten Abstimmung. Als die SPD vor vier Jahren über die vorherige Koalition ihre Mitglieder befragte, ließen die Verfassungsrichter das Votum allerdings zu. Die Debatte über das Vorgehen hält dennoch an.

Von den fünf diesjährigen Beschwerden nahm das Bundesverfassungsgericht bis zum Dienstagnachmittag bereits zwei ohne Begründung nicht an. Staatsrechtler Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam hält die Beschwerden auch in diesem Jahr für unbegründet: „Ich gehe davon aus, dass das Verfassungsgericht wie im Jahre 2013 entscheiden wird“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die SPD sei als Partei schließlich kein Staatsorgan – das sei für eine solche Beschwerde aber Voraussetzung. Schmidt schätzte das Unterfangen daher von vornherein als aussichtslos ein.

Parteienforscher Hendrik Träger von der Universität Leipzig stimmte der Einschätzung grundsätzlich zu. Er hält die Bedenken gegen den Mitgliederentscheid auch für überzogen. „Rechtlich haben Abgeordnete ein freies Mandat, aber in der politischen Realität fragen sie sich schließlich nicht bei jeder Bundestagsentscheidung: Gehe ich mit meiner Fraktion oder beziehe ich mich auf den Grundgesetz-Artikel, der mir ein freies Mandat bescheinigt?“, sagte Träger AFP.

Er verglich das Ergebnis des Mitgliederentscheids mit den Verfahren anderer Parteien, bei denen der Parteivorstand oder ein Parteitag über Koalitionsverträge entscheidet. Träger verwies zudem auf Artikel 21 des Grundgesetzes, demzufolge Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken.

Das ist doch viel eher gegeben, wenn 450.000 SPD-Mitglieder entscheiden, als wenn 1000 Delegierte oder 40 Vorstandsmitglieder entscheiden“, sagte der Politikwissenschaftler.

Die Bedenken an der Rechtmäßigkeit erklärte Träger sich mit der Tatsache, dass bereits die SPD-Delegierten auf dem Sonderparteitag vor wenigen Wochen nur mit einer knappen Mehrheit von 56 Prozent für die Aufnahme gestimmt hatten.

Vielleicht mag die Tatsache, dass die Entscheidung der Mitglieder sehr knapp werden dürfte, den einen oder anderen dazu verleiten, sich an einen letzten Strohhalm zu klammern: Wir versuchen den Mitgliederentscheid zu kippen, bevor ein paar hunderttausend SPD-Mitglieder die Regierung kippen“, mutmaßte Träger.

Läuft der Mitgliederentscheid wie von der SPD geplant ab, ist die Vorgabe klar: Lehnen die Mitglieder den Vertrag ab, soll es auch nicht zu einer Fortführung der „GroKo“ kommen. Weil die Jusos genau das wollen, haben sie direkt nach dem Sonderparteitag vor wenigen Wochen zu Parteieintritten aufgerufen.

Ob es beim Mitgliederentscheid so knapp wie beim Parteitag wird oder sich die Basis gar gegen eine „GroKo“ entscheidet, ist noch nicht abzusehen: Seit dem Parteitag und damit seit dem Eintrittsaufruf der Jusos erlebt die SPD eine Eintrittswelle. Eine AFP-Umfrage unter SPD-Landesverbänden ergab, dass mehrere tausend Menschen Anträge auf Parteimitgliedschaft gestellt haben. (afp)



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