Urteil zur AfD-Verfassungsschutzklage erwartet: Darum geht es

Das Oberverwaltungsgericht in Münster wird am Montag das Urteil im Verfahren der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz verkünden. Im Kern geht es um die Frage, ob die AfD weiterhin als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ geführt werden darf. Das wurde in einem umfangreichen und kontroversen Verfahren in den letzten Monaten verhandelt.
Die Rechtsanwälte der AfD im März 2024 im nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht Münster (Archivbild).
Archivbild: AfD-Verteidiger Christian Conrad (r.) bereitet sich schon auf einen Gang vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor.Foto: Guido Kirchner/dpa
Von 13. Mai 2024

Am Montag, 13. Mai, wird das Oberverwaltungsgericht in Münster das Urteil im Verfahren der Alternative für Deutschland (AfD) gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verkünden. Wie das Gericht in einer Pressemitteilung schreibt, sei das mündliche Verfahren nun geschlossen worden, nachdem die „Beteiligten Gelegenheit hatten, ihre jeweiligen Sachanträge abschließend zu begründen“. 

Am Montag um 9 Uhr wird sich im Sitzungssaal I des Gerichts in Münster entscheiden, ob die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz zu Recht als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ geführt werden darf. Ursprünglich hatte der Vorsitzende Richter Gerald Buck bei Beginn der mündlichen Verhandlung am 12. März insgesamt zwei Prozesstage eingeplant. „Soweit nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung möglich, wird der Senat am Ende der letzten Sitzung eine Entscheidung verkünden“, hieß es damals in der Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts.

Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Peter Boehringer hatte schon vor Beginn der Verhandlung in einem Interview im „Deutschlandfunk“ auf die Frage, wie die Partei mit einer Niederlage umgehen würde, geantwortet, angesichts des Umfangs der zu klärenden Fragen wäre eine Entscheidung nach maximal zwei Tagen mündlicher Verhandlung allein Grund für eine Revision. 

Erst am Nachmittag in den Inhalt eingestiegen

Kurz nach Verhandlungsbeginn im März wurde klar, dass der 5. Senat am Oberverwaltungsgericht in Münster die Sache nicht so schnell vom Tisch bekommt. Noch bevor das Gericht in die inhaltliche Beratung einsteigen konnte, forderte der AfD-Anwalt die Vertagung der Verhandlung. 

Christian Conrad von der Kanzlei Höcker, die die AfD im Verfahren vertritt, erklärte, dass es unmöglich gewesen sei, die rund 4.200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial in der kurzen Zeit angemessen zu prüfen. Sie wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz im Januar kurzfristig als Beweise nachgereicht.

Der Rechtsanwalt forderte außerdem Einsicht in Gutachten zur AfD aus Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie in eine bislang unveröffentlichte neue Einschätzung zur Gesamtpartei durch den Bundesverfassungsschutz. Diese Anträge wurden vom Senat ebenso abgelehnt wie der nachfolgende Antrag von Conrad auf Ablehnung des Senats wegen angeblicher Befangenheit, der darauf beruhte, dass der erste Antrag abgelehnt worden war.

Laut einem Thread des Journalisten Christoph Kehlbach, der für die ARD-Rechtsredaktion arbeitet, dauerte es am ersten Verhandlungstag bis 13:26 Uhr, bis es vor Gericht um den Inhalt der Verhandlungen ging. Start war um 9:00 Uhr gewesen.

Die Anwälte der AfD versuchten, die derzeitige Bewertung durch den Inlandsgeheimdienst ins Zentrum des Verfahrens zu stellen. Dabei sprachen sie auch den möglichen Einsatz verdeckter Ermittler und sogenannter V-Personen (Informanten aus dem Parteiumfeld) an. 

Der Verfassungsschutz betonte auf Nachfrage, dass seine Beweise zur AfD hauptsächlich aus Reden und Social-Media-Beiträgen von Mandatsträgern und Funktionären stammten. Es sei auszuschließen, dass Mitarbeiter oder Informanten des Bundesamtes oder der Landesbehörden für Verfassungsschutz diese Äußerungen provoziert hätten. Der Anwalt des BfV warf der Gegenseite vor, bei ihren Nachfragen zu einer möglichen Einflussnahme durch Informanten keine Anhaltspunkte für eine „Fremdsteuerung“ oder „Manipulation“ vorgebracht zu haben.

Verhandlung bis Anfang Juli geplant

Nach zwei Tagen Verhandlungen im März, die kein Urteil brachten, setzte das Gericht Ende März 13 weitere Verhandlungstage bis Anfang Juli an. Nun konnte das Verfahren offensichtlich schneller zur Entscheidung geführt werden.

Zuvor hatte die AfD versucht, noch rund 470 Beweisanträge in das Verfahren einzuführen. Das wurde vom Gericht abgelehnt

Der Vorsitzende Richter begründete die Entscheidung damit, dass einige Anträge irrelevant seien und keine Beweise lieferten. Andere Anträge seien als reine Ausforschungsanfragen gegen den Verfassungsschutz zu verstehen und müssten daher abgelehnt werden.

Am vergangenen Montag erklärte das Gericht in der Verhandlung die Sache dann als „entscheidungsfrei“. Am Dienstag fand dann der letzte Tag der mündlichen Verhandlung statt. 

AfD mit Unverständnis für Entscheidung des Gerichts

Die Vertreter der AfD erklärten kurz nach Bekanntgabe der Entscheidung ihr Unverständnis. Der 5. Senat müsse sich fragen lassen, ob der angelegte Beweismaßstab noch der richtige sei. „Was kann überhaupt geleistet werden, um die rechtsstaatlichen Grundsätze zu gewährleisten?“, fragte AfD-Anwalt Christian Conrad laut dem Onlineportal LTO

Der Rechtsvertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Wolfgang Roth, warf der AfD vor, die letzten vier Jahre seit der ersten Klage vor dem Verwaltungsgericht in Köln nicht genutzt zu haben. „Es gab reichlich Zeit. Der Prozess beginnt nicht erst, wenn sie ihre Anträge stellen. Das hätte alles viel früher im schriftlichen Verfahren beginnen können“, so Roth. 

Parteimitglieder reden auch „Blech“

Auch am letzten Verhandlungstag drehte sich vieles um den Unterschied zwischen dem deutschen Staatsvolk und dem ethnischen Volksbegriff. In der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht in Köln hatte das Gericht die berechtigte Einstufung der AfD als „rechtsextremer Verdachtsfall“ durch den Bundesverfassungsschutz damit begründet, dass ein „ethnisch verstandener Volksbegriff“ ein zentrales Parteiziel der AfD sei. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten werden. „Fremde“ sollten möglichst ausgeschlossen werden. Dies weiche vom Volksbegriff des Grundgesetzes ab. Außerdem sei eine „ausländerfeindliche Agitation“ zu erkennen. 

Die AfD hatte im Berufungsverfahren in Münster einen „ethnisch verstandenen Volksbegriff“ immer wieder verneint. Die Partei wartete in Münster dann auch mit Parteimitgliedern auf, die einen Migrationshintergrund haben. Sie berichteten laut „Tagesschau“ davon, dass sie in der AfD keinen Rassismus erlebt hätten. Der AfD-Vertreter Roman Reusch, der lange Jahre als leitender Oberstaatsanwalt in Berlin gearbeitet hat, gab im Verfahren allerdings trotzdem zu, dass es „Entgleisungen“ in seiner Partei gebe. Das ordnete der Jurist einem „gewissen Stammtischpotenzial“ in der AfD zu. Es gebe in der Partei nun mal „einfache Leute, die einen einfachen Bildungshintergrund haben“. Diese würden oft auch „Blech“ reden, so Reusch.

Einzelmeinungen müssten besser geprüft werden

Der Anwalt der AfD, Christian Conrad, verwies am letzten Verhandlungstag noch einmal darauf, dass das Gericht die Einzelmeinungen, die der Verfassungsschutz als Belege für die Einstufung als Verdachtsfall aufführt, besser hätte prüfen müssen. Entscheidend für die Gesamtbewertung der AfD sei deren Arbeit an Anträgen oder dem Parteiprogramm. Einzeläußerungen hätten dafür keine Relevanz und würden sich nicht durchsetzen, sagte der Anwalt.

Dem widersprach der Anwalt der Gegenseite, Wolfgang Roth: „Auch diese einzelnen Äußerungen entfalten ihre Wirkung. Ganz unabhängig davon, ob sie im Parteiprogramm stehen.“ Außerdem finde sich im AfD-Bundestagswahlprogramm mit der Forderung nach Abschaffung des Islamunterrichts in den Schulen eine Religionsdiskriminierung, die nicht im Einklang mit der Verfassung stehe.

In seiner abschließenden Stellungnahme stellte das AfD-Vorstandsmitglied Roman Reusch die Frage, wie lange die Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch fortgesetzt werden solle: „Wann ist genug?“ Für die 45.000 Mitglieder der AfD sei dies alles ehrverletzend, betonte Reusch. Darauf antwortete der Anwalt des Verfassungsschutzes: Solange weiterhin Hinweise vorlägen, werde der Verfassungsschutz die Partei beobachten und die Öffentlichkeit darüber informieren. Dies geschehe nicht aus Selbstzweck, sondern diene der Erkenntnisgewinnung.

AfD blickt schon zum Bundesverwaltungsgericht

Wie das Gericht am Montag entscheiden wird, ist unklar. Sollte es wie das Verwaltungsgericht Köln ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Einstufung als Verdachtsfall sehen, bliebe der AfD noch der Gang vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. AfD-Anwalt Conrad hatte bereits am Montag offen erklärt, sich schon jetzt auf ein Revisionsverfahren in Leipzig vorzubereiten: „Der Senat ist erfahren genug, um zu wissen, dass wir hier viel bereits für die nächste Instanz machen.“

Eine Revision, über die das Bundesverwaltungsgericht dann zu entscheiden hätte, nimmt allerdings keine inhaltliche Prüfung des Urteils mehr vor. Das Gericht hätte lediglich auf rechtliche Fehler zu prüfen. Die Partei hatte vermutlich mit Blick auf die nächsthöhere Instanz im Verfahren in Münster zahlreiche Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt. 



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