Tumulte beim CSD Stuttgart: Antifa gegen Veranstalter, CDU und Polizei
Am 29. Juli ereignete sich während des CSD-Umzugs in der Stuttgarter Innenstadt eine Situation, bei der vermummte Personen gewalttätig wurden. Wie das Onlineportal „BW24.de“ berichtete, hatten an diesem Samstagnachmittag gegen 16:00 Uhr „rund 50 teils vermummte Personen aus dem linksextremen Spektrum“ den Bühnenlastwagen an der Spitze des Zuges im Bereich des Schlossplatzes gestoppt. Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit dem CSD-Mitorganisator und Versammlungsleiter Detlef Raasch sei dieser körperlich attackiert worden. Raasch habe eine „leichte“ Verletzung am Unterkiefer davongetragen. Auch ein Polizeibeamter habe etwas abbekommen.
Platzverweise nach Attacke
Informationen des „Südwestdeutsche Rundfunks“ (SWR) zufolge sei es den Einsatzkräften aber gelungen, 17 der Aggressoren abzudrängen, die Personalien aufzunehmen und Platzverweise zu verhängen. Danach hätten „Sympathisanten aus dem linken Spektrum“ immer wieder begonnen, Polizisten anzugreifen.
Nach Angaben des Nachrichtensenders „n-tv“ sei es den Attackierern wohl darum gegangen, Solidarität mit einer 26-Jährigen auszudrücken, die beim ersten Angriff „vorläufig festgenommen“, dann aber ebenfalls mit einem Platzverweis belegt worden war und ihrer Wege gehen konnte. Die Frau stehe „im Verdacht, einen Polizisten angegriffen und leicht verletzt zu haben“. Die Ermittlungen dauerten mithilfe von Videoaufzeichnungen an.
Nach Angaben des SWR sei inzwischen auch der Staatsschutz involviert. Die Polizei gehe von einem „politischen Hintergrund“ aus. Mit Stand 31. Juli gebe es aber noch keine neuen Erkenntnisse.
Linker Jugendblock spricht von „symbolischer“ Blockade
Laut „n-tv“ hatte „ein linker Jugendblock aus der Antifa-Bewegung“ kurz nach dem Überfall die Beweggründe für die Angriffe auf der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Onlineplattform „Indymedia“ offengelegt:
Einige vom Jugendblock unabhängige Antifaschist:innen blockierten symbolisch den CSD Wagen, um auf die Anti-Antifa Statements der CSD Orga Stuttgart aufmerksam zu machen und sich der Beteiligung der CDU entgegenzusetzen. Diese ist unbestreitbar queerfeindlich und hat reaktionäre Züge, die nichts auf dem Christopher Street Day zu suchen haben.“
Wie „BW24.de“ berichtet, ging es dabei wohl darum, dass die Stuttgarter CSD-Orga sich „im Juni gegen Linksradikalismus positioniert“ und entgegen früherer Pläne nicht am CSD in Freiburg teilgenommen hatte, „weil dort auf einem Plakat das Logo einer antifaschistischen Aktion genutzt“ worden sei.
Am 29. Juli, so die Bekennergruppe weiter, sei es die Polizei gewesen, die „extrem gewalttätig“ auf die „legitime Kritik“ geantwortet hätte. Die Aktivisten seien „geschlagen, geschubst und stundenlang schikaniert“ worden.
Raasch: „Antifa ist nicht gleich Antifa“
CSD-Mitorganisator Detlef Raasch wies diese Anschuldigungen in den „Stuttgarter Nachrichten“ (Bezahlschranke) zurück: „Die Polizei war überhaupt nicht übergriffig. Sie hat so gehandelt, wie man handeln muss, wenn Straftaten geschehen“. Andererseits müsse man differenzieren: Antifa sei nicht gleich Antifa. „Wir hatten aus dieser Bewegung Teilnehmenden in Fußgruppen, die sich korrekt ohne Randale verhalten haben“, erklärte Raasch.
Informationen von „BW24.de“ zufolge hatten auch Vertreter der Parteien SPD, Grüne und Linke mitdemonstriert. Nach Angaben des SWR hatten „mehr als 400.000“ dem bunten Treiben vom Straßenrand aus zugeschaut. Etwa „40.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer“ seien selbst Teil der Parade gewesen.
Bis zum Vorfall am Schlossplatz sei die Demonstration „für Gleichstellung und Akzeptanz“ unter dem Motto „Nicht mit uns! Gemeinsam sicher und stark“ friedlich verlaufen. Nach Angaben von „t-online“ handelte es sich um „die größte Parade„, die man in der „schwäbischen Stadt jemals“ gesehen habe. Ein dreieinhalbstündiges Video vom CSD Stuttgart 2023 gibt es auf YouTube.
Unverständnis von Politikern der CDU und der Grünen
Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) kritisierte die tätlichen Angriffe nachdrücklich in einer Erklärung:
Die gewaltsamen Attacken auf die Stuttgarter CSD-Parade sind schockierend, irritierend und scharf zu verurteilen. Niemand hat das Recht zu Gewalt gegenüber anderen Menschen. Niemand hat das Recht zu Gewalt gegenüber queeren Menschen – Rechtsextremisten nicht und Linksextremisten auch nicht.“
Nopper hatte in der Vergangenheit auch die Protestblockaden der „Letzten Generation“ und regierungskritische Demonstrationen von sogenannten „Querdenkern“ in der baden-württembergischen Landeshauptstadt verurteilt.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) twitterte: „Wir feiern unseren #CSDStuttgart so, wie wir’s wollen & müssen keine radikale Linke um Erlaubnis fragen. Gute Besserung an Detlef Raasch & den verletzten Polizisten“. Özdemir hatte bei der Bundestagswahl 2021 den Wahlkreis Stuttgart direkt gewonnen. Am CSD nahm er im Wagen des VfB Stuttgart teil.
Der Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende Thrasivoulos Malliaras sagte in der „Stuttgarter Zeitung“ (Bezahlschranke), dass „Niemand […] offensichtlich so weit vom Spirit des CSD entfernt [sei] wie die Antifa“. Die CDU sei keine „queerfeindliche“ Partei.
Christopher Street Day: In New York fing es an
Der heute weltweit gefeierte Christopher Street Day (CSD) geht nach Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) auf ein Ereignis in New York Ende der 1960er-Jahre zurück. Obwohl Homosexualität in den USA verboten war und verfolgt wurde, widersetzten sich homosexuelle Männer, Frauen und Transvestiten am 28. Juni 1969 in der Bar Stonewall Inn unter der Parole „Gay Power, Gay Power!“ gewaltsam einer Polizeirazzia. Das Lokal lag in der Christopher Street.
Zu Ehren der Widerstandskämpfer habe die „Community“ dann zum Jahrestag 1970 im West Village des Big Apple eine öffentliche Demonstration mit 4.000 Menschen organisiert, die für die Rechte homosexueller Menschen eintrat – der weltweite Beginn der Schwulenbewegung. In Deutschland sei der erste Christopher Street Day 1979 in Berlin ebenfalls als politische Protestaktion begangen worden. Heute stehe bei vielen Teilnehmern und Zuschauern der Paraden eher der Partycharakter im Vordergrund.
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