Union in der Klemme: SPD fordert Kompromissfähigkeit für Fortbestand der GroKo
Die SPD hat die Union zu Kompromissen bei wichtigen Themen aufgerufen, um den Fortbestand der großen Koalition sicherzustellen.
„Ob die Koalition die Halbzeitbilanz übersteht, hängt davon ab, ob die Union bereit ist, die festgelegten und vereinbarten Dinge auch zu liefern“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. Unions-Fraktionsvize Andreas Jung (CDU) pochte unterdessen weiter auf die Positionen der Union bei den Themen Grundrente und Soli.
Kein Vorankommen bei vereinbarten Themen
Die große Koalition befindet sich nach dem Rücktritt von SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles in schwerem Fahrwasser. Die Partei wird zunächst kommissarisch vom einem Trio, bestehend aus den Vize-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel, geführt. Interims-Fraktionsvorsitzender ist der Außenexperte Rolf Mützenich. Mit der Einigung auf acht Gesetzentwürfe im Asyl- und Aufenthaltsrecht unmittelbar nach dem SPD-Beben zeigte die Koalition zunächst, dass sie noch handlungsfähig ist.
Klingbeil betonte: „Die Koalition ist nicht in der Krise, nur weil die SPD nach einem Personalwechsel eine neue Führung hat – in der Partei und in der Fraktion.“ „Schwierig ist es für die Regierung vielmehr, dass wir bei vereinbarten Themen nicht vorankommen“, sagte Klingbeil. Das Kanzleramt blocke das Klimaschutzgesetz. „Beim Thema Grundrente haben wir eine Verkantung.“ „An der SPD wird es nicht scheitern. Der Ball liegt jetzt im Feld der Union“, betonte der SPD-Generalsekretär.
Bei der Grundrente streiten Union und SPD über eine Bedürftigkeitsprüfung. Sie ist im Koalitionsvertrag vereinbart, die SPD will darauf aber verzichten. Unions-Fraktionsvize Jung pocht nun auf Einhaltung der Koalitionsvereinbarung. „Genau so wollen wir sie umsetzen. Eine Grundrente für Menschen, die nicht von Altersarmut bedroht sind, halten wir weder für gerecht noch für finanzierbar.“
Soli und Grundsteuer
Jung nahm zugleich Finanzminister Olaf Scholz in die Pflicht und mahnte einen baldigen Entwurf für die Abschmelzung des Solidaritätszuschlages an. Die Mittel dafür seien eingeplant, sagte Jung der dpa. Zugleich bekräftigte er: „Und sobald es geht, wollen wir als Union dann die Abschaffung des Soli für alle.“ Nach dem Koalitionsvertrag sollen nur die unteren Einkommensschichten beim Soli entlastet werden, was etwa 90 Prozent der Soli-Zahler betreffen würde.
Jung mahnte auch eine schnelle Neuregelung der Grundsteuer an. Dem schloss sich der DGB an. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag), die Koalition müsse jetzt endlich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine Reform der Steuer auf den Weg bringen. „Wer das Ausbluten der Städte und Kommunen verhindern und den sozialen Zusammenhalt nicht weiter gefährden will, muss jetzt schnell handeln.“
„Teure Rabatte“ von CDU für SPD
Die neue Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, Astrid Hamker, warnte die Union vor „teuren Rabatten“ für die SPD, um die große Koalition zu erhalten. „Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, das Vorzeigeprojekt der SPD, oder andere soziale Wohltaten sind Fehler, die verhindert werden müssen“, sagte Hamker im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag).
Unterdessen beschworen führende SPD-Politiker den Zusammenhalt der Partei. „Wir sind schon in schwierigem Fahrwasser und es ist unruhig. Aber wenn die Mannschaft zusammenhält auf dem Boot, dann kommt man auch gut durch den Sturm“, sagte die kommissarische Vorsitzende Schwesig am Dienstagabend auf der traditionellen Spargelfahrt des konservativen Seeheimer Kreises auf dem Berliner Wannsee. Auch Vizekanzler Olaf Scholz forderte, die SPD müsse sich nun „unterhaken“, jeder Einzelne müsse Verantwortung übernehmen.
Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte, es tue ihm im 50. Jahr seiner Mitgliedschaft weh, die SPD in einer solchen Situation zu sehen. „Die Lage der SPD ist unzweifelhaft sehr existenziell. Und sie hat offenbar ihre politische Mission im 21. Jahrhundert verloren“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat von 2013 am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.
Rufe nach Urwahl
Wann und wie die SPD nach dem Rücktritt von Nahles einen neuen Vorsitzenden wählt, soll am 24. Juni geklärt werden. Unter anderem gibt es Rufe nach einer Urwahl, bei der alle SPD-Mitglieder abstimmen könnten. Allerdings hat sich bisher kein möglicher Kandidat aus der Deckung gewagt.
Der kommissarische SPD-Chef Schäfer-Gümbel sieht Vorteile in einer Doppelspitze. „Eine Doppelspitze kann unterschiedliche Charaktere und Kommunikationsstile verbinden“, betonte er. Es dürfe aber keine Flügelrepräsentanz geben. Mit Blick auf eine Urwahl verwies Schäfer-Gümbel in der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch) darauf, dass das Parteiengesetz diese nicht vorsehe. Am Ende müsse ein Parteitag entscheiden. „Wir wollen aber eine breite Beteiligung vorher ermöglichen“, betonte der hessische SPD-Politiker. Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs plädierte dafür, dass auch Nicht-Mitglieder bei der Suche nach einem neuen SPD-Chef einbezogen werden sollten.
Ob die große Koalition über das Jahr 2019 hinaus hält, steht für Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier in Zweifel. „Ende des Jahres halte ich für möglich. Aber ich würde das im Moment mal 50:50 sehen“, sagte der CDU-Bundesvize dem Radiosender Hit Radio FFH. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), setzt auf einen Fortbestand des Regierungsbündnisses. „Es ist müßig, über was anderes in dieser Wahlperiode zu sprechen. Von daher wünsche ich mir ausdrücklich, dass die Koalitionspartner beieinander bleiben und die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl nutzen, um das umzusetzen, was im Koalitionsvertrag steht“, sagte Günther im RTL-„Nachtjournal“. (dpa)
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