Union und Linke kämpfen gegen neues Wahlrecht – „Unliebsame politische Konkurrenz“ erledigen?
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Dienstag mit der Verhandlung über das neue Wahlrecht begonnen. Unter anderem die Mitglieder der Unionsfraktion, die CSU und die Linke wandten sich an das Gericht, um die im vergangenen Jahr beschlossene Reform prüfen zu lassen.
Vor Beginn der Verhandlung sagte Unionsfraktionschef und CDU-Chef Friedrich Merz, das neue Wahlrecht verletze „in geradezu grober Weise die Chancengleichheit“. (Az. 2 BvF 1/23 u.a.)
Es „entwertet die Erststimme und greift unzulässig in den Wettbewerb der Parteien ein“, sagte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt.
Der Linken-Parteivorsitzende Martin Schirdewan äußerte den Verdacht, die Ampelkoalition wolle sich mit der Reform „unliebsamer politischer Konkurrenz auf dem Wege der Wahl sozusagen entledigen“.
Besonders gefährliche Änderungen
Die Wahlrechtsreform war im vergangenen Jahr beschlossen worden. Sie soll den Bundestag auf 630 Abgeordnete verkleinern. CSU und Linkspartei könnten die Änderungen dabei besonders gefährlich werden: Abgeschafft werden sowohl Überhang- und Ausgleichsmandate als auch die sogenannte Grundmandatsklausel.
Die Überhang- und Ausgleichsmandate sorgten in der Vergangenheit dafür, dass der Bundestag immer größer wurde. Mit der Erststimme wird ein Kandidat oder eine Kandidatin im Wahlkreis gewählt, mit der Zweitstimme die Parteiliste in dem jeweiligen Land.
Wenn eine Partei bislang mehr Wahlkreise gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustanden, bekam sie Überhangmandate – und die anderen Bundestagsfraktionen Ausgleichsmandate.
Künftig werden die Bundestagssitze komplett anhand der Mehrheitsverhältnisse bei den Zweitstimmen vergeben. Wahlkreisgewinner ziehen nur dann in den Bundestag ein, wenn ihr Mandat von dem Kontingent gedeckt ist.
Zwei Beispiele: CDU und Linke
Das könnte bedeuten: Würde die CSU bundesweit hochgerechnet unter die Fünf-Prozent-Marke rutschen, flöge sie nach dem neuen Wahlrecht aus dem Bundestag – auch wenn sie wieder die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt gewinnen würde.
Die Grundmandatsklausel ließ eine Partei bisher auch mit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen ins Parlament einziehen, sofern sie mindestens drei Direktmandate gewann.
Bei der Bundestagswahl 2021 kam die Linke zwar nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen, aber Gregor Gysi (Berlin), Gesine Lötzsch (Berlin) und Sören Pellmann (Leipzig) gewannen jeweils ein Direktmandat – und die Linke zog dank dieser Klausel mit 39 Abgeordneten in den Bundestag ein.
Bei der Wahl 1994 holte die Linke-Vorgängerpartei PDS sogar nur 4,4 Prozent der Zweitstimmen. Doch dank vier in Berlin gewonnener Direktmandate entfielen auf sie 30 Sitze im Bundestag.
Das Bundesverfassungsgericht will zwei Tage lang verhandeln. Ein Urteil fällt erfahrungsgemäß einige Monate nach der mündlichen Verhandlung. (afp)
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