„Ultra-Lauf“ – Habeck will umfassende Sofortmaßnahmen für mehr Klimaschutz
Der neue Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) will das Tempo beim Klimaschutz erhöhen und umfassende Sofortmaßnahmen auf den Weg bringen.
Ein erstes Paket mit eilbedürftigen Gesetzen und Vorhaben soll bis April im Kabinett beschlossen werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Ministerium erfuhr. Insgesamt soll ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ mit allen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen bis Ende 2022 abgeschlossen werden, so dass alle Maßnahmen ab 2023 wirken können. Ziel ist es demnach, Deutschland auf den „Klima-Zielpfad“ zu bringen.
Habeck stellt an diesem Dienstag in Berlin eine „Eröffnungsbilanz“ zum Klimaschutz vor. Diese Bilanz zeige, wie sehr der Klimaschutz in Deutschland hinter den Erwartungen liege, hieß es im Ministerium. Die Klimaziele 2022 würden aller Voraussicht nach verfehlt, auch für 2023 werde es schwer. Im Ministerium ist von einem „drastischen Rückstand“ die Rede.
Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
Ein Kernpunkt der geplanten Sofortmaßnahmen ist nach dpa-Informationen eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die Ausschreibungsmengen für erneuerbaren Strom aus Wind und Sonne sollen erhöht werden. Die Ampel-Koalition will den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 Prozent erhöhen. Im vergangenen Jahr lag dieser nach vorläufigen Berechnungen von Branchenverbänden bei gut 42 Prozent.
Der Ausbau des Ökostroms soll künftig im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen. Der Strombedarf wird nach der Prognose des Klimaministeriums bis 2030 von derzeit etwa 560 Terawattstunden auf 715 Terawattstunden steigen. Habecks Amtsvorgänger Peter Altmaier (CDU) hatte den Stromverbrauch bis 2030 noch auf 658 Terawattstunden geschätzt.
Der Strombedarf wächst unter anderem durch die zunehmende Elektrifizierung von Industrieprozessen, mehr Wärmepumpen sowie mehr Elektroautos. Aktuell befinde sich der Ausbau bei der Windkraft an Land und auf See jedoch auf einem absoluten Tiefstand im Vergleich der letzten zehn Jahre, hieß es im Ministerium.
Zu den größten Hemmnissen zählen aus Branchensicht zu wenig ausgewiesene Flächen, lange Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Konflikte mit dem Artenschutz. Außerdem gibt es vor Ort oft Proteste gegen den Bau von Windparks.
Mit einem „Wind-an-Land-Gesetz“ will Habeck nun zwei Prozent der Landesfläche gesetzlich für Windkraft verankern – das ist bedeutend mehr als bisher. Beim neuen Flächenziel muss Habeck mit Ländern und Kommunen zusammenarbeiten.
Windenergieausbau mit Artenschutz „versöhnen“
Außerdem solle der Windenergieausbau mit dem Artenschutz „versöhnt“ und die Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren geschaffen werden, hieß im Ministerium. Außerdem sollten kurzfristige Flächenpotenziale für Windkraft an Land erschlossen werden, etwa indem Abstände zu sogenannten Drehfunkfeuern und Wetterradaren verringert werden.
Ab 2023 soll wie im Koalitionsvertrag vorgesehen die milliardenschwere EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanziert werden, das soll die Verbraucher bei den Stromkosten entlasten.
Habeck plant zudem zusätzliche Förderprogramme für die Wasserstofftechnologie, eine „Gebäudestrategie Klimaneutralität“ sowie ein „Solarbeschleunigungspaket“. Dazu gehört etwa eine Verbesserung beim Mieterstrom – also Strom, der von Solaranlagen auf dem Dach eines Wohnhauses stammt und direkt in diesem Gebäude oder in der Umgebung verbraucht wird. Außerdem soll wie im Koalitionsvertrag vorgesehen eine Solarpflicht auf neuen Gebäuden gesetzlich verankert werden.
Industriepolitisch will Habeck die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für sogenannte Klimaschutzdifferenzverträge schaffen. Die Industrie benötige für den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren einen „verlässlichen Förder- und Investitionsrahmen“, hieß es. Die Kosten sollten für Unternehmen planbarer werden.
In das Sofortprogramm sollen außerdem weitere Maßnahmen aus anderen Ressorts einfließen – also zum Beispiel aus dem vom FDP-Politiker Volker Wissing geführten Verkehrsministerium.
Klimaneutralität bis 2045
Angesichts verschärfter Klimaziele bis 2030 und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 müsse in weniger Zeit „deutlich mehr“ getan werden, hieß es im Ministerium. Nötig sei eine Verdreifachung der CO2-Minderungen im Vergleich zum letzten Jahrzehnt. Dies sei eine große Aufgabe, die einem „Ultra-Lauf“ gleichkomme.
Anfang Dezember hatte Habeck den geplanten deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien als große Kraftanstrengung bezeichnet. Dies werde „nicht ohne Zumutung“ zu haben sein.
Die schwarz-rote Vorgängerregierung hatte im vergangenen Jahr beschlossen, bereits bis 2045 klimaneutral werden zu wollen – also deutlich früher als geplant nur noch so viele Treibhausgase auszustoßen, wie wieder gebunden werden können.
Im Habeck-Ministerium hieß es nun: „Wenn wir es richtig anstellen und eine Dynamik auslösen, können wir einen Boom neuer Technologien erleben, mit neuer industrieller Wertschöpfung und Arbeitsplätzen.“ Klimaschutzanforderungen sollten außerdem sozial verträglich ausgestaltet werden. (dpa/oz)
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