Unantastbarkeit für Diplomaten nach Unfall – Radlertod wird zum Politikum
Ein saudischer Autofahrer verursacht in Berlin einen Unfall. Ein Radfahrer stirbt deshalb. Polizei und Staatsanwaltschaft sind bei dem tragischen Fall die Hände gebunden.
Als Gesandter kann der Mitarbeiter der Botschaft nicht belangt werden. Die Zahl der Verkehrsdelikte ausländischer Diplomaten steigt seit Jahren – allein 2016 wurden 22.880 Delikte gezählt, bei 2.000 Diplomaten.
Was ist passiert?
Der 50-jährige Diplomat hält am Dienstagabend im Berliner Stadtteil Neukölln mit seinem Wagen – nicht nur im absoluten Halteverbot, sondern auch auf dem Radweg. Er stoppt seinen Wagen und reißt abrupt die Tür auf.
Ein 55-jähriger Radfahrer kann nicht mehr bremsen, prallt gegen die Tür. Er trägt keinen Helm, stürzt, verletzt sich schwer am Kopf. Am Mittwochmittag stirbt er im Krankenhaus.
Eigentlich würde die Polizei in einem solchen Fall wegen fahrlässiger Tötung gegen den 50-Jährigen ermitteln. Diesmal aber nicht. Diplomaten sind vor Strafverfolgung im Gastland geschützt. Verfahren werden sofort eingestellt.
Was ist Sinn und Zweck der diplomatischen Immunität?
Diplomaten stehen unter besonderem Schutz, um nicht aus politischen Gründen belangt werden zu können. „Wir sind froh, dass es das gibt“, sagt Außenamtssprecher Martin Schäfer. Das sei seit Jahrhunderten Gewohnheitsrecht und im Wiener Übereinkommen aus den 60er Jahren geregelt.
Deutsche Diplomaten müssten etwa auch in Diktaturen Verhandlungen führen und deutsche Interessen vertreten können, ohne Gefahr zu laufen, im Gefängnis zu landen. „Es geht darum, dass es möglich ist, auch im Krisenfall Gesprächskanäle offenzuhalten.“
Eine Grenze zu ziehen zwischen Verkehrsdelikten und anderen Vergehen sei nicht möglich. Aber Schäfer sagt auch: „Dass das in Deutschland auch von hier tätigen ausländischen Diplomaten missbraucht wird, missbilligen wir ausdrücklich.“
Haben Diplomaten hierzulande also Narrenfreiheit?
Eigentlich nicht. Sie müssten sich genauso an die inländische Gesetze halten, teilt das Auswärtige Amt am Freitag mit. In manchen Botschaften werde das intern strikt durchgesetzt, in anderen nicht.
Die Regierung weise die Auslandsvertretungen auch immer wieder darauf hin. Sanktionen gibt es aber keine.
Wenn Diplomaten bestimmter Auslandsvertretungen immer wieder über die Stränge schlagen, spreche man auch mal mit dem Botschafter. Das Auswärtige Amt hat die Botschaft Saudi-Arabiens um eine Stellungnahme zu dem Neuköllner Unfall gebeten.
Die saudische Botschaft hat zwar ihr Bedauern über den Vorfall ausgedrückt, aber noch nicht geantwortet.
Kann das Auswärtige Amt nun nichts weiter tun?
Bei strafrechtlichen Ermittlungen bietet das Gesandtschaftsrecht noch ein paar schärfere Instrumente. Etwa kann die Regierung die Aufhebung der Immunität eines Diplomaten beantragen oder seine Abberufung fordern. Auch kann ein Staat einen Diplomaten für unerwünscht erklären.
Der Entsendestaat hat dann Zeit, um diese „persona non grata“ abzuberufen. Geschieht das nicht, wird der Diplomat ausgewiesen. Bevor drastische Mittel ergriffen werden, wolle man aber erstmal die Stellungnahme der saudischen Botschaft und die Ermittlungen der Polizei abwarten, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.
Diplomaten als Verkehrsrowdys – wie oft passiert sowas?
Aktuell sind rund 2000 Diplomaten ausländischer Missionen beim Auswärtigen Amt gemeldet. Die Zahl der vom Land Berlin gezählten Verkehrsdelikte von Diplomaten steigt seit Jahren.
Allein 2016 wurden 22.880 Delikte gezählt – vor allem Falschparken und Raserei. 2006 waren es noch 10.181 gewesen, im Jahr davor 6.908.
Botschaftsvertreter aus Russland, China und den USA führten in den vergangenen Jahren die Liste der rücksichtslosen Fahrer an.
Und wie benehmen sich denn deutsche Diplomaten im Ausland?
Statistiken über Ordnungswidrigkeiten liegen dem Auswärtigem Amt nicht vor. Aber deutsche Diplomaten müssen sich im Ausland an Recht und Gesetz halten.
„Es gibt klare Regelungen für alle Mitarbeiter des Auswärtigem Amts im Ausland, dass wenn sie eine Ordnungswidrigkeit begehen, sie sich – auch wenn es nicht rechtlich geboten ist – ihrer Verantwortung stellen und ein etwaiges Bußgeld bezahlen.“ (dpa)
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