Verbraucherschützer: Tankrabatt klingt nach „Bürokratiemonster“
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Autofahrer in Deutschland mit einem Rabatt auf den Benzinpreis spürbar entlasten. Das berichtet „Bild“ (Montagausgabe) unter Berufung auf Regierungskreise. Danach will Lindner „umgehend“ einen festen Preisnachlass einführen, um die Ausgaben der Autofahrer je Liter Kraftstoff Richtung zwei Euro zu drücken.
Konkret sollen Autofahrer beim Bezahlen an der Tankstelle den Rabatt erhalten. Den Tankstellenbetreibern soll der Rabattbetrag anschließend vom Bund erstattet werden. Lindner will damit auf die Rekordpreise bei Benzin- und Dieselkraftstoff reagieren, hieß es. Die konkrete Höhe des Rabattbetrages soll allerdings noch nicht feststehen. Der Rabatt könnte demnach bei 20 Cent je Liter liegen, möglicherweise auch darüber.
Bundesregierung streitet über Tankrabatt
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat sich gegen dieses Vorhaben gestellt. „Ein Tankrabatt, der über Gutscheine an den Tankstellen abgewickelt wird, klingt nach einem Bürokratiemonster“, sagte die Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim VZBV, Marion Jungbluth, dem „Handelsblatt“. Man brauche „zielgerichtete Instrumente“, die „bei Menschen mit kleinem Geldbeutel ankommen“, die auf das Auto angewiesen seien.
Der Vorschlag sorgt offenbar auch innerhalb der Regierung für Streit. „Von dem vorgeschlagenen Tank-Rabatt halte ich gar nichts“, sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner (Grüne) dem „Handelsblatt“ (Dienstagsausgabe). Das würde denjenigen zu wenig helfen, die es am meisten brauchten.
„Wir müssen gezielt bis weit in die Mitte entlasten, aber nicht blind mit der Gießkanne. Ordnungspolitisch würde sich Ludwig Erhard im Grab umdrehen“, sagte Brantner.
Auch der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) lehnt den Vorschlag ab. „Grundsätzlich begrüßen wir zwar jede Bemühung, die Kraftstoffpreise zu senken, doch halten wir einen an der Tankstelle gewährten Tankrabatt für den falschen Weg“, sagte ZTG-Geschäftsführer Jürgen Ziegner dem „Handelsblatt“.
Das wäre in eine „hochbürokratische Maßnahme“, umso mehr, wenn tatsächlich jede Tankstelle dafür auch noch die jeweiligen Tankquittungen beim Finanzamt einreichen müsse. Ziegner gab zu bedenken, dass vor allem freie Tankstellenbetreiber und mittelständische Mineralölhändler mit eigenem Tankstellennetz die mit einem Tankrabatt verbundene Vorfinanzierung nicht leisten könnten.
Der offenbar angestrebte 20-Cent-Rabatt sei ein mehrfaches ihrer Kraftstoffmarge. „Ohnehin leiden sie derzeit schon vielfach darunter, dass ihnen die Kreditfinanzier die Zahlungsziele kürzen, da durch die enorm gestiegenen Einkaufspreise die Kreditlinien erreicht beziehungsweise überschritten werden.“
Die Rechnung sei einfach, so Ziegner: Eine Tankstelle mit 300.000 Liter Kraftstoffabsatz pro Monat würde nach vier Wochen 60.000 Euro vorfinanzieren. Das sei „völlig unmöglich“.
Lindner verteidigte seinen Vorschlag. Der Rabatt sei „bürokratiearm“ umsetzbar, sagte er am Montag in Berlin. Es sei nicht beabsichtigt, „dass die einzelne Tankquittung beim Staat abgerechnet wird“.
Stattdessen solle der Staat gemeinsam mit den Betreibern von Tankstellen und Mineralölgesellschaften auf der Basis der Gesamtmenge von Sprit agieren. „Der Krisenrabatt ist schneller, höher und bürokratieschonend und kann deshalb einen wichtigen Beitrag zur Entlastung befristet leisten“, so Lindner. Der Ausnahmecharakter der Maßnahme bleibe sichtbar, fügte er hinzu.
Spritpreis stagniert – Für Ölpreis eigentlich zu teuer
Auslöser für diese Debatte sind die seit der militärischen Eskalation in der Ukraine stark angestiegenen Preise an den Tankstellen. Die Spritpreise haben ihren rasenden Anstieg inzwischen gestoppt. Die Preise für Super der Sorte E10 und Diesel stagnierten den dritten Tag in Folge, wie der ADAC am Montag mitteilte.
Man sehe derzeit eine Beruhigung auf extrem hohem Niveau. Zuletzt sinkende Ölpreise haben allerdings nicht für den eigentlich zu erwartenden Rückgang gesorgt.
Super E10 kostete demnach im bundesweiten Tagesdurchschnitt des Sonntags 2,199 Euro pro Liter. Das sind 0,3 Cent mehr als am Samstag und 0,3 Cent weniger als am Donnerstag. Diesel schlug mit 2,305 Euro pro Liter zu Buche – ein Plus von 0,3 Cent zum Samstag und ein Minus von 1,6 Cent zum Donnerstag.
Beim ADAC beobachtet man seit einiger Zeit eine Entkopplung zwischen Öl- und Benzinpreis: „Die jahrzehntelang geltende Erfahrung, dass sich der Benzinpreis am Rohölpreis orientiert, gilt derzeit nicht“, sagte Kraftstoffmarkt-Experte Jürgen Albrecht. Zum Vergleich: Im Juni 2008 kostete ein Liter Diesel 1,43€ bei einem Ölpreis von etwa 139 US-Dollar/Barrel. Hingegen lag am 5. März der Dieselpreis bei 1,95€, wobei der Ölpreis mit lediglich 118 US-Dollar/Barrel gehandelt wurde.
„Beim aktuellen Ölpreis würde man eigentlich einen E10-Preis klar unter zwei Euro erwarten“, betonte er. „Es gibt allerdings kriegsbedingte Sonderfaktoren, die den Preis zusätzlich in die Höhe treiben. Ob diese das aktuelle Preisniveau rechtfertigen oder hier auch Mitnahmeeffekte zum Tragen kommen, ist nicht eindeutig erkennbar.“
Die Spritpreise liegen derzeit auf nie gekanntem Niveau, nachdem sie in den ersten beiden Wochen des Ukraine-Krieges beispiellos in die Höhe geschossen waren – teilweise um mehr als 10 Cent pro Tag. Diesel hat sich seit Kriegsbeginn um gut 64 Cent verteuert, Super E10 um fast 45 Cent. (dts/dpa/red)
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