Union will Informationsfreiheitsgesetz abschaffen – Journalistenverband: Gefahr für Demokratie

Der CDU-Unterhändler Philip Amthor (CDU) plant offenbar, das Informationsfreiheitsgesetz in einer schwarz-roten Bundesregierung abzuschaffen. Medienvertreter sind davon alles andere als begeistert. Das letzte Wort liegt bei der Hauptverhandlungsgruppe der wahrscheinlichen Koalitionäre.
Titelbild
Den Mächtigen auf die Finger schauen – das macht das Informationsfreiheitsgesetz ein Stück weit möglich. Nach den Vorstellungen von CDU-Unterhändler Philip Amthor soll das Gesetz „in der bisherigen Form“ abgeschafft werden. Die Zustimmung vonseiten der SPD fehlt noch.Foto: iStock/seb_ra
Von 28. März 2025

Die Absicht der Koalitionsunterhändler von CDU und CSU, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) „in der bisherigen Form“ zu beerdigen, hat bei regierungskritischen Stellen für Entsetzen gesorgt.

„Öffentliche Kontrolle und Transparenz sind der Union offenbar ein Dorn im Auge“, erklärte Arne Semsrott, der Chefredakteur der Plattform „Frag den Staat“, im Gespräch mit „Netzpolitik.org“. Seiner Einschätzung nach wollten CDU und CSU „unbehelligt durchregieren“. Semsrott weiter:

Demokratische Rechte der Öffentlichkeit stören dabei offenbar nur. Dass die Union die Abschaffung des IFG ausgerechnet als Maßnahme zur ‚Stärkung der repräsentativen Demokratie‘ aufführt, ist geradezu lächerlich.“

„Zentrale Säule der Demokratie“ in Gefahr

In einer aktuellen Stellungnahme bezeichnete Semsrott das IFG als „eine zentrale Säule der Demokratie in Deutschland“. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2006 seien beinahe 300.000 Anfragen auf Grundlage des IFG allein über „Frag den Staat“ gestellt worden. Dadurch seien „zahlreiche Skandale“ ans Licht gekommen. Das offiziell als „Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes“ firmierende Regelwerk erlaubt es jedermann, Zugang zu amtlichen Informationen und Dokumenten einzufordern.

„Das Gesetz ist aus dem journalistischen Alltag nicht mehr wegzudenken“, so Semsrott. Die Unionspläne bedeuteten einen „Frontalangriff“ auf die Informationsfreiheit.

Amthor als treibende Kraft

Semsrott kritisierte auch den Umstand, dass sich ausgerechnet Philip Amthor (CDU) als Verhandlungsführer in der zuständigen Unionsarbeitsgruppe Nummer 9 für die IFG-Abschaffung eingesetzt hatte.

Amthor habe bereits persönlich negative Erfahrungen damit gemacht: 2018 sei herausgekommen, dass Amthor das Briefpapier des Bundestages verwendet hatte, um beim Bundeswirtschaftsministerium für das IT-Unternehmen Augustus Intelligence zu werben. Erst aufgrund einer IFG-Anfrage via „Frag den Staat“ sei der Brief der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

Das Archivbild zeigt den Juristen und Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Auch Amthors CSU-Pendant Daniela Ludwig habe im Sommer 2020 bereits ähnliche Erfahrungen machen müssen, so Semsrott. In ihrem Fall sei es um ein Schreiben zur Cannabislegalisierung gegangen, das Ludwig als damalige  Drogenbeauftragte der Bundesregierung an die Unionsfraktion geschickt hatte.

Hauptverhandlungsgruppe soll entscheiden

Noch ist der IFG-Abschaffungswunsch von Amthor nicht zur Wirklichkeit geworden. Der entsprechende Passus im Arbeitspapier „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz“ ist blau eingefärbt. Das bedeutet, dass die SPD bislang nicht zugestimmt hat.

Rot markierte Stellen bedeuten, dass umgekehrt die Union kein grünes Licht für einen SPD-Vorschlag gegeben hat.

Der Ausschnitt aus dem Arbeitspapier zu den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD belegt den Wunsch der Union, das Informationsfreiheitsgesetz abzuschaffen. Foto: Bildschirmfoto/Frag den Staat

Der Ausschnitt aus dem Arbeitspapier zu den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD belegt den Wunsch der Union, das Informationsfreiheitsgesetz abzuschaffen. Foto: Bildschirmfoto/FragdenStaat.de

Über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen und damit auch die strittigen Vorhaben soll ab Freitag, 28. März 2025, in einer übergeordneten Hauptverhandlungsgruppe der mutmaßlichen Koalitionäre in Berlin vertraulich beraten werden. 

DJV-Vorsitzender: Gefahr für Journalismus und Demokratie

Auch Mika Beuster, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), forderte von der Union, die Idee fallen zu lassen. Im Gegenteil täte mehr Offenheit Not. „Wer die Transparenz einschränken möchte, hat offensichtlich etwas zu verbergen und gefährdet damit den Journalismus und die Demokratie zugunsten von Machterhalt und undurchsichtigen Machenschaften“, so Beuster.

Laut „Netzpolitik.org“ hatte die gescheiterte Ampelkoalition geplant, das IFG zu einem noch bürgerfreundlicheren Bundestransparenzgesetz auszubauen. Das sei seinerzeit aber am Widerstand von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gescheitert.

Grüner Politiker von Notz fordert Erweiterung des bestehenden Gesetzes

Auch der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz hält nichts von einer Streichung des IFG. Im Gegenteil forderte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP, die Informationsfreiheit weiterzuentwickeln. Dazu habe sich die Bundesregierung ohnehin bereits vor Jahren international im Rahmen der Open Government Partnership (OGP) verpflichtet. Angesichts dessen sei es überfällig, „das Informationsfreiheitsgesetz auszubauen“.

Dabei gelte es, Informationen auch „proaktiv“ durch die Verwaltung veröffentlichen zu lassen und den  „Flickenteppich“ unterschiedlicher Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern anzugehen.

Durch Transparenz entstehe „Vertrauen in staatliches Handeln“, betonte von Notz. Das sei „heute wichtiger denn je“. Überhaupt sei das IFG „seit vielen Jahren wesentlicher Bestandteil eines transparenten, modernen Staates“. Was die Union nun umzusetzen gedenke, offenbare dagegen ein „völlig überholtes Staatsverständnis“ und „ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Bürger als Souverän“.

Er befürchte, dass unter einer neuen schwarz-roten Koalition innen- und digital politisch „nicht nur Stillstand, sondern deutlicher Rückschritt“ drohe.

Was wird aus dem SPD-Vorschlag eines Medieninnovationsfonds?

Nach Informationen von „Table.Media“ (Bezahlschranke) plant auch die SPD eine Änderung, die sich auf Medienschaffende auswirken könnte: In der Arbeitsgruppe 14 („Kultur und Medien“) hätten die Sozialdemokraten bereits vor einigen Tagen einen „Medieninnovationsfonds“ vorgeschlagen. Die Union habe sich nicht darauf einlassen wollen.

Im aktuellen Arbeitspapier taucht der Begriff Medieninnovationsfonds nicht auf. Die Epoch Times fragte schriftlich bei der SPD-Bundestagsfraktion nach, was aus der Idee geworden ist. Sobald eine Antwort vorliegt, werden wir darüber berichten.

Der Plattform „Frag den Staat“ war es gelungen, in den Besitz von 15 Zwischenergebnissen aus 16 Arbeitsgruppen der Koalitionsunterhändler zu gelangen. Sie finden die Papiere hier.



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