Unionsabgeordnete stoßen mit Idee für Wahlrechtsreform bei Grünen, FDP und Linken auf Widerstand
Im jahrelangen Ringen um eine Wahlrechtsreform gibt es einen neuen Vorschlag aus den Reihen der Unionsfraktion. Das von 24 Abgeordneten unterstützte Konzept würde die Zahl der Bundestagsmitglieder auf 598 festschreiben und dazu insbesondere den Erststimmen mehr Gewicht verleihen, mit denen die Direktkandidaten in den Wahlkreisen gewählt werden. Oppositionspolitiker reagieren empört – die Rede ist von Verfassungsbruch und „legalem Putsch“.
Im Bundestag sitzen derzeit 709 Abgeordnete – weit mehr als die gesetzlich vorgesehenen 598. Staatsrechtler gehen davon aus, dass es nach der nächsten Bundestagswahl sogar mehr als 800 Parlamentarier sein könnten. Mehrere Versuche, das Wahlrecht zu reformieren, um eine weitere Vergrößerung zu verhindern, blieben bislang erfolglos.
Grund für den übergroßen Bundestag sind Überhang- und Ausgleichsmandate. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten in den Bundestag bringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen würden. Damit die Überhangmandate das Zweitstimmenergebnis nicht verzerren, bekommen die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate.
Direkt gewählte Kandidaten würden gestärkt
Mit dem Konzept aus der Unionsfraktion würden diese Mechanismen wegfallen. Die 24 Abgeordneten um den CDU-Politiker Axel Fischer schlagen in einem Brief an Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) vor, 299 Bundestagssitze an die Abgeordneten zu vergeben, die in den 299 Wahlkreisen die Direktmandate gewinnen. Die Verteilung der weiteren 299 Mandate auf die Parteien soll „über die Zweitstimme nach Verhältniswahlrecht ermittelt werden“, heißt es in dem auf den 23. Dezember datierten Schreiben.
Das Konzept würde denjenigen Parteien einen großen Vorteil bringen, die viele Direktmandate erringen – das sind vor allem CDU und CSU. Entsprechend kritisch fallen die Reaktionen der Opposition aus. „Anstatt sich selbst per Gesetz Vorteile zuzuschustern, sollte die Union einen Vorschlag machen, bei dem alle Parteien gleichmäßig zur Verkleinerung beitragen“, sagte der Wahlrechtsexperte der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert, der Nachrichtenagentur AFP.
Das Konzept der Unionsabgeordneten „erschüttert das Vertrauen des Wählers und hat Elemente eines legalen Putsches“, sagte Ruppert. Offensichtlich wolle die Union „nur Machtsicherung“ betreiben.
Parteien deren Direktkandidaten selten gewählt werden protestieren
Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, kritisierte, die Union wäre „einziger Profiteur“ des Konzepts. „Wahlen gewinnt man aber durch Vertrauen und Zuspruch der Bürgerinnen und Bürger und nicht dadurch, dass man sich ein neues Wahlrecht zum eigenen Vorteil zimmert“, erklärte sie in Berlin.
Von einem „schlechten Ablenkungsmanöver der Union“ sprach Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Der Vorschlag sei „verfassungswidrig und nicht einmal in der Koalition mehrheitsfähig“, sagte er AFP. Die SPD-Fraktion wollte den Vorstoß der Unionskollegen nicht kommentieren.
AfD im Grundsatz einverstanden
Ein Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion sagte AFP, das Konzept solle zunächst geprüft werden. „Die Grundrichtung stimmt allerdings schon einmal.“ Die AfD sei „prinzipiell dafür, den aufgeblähten Bundestag zu verkleinern“.
FDP, Grüne und Linke hatten im Oktober gemeinsam einen eigenen Vorschlag zur Wahlrechtsreform vorgestellt. Er sieht unter anderem vor, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 zu verringern. In dem Brief der Unionsabgeordneten heißt es dazu, dies würde zu einem „Verlust an Bürgernähe“ führen. Außerdem verlöre die Erststimme „weiter an Gewicht“. (afp)
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