Ukraine-Krieg: Angriffskrieg oder Selbstverteidigung? Generalbundesanwalt weist Anzeigen ab

Die Frage beschäftigt Politik und Medien seit der ersten Lieferung von 5.000 deutschen Helmen in die Ukraine: Wann wird man selbst Kriegspartei und was hat das für Konsequenzen? Auch ein abgehörtes Gespräch deutscher Militärs über die Zerstörung der Krim-Brücke steht im Mittelpunkt der Debatte.
Flammen und Rauch steigen von der Krim-Brücke auf, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Straße von Kertsch verbindet.
Flammen und Rauch steigen von der Krim-Brücke auf, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Straße von Kertsch verbindet.Foto: Uncredited/AP/dpa
Von 11. Mai 2024

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Eine abgehörte Telefonkonferenz zwischen Brigadegeneral Frank Gräfe, dem Generalleutnant und Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz sowie weiteren deutschen Offizieren war Mitte Februar dieses Jahres eine viel diskutierte Meldung, die als „Taurus-Abhörfall“ durch die Medien ging.

Im Kern ging es darum, dass die Genannten die Zerstörungsmöglichkeit der Krim-Brücke diskutierten. Die mangelnde Geheimhaltung dieses Gesprächs sorgte bei den westlichen Partnern für Empörung. So schrieb etwa die britische „Daily Mail“ – der Artikel wurde später vom „Stern“ übernommen – : „Die westlichen Verbündeten wurden gerade mit der Realität konfrontiert, dass unser größter und reichster europäischer Partner eine entsetzliche Belastung darstellt.“

Rechtsanwalt Dirk Schmitz und andere wollten aus dem geleakten Gespräch die Vorbereitung eines Angriffskriegs herausgehört haben, der in Deutschland gemäß Art. 26 Absatz 1 des Grundgesetzes verfassungswidrig ist:

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

RA Schmitz befand in seiner Anzeige unter anderem: „Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stelle keinen Tatbestandsausschluss für Angriffshandlungen durch Deutschland oder ein Rechtsfertigungsgrund dar.“

Er ist überzeugt, dass Rechtfertigungsgründe nur der Angriff eines Drittstaates auf Deutschland oder der Eintritt des NATO-Bündnisfalles sein können. Der bloße Unterstützungswille für die Ukraine erlaube auch bei Einordnung des Angriffes auf die Ukraine als völkerrechtswidrig nicht Angriffshandlungen oder konkrete Vorbereitungen eines Angriffskriegs durch die Bundesrepublik außerhalb eines formellen Kriegszustandes mit Russland.

RA Schmitz: „In hohem Maße alarmierend“

Der Generalbundesanwalt hatte diese und weitere gleichlautende Anzeigen abgewiesen. Er begründete seine Abweisung ausführlich. Im vorliegenden Fall gehe der Angriffskrieg und damit der Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot von der Russischen Föderation aus. Die Ukraine übe in diesem Krieg ihr in Art. 51 der UN-Charta gewährleistetes Recht auf Selbstverteidigung aus und sei damit zur Anwendung von Gewalt befugt, das Selbstverteidigungsrecht stelle eine Ausnahme vom völkerrechtlichen Gewaltverbot dar.

Die Begründung geht weiter:

„Dieses Selbstverteidigungsrecht ist jedoch, wie aus dem Wortlaut von Art. 51 UN-Charta klar hervorgeht, nicht nur als individuelles Recht, sondern auch als kollektives Selbstverteidigungsrecht anerkannt.“

Das bedeute, so der Generalbundesanwalt, dass ein Staat, der Opfer eines bewaffneten Angriffes oder Angriffskriegs geworden ist, bei der Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts durch einen anderen Staat (oder mehrere andere Staaten) unterstützt werden dürfe:

„Eine solche Unterstützung würde damit keinen Angriffskrieg und auch keine Angriffshandlung konstituieren. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus wie auch immer gearteten Absichten der ukrainischen Regierung in Bezug auf die Krim, denn das Gebiet der Krim wurde 2014 von Russland völkerrechtswidrig von Russland annektiert, was sich seinerseits als Verstoß gegen das Gewaltverbot darstellte.“

Das fand nun RA Schmitz, wie er gegenüber Epoch Times sagt, „in hohem Maße alarmierend“. Die Abweisung der Strafanzeige lässt für ihn nur einen Schluss zu:

Die Bundesrepublik bereitet rechtlich und systematisch den Einsatz deutscher Truppen und NATO-Truppen im Ukraine-Krieg vor.“

„Kein Fall von Art. 5 NATO-Vertrag“

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sah das in der Vergangenheit bereits ähnlich und kommentierte auch mit Blick auf einen möglichen NATO-Bündnisfall:

„Engagieren sich Truppenteile eines NATO-Mitgliedstaates in Ausübung kollektiver Selbstverteidigung (Art. 51 VN-Charta) zugunsten der Ukraine in einem bestehenden Konflikt (zwischen Russland und der Ukraine) und werden dabei von der anderen Konfliktpartei (Russland) im Zuge des Gefechts im Konfliktgebiet attackiert, so stellt dies keinen Fall von Art. 5 NATO-Vertrag dar.“

Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, der zuletzt mit Klagen von Tausenden Impfopfern gegen die Pharmaindustrie und der Veröffentlichung einer Reihe von mutmaßlich besonders gefährlichen mRNA-Impfstoff-Chargennummern in den Schlagzeilen war, reagiert ebenfalls auf die Antwort des Generalbundesanwaltes und schrieb dazu via X unter anderem:

„In der Ukraine ging die Munition aus und Deutschland meint, sich mit Russland anlegen zu müssen. Meine Prognose: Es wird keine Bundestagswahlen – vielleicht noch nicht einmal mehr Landtagswahlen geben, weil unser großer Bundeswehrkommandant Scholz dann im Kriegsfall das Ruder übernimmt. Wer als politischer Beamter so antwortet – gibt die Antwort auf die Planung.“

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuletzt in der öffentlich-rechtlichen Talkshow bei Maischberger erklärt, das Völkerrecht erlaube der Ukraine auch Angriffe gegen Moskau direkt. Die Frage sei hier allerdings, mit welchen Waffen das geschehen dürfe.

Das Ende der Friedenszeiten

Befindet sich Deutschland für den deutschen Verteidigungsminister bereits im Krieg? Als ihn Maischberger fragt, wie schutzlos Deutschland eigentlich ohne Taurus-Systeme sei, erwiderte Pistorius, das gehöre für ihn zum Mindstens in der Zeitenwende: „Wir tun immer noch so, als würden wir in Friedenszeiten leben.“

Auch die „Berliner Zeitung“ befasste sich Anfang März dieses Jahres mit dem eingangs erwähnten abgehörten Gespräch. Die Zeitung sah hier klare „Mechanismen der Eskalation“ und titelte: „So rutschen wir dem großen Krieg entgegen“. Die Zeitung empörte sich regelrecht:

„Jeder Taschendieb weiß, dass man am Telefon nicht über Täterwissen plaudert – aber die Herren Generäle diskutieren brisanteste Interna, als hätten sie nie von Abhörmaßnahmen gehört.“

Wiederum Anwalt Dirk Schmitz war zuletzt zu Gast in der 203. Folge des „Corona Ausschuss“ von Anwältin Viviane Fischer – hier gemeinsam im Gespräch mit Wolfgang Wodarg – die sich auch mit der Antwort des Generalbundesanwalts befasst hatte.  Schmitz führte dort unter anderem aus, dass das abgehörte Gespräch der deutschen Militärs zwar noch kein Angriffskrieg gewesen sei, aber dass man dieses Gespräch durchaus als unter Strafe zu stellende „Vorbereitung eines Angriffskriegs“ bezeichnen könnte.

„Ein verheerender Vergeltungsschlag“

Das Nachrichtenmagazin ntv wiederum meldete vor wenigen Tagen, dass Russland bei einem Angriff auf die Krim-Brücke mit einem so wörtlich „verheerendem Vergeltungsschlag“ gedroht habe. Ntv zitiert Marija Sacharowa, die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, mit den Worten:

„Ich möchte Washington, London und Brüssel noch einmal warnen, dass alle aggressiven Aktionen gegen die Krim nicht nur zum Scheitern verurteilt sind, sondern auch mit einem verheerenden Vergeltungsschlag beantwortet werden.“

Hier darf man sich die Frage stellen, warum Berlin nicht explizit genannt wurde. Vielfach wird längst diskutiert, was laut internationalem Recht erlaubt ist und was nicht. Das allerdings setzt zwingend voraus, dass sich alle Kriegsbeteiligten diesen Spielregeln unterwerfen. In der Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen wäre das allerdings eine Weltpremiere.



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