„Unversöhnliche Ossi-Identität“: Internationale Medien zu den Wahlen in Sachsen und Thüringen
Die Landtagswahlen am Sonntag, 1. September, in Sachsen und Thüringen haben nicht nur deutschlandweit ein heftiges Echo ausgelöst. In Thüringen kam die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD mit deutlichem Abstand auf Platz 1, in Sachsen verfehlte sie nur knapp die Sperrminorität. Die Mehrheitsverhältnisse in den neuen Landtagen machen neue Regierungsbündnisse erforderlich – in Thüringen sogar eine Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU gegenüber der Linkspartei.
„Le Figaro“: Ergebnisse in Sachsen und Thüringen drücken Distanz zum Westen aus
Die Wahlergebnisse haben auch international Aufsehen erregt und beschäftigen die Analysten. In Frankreich schreibt „Le Figaro“, dass die Ergebnisse der extremen Rechten „zeigen, wie stark deren Verankerung“ in den Gebieten der früheren DDR sei. Mobilisierungskampagnen oder Massendemonstrationen wie im vergangenen Winter nach dem Bericht über das Potsdam-Treffen seien erfolglos geblieben.
Das Blatt sieht eine Ursache für die Ergebnisse auch in der „unversöhnlichen Ossi-Identität“, die sich auch knapp 35 Jahre nach der Wiedervereinigung behauptet habe. Eine Umfrage von Infratest dimap wird angesprochen, wonach sich 40 Prozent der Befragten in den neuen Bundesländern explizit als „Ostdeutsche“ definierten. Nur etwa die Hälfte erklärte von sich, lediglich „Deutsche“ zu sein.
„Guardian“ sieht AfD in Tradition der DDR-Vorstellung von „Demokratie“
Auch der britische „Guardian“ äußert, dass die Etablierung der AfD als dominierende regionale Kraft „ernsthafte und beunruhigende Fragen über die politische Identität Deutschlands“ aufwerfe. Die wirtschaftliche Entwicklung im Osten des Landes habe sich verbessert und die Massenabwanderung sei gestoppt, sodass diese Faktoren nur einen Teil des Phänomens erklären könnten.
Ein Grund für den Erfolg der AfD könne die unterschiedliche Vorstellung von Demokratie sein, die in der DDR kultiviert worden wäre. Auch der SED-Staat habe erklärt, eine demokratische Antwort auf den Nationalsozialismus gefunden zu haben. Das kommunistische Konzept sei jedoch ein „zutiefst populistisches“ gewesen. Man habe von sich selbst behauptet, den Willen des Volkes besser abzubilden als das westliche System, von dem es hieß, es organisiere lediglich Klassenhierarchien und vertrete die „Interessen des Kapitalismus“.
Die AfD baue nun auf dieses Narrativ auf und zeichne die Ostdeutschen als die authentischeren Deutschen, weil diese dem „Multikulturalismus“ und den Ideen widerstanden hätten, die nach der Studentenrevolte von 1968 den westdeutschen Diskurs erobert hätten. Um Wähler zurückzugewinnen, müssten die übrigen Parteien „unkonventionelle und kreative Wege“ beschreiten. Lokale Bürgerversammlungen wären demnach ein möglicher Ansatz.
Skinhead-Kultur und Putins Tätigkeit in Dresden als Schlüssel zu Sachsen und Thüringen?
Die US-Soldatenzeitung „Stars and Stripes“ sieht eine Kontinuität rechtsextremistischer Vorstellungen als Grund dafür, dass es der AfD gelungen sei, diese zu normalisieren. Sie verweist auf das Aufblühen der Skinhead-Kultur in den Jahren des Umbruchs der DDR. Die Zeitschrift zitiert den Co-Director des Center for Monitoring, Analysis and Strategy (CeMAS), Miro Dittrich, mit den Worten:
„Wir wussten durch Umfragen immer, dass weit rechte Ideen in Deutschland nie verschwunden waren. In der jüngeren Vergangenheit hatten sie nur nicht wirklich eine Partei, für die ihre Anhänger stimmen konnten. Es gab keine politische Plattform. Mit der AfD hat sich dies geändert.“
Bei „Politico“ sieht man hingegen weniger eine Kontinuität rechtsextremer Ideen, sondern den Kreml als entscheidenden Faktor für das Wahlverhalten der Ostdeutschen. Russlands Präsident Wladimir Putin werde vielfach wegen seiner Vergangenheit als KGB-Offizier in Dresden als „der Deutsche im Kreml“ wahrgenommen. Das Scheitern des Westens, die Beziehungen mit Ostdeutschland zu kitten, habe prorussische Sentiments dort verstärkt.
Die AfD sei in der Ansprache prorussischer Narrative vielleicht deutlicher als andere, aber auch in anderen Parteien seien solche vertreten. So dächten auch dort viele, die NATO trage eine Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine, und eine Friedenslösung wäre möglich, wenn sich der Westen nur ernsthaft darum bemühen würde. In Ostdeutschland käme dazu noch die Wirkung aus „jahrzehntelanger antiwestlicher Propaganda“ dazu.
„Magyar Nemzet“: Westliche „schöne Neue Welt“ ist nicht schön und liebenswert
Die „verdrehte Logik“ dahinter frage angesichts des Terroranschlags von Solingen nicht nach den Opfern, sondern betrauere den „ungünstigen Zeitpunkt“ der Tat – und dass dieser Kräften wie der AfD noch einmal Aufwind geben könne.
Das postmoderne Deutschland sei „in einem Zustand der demokratischen Diktatur angelangt, in dem es nicht auf Fakten ankommt, sondern nur auf Prinzipien ankommt“. Die Grundposition liege dort „keineswegs in der Mitte, sondern irgendwo in einer Regenbogenwolke“. Das Blatt fährt fort:
„Aber diese Schöne Neue Welt, in der jeder jeden toleriert, in der es keine Sprache, keinen Gott, keine Heimat, nur Individuen und nur Rechte gibt, ist ganz und gar nicht so schön und lebenswert, wie es sich der Träumer erträumt hat. In dieser Welt werden Messer gezückt, Dissidenten für einen Online-Post abgeführt, und Toleranz wird niemals in Liebe umschlagen. Und wer eine Pferdedecke nicht als luftiges Damasttuch sieht, ist ein Mann der Russen.“
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