Unerwartet: Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland massiv gestiegen

Statt rund 50.000 Menschen waren es 360.000, die im Jahr 2023 pflegebedürftig wurden. Gesundheitsminister Lauterbach ist die Ursache unklar.
Eine Pflegefachkraft in Hessen legt in der ambulanten Pflege einen Kompressionsverband an. Pflegebedürftige sollen in Zukunft entlastet werden.
Eine Pflegefachkraft in Hessen legt in einen Kompressionsverband an. Pflegebedürftige sollen in Zukunft entlastet werden.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Epoch Times27. Mai 2024

Die deutsche Pflegeversicherung sieht sich nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einem überraschenden Anstieg der Zahl neuer Pflegebedürfigter konfrontiert.

In den vergangenen Jahren habe sich diese „geradezu explosionsartig“ erhöht, sagte Lauterbach den den Zeitungen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland “vom Montag. Es gebe ein „akutes Problem“, dessen Ursache noch nicht klar sei.

Überraschender Anstieg

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wäre für 2023 lediglich mit einem Zuwachs von rund 50.000 Menschen bei der Pflegeversicherung zu rechnen gewesen, sagte Lauterbach. Tatsächlich betrage das Plus aber mehr als 360.000 Menschen. „Eine so starke Zunahme in so kurzer Zeit muss uns zu denken geben. Woran das liegt, verstehen wir noch nicht genau“, fügte er an.

Nachholeffekte bei der Einstufung von Betroffenen nach der Coronapandemie sind nach Angaben des Gesundheitsministers eine „Hypothese“ zur Erklärung des überraschenden Anstiegs, die nun geprüft werden.

Seiner Auffassung nach reiche das zur Erklärung der Größenordnung allerdings nicht aus, betonte Lauterbach. Er gehe von einem „Sandwich-Effekt“ aus, weil die Generation der sogenannten Babyboomer und ihre Eltern gleichzeitig pflegebedürftig würden.

„Es gibt also erstmals zwei Generationen, die gleichzeitig auf Pflege angewiesen sind“, sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk. Dies liege seiner Einschätzung nach an Fortschritten in der Medizin. Es gebe eine Reihe von Erkrankungen oder Verletzungen, mit denen Menschen früher nicht lange überlebt hätten. Dadurch steige auch die Zahl jüngerer Pflegebedürftiger.

Solide Finanzierung der Pflege nötig

Für das System der Pflegeversicherung werde es „jedenfalls nicht einfach“, ergänzte der Minister mit Blick auf die finanziellen Folgen. Es sei klar, „dass wir mittel- und längerfristig eine solidere Form der Finanzierung der Pflege benötigen“. In der laufenden Legislaturperiode sei eine umfassende Finanzreform seiner Meinung aber „wahrscheinlich“ nicht mehr zu schaffen.

„Dafür liegen die Ansichten zu weit auseinander. Im Übrigen würde dafür auch die verbleibende Zeit nicht reichen“, sagte er. In Deutschland finden im nächsten Jahr Bundestagswahlen statt, womit die Legislaturperiode endet.

In Deutschland soll die Pflegeversicherung Menschen für den Fall der Pflegebedürftigkeit absichern. Sie ist Teil der Sozialversicherung. Wer gesetzlich krankenversichert ist, gehört deshalb automatisch auch der Pflegeversicherung an. Dafür bezahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Beitrag. Kassen warnten jüngst vor Beitragssteigerungen wegen Defiziten.

Der allgemeine Beitragssatz in der Pflegeversicherung beträgt derzeit 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens, der Arbeitgeber übernimmt davon die Hälfte. Kinderlose Versicherte zahlen zudem noch einen Zuschlag von 0,6 Prozent.

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission unter Leitung des Gesundheitsministeriums soll bis Ende Mai Empfehlungen zur dauerhaften Finanzierung der Pflegeversicherung vorlegen.

„Wir sind im Zeitplan und werden auf Arbeitsebene bis Ende Mai fertig“, sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk. Mit einer „einheitlichen Empfehlung“ rechne er aber nicht. „Dafür sind die Ansichten der verschiedenen Ministerien beziehungsweise der Koalitionspartner zu unterschiedlich“, fügte er an. (afp/red)



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