Tübingens Oberbürgermeister Palmer sieht kommunale Haushalte „unter Wasser“

Der parteilose Oberbürgermeister Boris Palmer präsentierte noch vor zwei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt. Nun drücken die Stadt Schulden von rund 87 Millionen Euro. Im Interview nennt Palmer die Gründe dafür und stellt klar: So kann es nicht weitergehen.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa
Von 4. Dezember 2024

„Es hört sich alles nicht gut an, aber so, wie es bisher war, wird es nicht weitergehen.“ Tübingens Oberbürgermeister wird im „Morgenmagazin“ der ARD deutlich: Die Kommunen sind am Ende: „Die Botschaft ist klar, die Kommunen können es jedenfalls nicht mehr leisten“, sagt das parteilose Stadtoberhaupt, das bis Ende April 2023 den Grünen angehörte.

Deutscher Städtetag prognostiziert Rekorddefizit bei Kommunen

Bereits im Sommer vermeldete der Deutsche Städtetag alarmierende Zahlen. Im Zusammenhang mit der finanziellen Lage der Kommunen sei ein Rekorddefizit in Höhe von 13,2 Milliarden Euro zu erwarten. Bereits im vergangenen Jahr mussten die kommunalen Haushalte eine Verschlechterung ihrer Finanzlage um 8 Milliarden Euro und ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro verkraften. Das nun zu erwartende Defizit ist damit mehr als doppelt so hoch wie 2023. Und die Prognose bis zunächst 2027 bleibt düster. So rechnet der Deutsche Städtetag in den Folgejahren mit einem Verharren der Defizite auf ähnlichem Niveau. Das Fazit: Wenn Bund und Länder mit ihrer Finanzpolitik nicht grundlegend umsteuern, werden die kommunalen Haushalte tief in den roten Zahlen bleiben.

„Die Einnahmen bleiben ungefähr gleich, aber die Ausgaben explodieren wegen der Personalkosten und wegen immer neuer Rechtsansprüche, die die Bundes- und Landespolitik auf die Kommunen überwälzt, aber nicht bezahlt“, so Palmer im „Morgenmagazin“.

Die Ursachen für die Misere sieht der 52-Jährige in den Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst durch Tarifabschlüsse sowie steigende Kosten für Sozialleistungen. Im Interview stellt er drei Forderungen. An die Bundesregierung gerichtet, sagt er:

Wenn ihr Gesetze auf Kosten der Kommunen macht, dann bezahlt sie.“

Palmer meint damit etwa Ganztagsplätze in der Grundschule oder Inklusion für alle Kinder. Die müsse der Staat bezahlen, tue es aber nicht und könne es möglicherweise wegen der Schuldenbremse nicht. Sei dies der Fall, müsse man über die Rechtsansprüche reden. Die Inklusion funktioniere ohnehin nicht gut, beruft er sich auf Aussagen von Lehrern und Eltern. „Vielleicht sind die Sonderschulen doch die bessere Lösung gewesen. Sie sind sehr, sehr viel günstiger als dieses neue System“, fährt er fort.

Palmer: Runter mit den Standards, weg von der Bürokratie

Weil der Bund auch kein Geld habe, müsse man „runter mit den Standards, weg mit der Bürokratie. Überflüssige Forderungen, Rechtsansprüche, Juristerei können wir uns nicht mehr leisten.“ Als Drittes forderte er ein Ende der Illusion, „dass ein Krieg wie der Ukraine-Krieg uns nichts kostet, mit allen möglichen Ausgleichspauschalen, die den Leuten die Illusion geben“. Das komme bei ihnen „und bei mir“ im Geldbeutel nicht an.

Wir werden die Reallohnsteigerungen nicht mehr durchhalten können. Wir werden mit Steuererhöhungen auf kommunaler Ebene auch an jeden einzelnen eine Belastung weitergeben müssen.“

Im Jahr 2022, als Palmer erneut zum Oberbürgermeister der Universitätsstadt gewählt wurde, war Tübingen schuldenfrei. Nun drückt die Kämmerei ein Schuldenberg von rund 87 Millionen Euro (Haushaltsplan 2024, Seite 739). Das sei nur zum Teil die Schuld der Regierung, erläutert Palmer im Gespräch. Einen Anteil an der Misere hätten die Gewerkschaften, die einen Tarifabschluss mit einer Reallohnsteigerung von 11 Prozent erreicht hatten. „Das sind 20 Millionen Mehrkosten, die wir nicht bezahlen können“, rechnet Palmer vor. Hinzu käme eine Belastung von 30 Millionen Euro mehr an Kreisumlage, die Tübingen belaste. „Kreisumlagen sind Sozialleistungen“, erläutert er weiter. Es gebe immer mehr Aufgaben, aber nicht mehr Geld.

Das drückt die kommunalen Haushalte unter Wasser.“

Busangebot wird zusammengestrichen

Wie Tübingen konkret sparen will, wollte Palmer noch nicht sagen, weil zum Sparpaket noch der Beschluss des Gemeinderats fehlt. Fest stehe aber bereits, dass ab April 2025 durch das Zusammenstreichen des Busangebots 1 Million Euro eingespart werde. „Am Wochenende fährt die Buslinie vielleicht gar nicht mehr. Solche Streichungen kommen auf uns zu.“ Auch bei den Sozialleistungen könne er sich Streichungen vorstellen, denn „unwirtschaftliche Sozialleistungen sind unsozial“. Als Beispiel nannte er Kosten in Höhe von 500.000 Euro jährlich für „einzelne Fälle in der Jugendhilfe“. Das sei ein Anspruch an die Gemeinschaft, „der nicht zu halten ist“. Man könne nicht zwei Sozialpädagogen im Drei-Schicht-Betrieb für einen jungen Menschen abstellen, „weil der randaliert“. Das sei eines Tages nicht mehr zu bezahlen, denn: „Solche Systemsprenger gibt es immer mehr.“



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