Tschüss Bundestag – diese Abgeordneten treten nicht zur nächsten Wahl an
Die Gründe, warum Bundestagsabgeordnete im nächsten Jahr nicht zur Wahl antreten, sind unterschiedlich. Für die einen liegt es an der politisch aufgeheizten Stimmung, bei anderen geht es schlichtweg darum, mehr Zeit mit den eigenen Kindern, dem Partner oder gebrechlichen Eltern zu verbringen – vor allem, wenn der Wahlkreis weit weg von Berlin liegt.
Unter den Abgeordneten, die in den vergangenen Wochen und Monaten ihren Rückzug angekündigt haben, sind auch einige, denen gute Chancen auf einen sicheren Listenplatz und herausgehobene Positionen nach der nächsten Wahl eingeräumt wurden.
Zeit für Familie
Tobias Lindner von den Grünen ist 42 Jahre alt, Vater, und seit 2011 im Bundestag. Dass er nicht mehr antreten will, finden auch einige Angehörige anderer Fraktionen schade, die seine sachliche, ruhige Art schätzen. Er selbst sagt: „Ich finde, man sollte gehen, wenn es am schönsten ist.“ Seine jetzige Aufgabe als Staatsminister im Auswärtigen Amt sei zwar sehr fordernd, mache ihm aber gleichzeitig viel Freude.
Er gehe „ohne Frust und Groll“ und habe auch noch keinen neuen Job in petto. Politik sei das Spannendste, was er in seinem Leben gemacht habe, „aber es ist nicht mein ganzes Leben“. Er kenne einige Parlamentarier, die in seinem Alter seien, Familie hätten und nicht mehr kandidieren wollten, die das so ähnlich sähen.
Es ist kein Geheimnis, dass Politiker, die nach einer Sitzungswoche in Berlin zu Hause ankommen, oft auf Unverständnis der Parteikollegen im Wahlkreis stoßen – beispielsweise, wenn das Klaviervorspiel der Tochter oder der Laternenumzug des Sohnes einmal Vorrang hat vor Lokalterminen bei örtlichen Unternehmen oder Treffen mit Ehrenamtlichen.
Politiker von SPD und CDU
Wie Lindner haben auch der FDP-Abgeordnete Mario Brandenburg (41), zur Zeit Parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium, und der 42-jährige Thomas Hitschler (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Kinder. Beide wollen nicht mehr für den Bundestag kandidieren.
Familiäre Gründe führte auch die 44-jährige Michelle Müntefering (SPD) an, die mehr Zeit mit ihrem Ehemann, dem früheren SPD-Bundesvorsitzenden Franz Müntefering (84) verbringen will.
Bei der Union fällt auf, dass mit Nadine Schön (41), Yvonne Magwas (44) und Katja Leikert (49) gleich drei prominente Frauen im mittleren Alter angekündigt haben, dass es ihnen jetzt erst einmal reicht. Schön ist seit 2014 stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion. Magwas wurde 2021 zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt. Leikert ist Obfrau der CDU/CSU-Fraktion im Familienausschuss.
Leikert bezeichnet es als „einen klassischen Frauenabgang“. Auch wenn ihre Kinder nun schon Teenager seien, sei es ihr wichtig, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Das sei auch kein vorgeschobener Grund, denn „es gibt kein Pöstchen in einem Verband, das auf mich wartet“.
Katja Leikert, die fehlende Kita-Plätze und Fragen rund um die Organspende zu ihren Herzensthemen zählt, sagt, sie habe kein Problem mit dem aktuellen Kurs ihrer Partei, sondern sei „der Idee der CDU nach wie vor stark verbunden“ und wolle sich auch weiterhin politisch engagieren.
Beleidigungen und Hetze
Magwas gehört zu den Abgeordneten, die sich für ein AfD-Verbot einsetzen. Sie hat ihren Rückzug aus der aktiven Politik im Juli öffentlich gemacht.
In einer persönlichen Erklärung schrieb sie: „Zur Wahrheit gehört auch, dass das gesellschaftliche Klima in den letzten Jahren erheblich rauer geworden ist, insbesondere in Sachsen (…) Es wird gelogen, diskreditiert, gehetzt; die Demokratie und ihre Institutionen werden von AfD, Freien Sachsen, III. Weg, NPD und wie sie alle heißen, Tag für Tag und systematisch infrage gestellt mit dem Ziel, sie abzuschaffen.“
Als Abgeordnete stehe man dabei besonders im Feuer. „Ich habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch viel Gleichgültigkeit erlebt. Das raubt Kraft“, so Magwas.
Für viele überraschend kam die Ankündigung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (35), der am 7. Oktober erklärte, er gebe aus gesundheitlichen Gründen sein Parteiamt auf und wolle auch nicht mehr kandidieren. Bekannt ist allerdings auch, dass der Druck auf ihn und seinen Lebenspartner sehr groß ist. „Wir gucken uns lieber zweimal um, bevor wir Händchen halten“, erklärte er in einem Interview im August.
Unzufrieden mit der eigenen Politik
Anders verhält es sich bei Canan Bayram (58, Grüne). Die Juristin, die dem linken Flügel der Partei angehört, schrieb in einer öffentlichen Erklärung, sie sei nicht bereit, ein „Feigenblatt für meine Fraktion zu werden, die weniger Menschenrechte als populistische Diskurse in den Fokus ihrer Arbeit nimmt“.
Zu den Themen, für die sich Bayram besonders im Bundestag engagiert hat, zählte jahrelang die inzwischen beschlossene Legalisierung des Cannabiskonsums für Erwachsene.
Auch Gesine Lötzsch (63), die für Die Linke sechsmal in Berlin-Lichtenberg ein Direktmandat geholt hat, nutzte ihre Abschiedserklärung für eine Abrechnung. Sie forderte: „Wir müssen wieder als Friedenspartei erkennbar werden.“
Rückzug aus Altersgründen
Bundestagsneuling Claudia Raffelhüschen von der FDP hat nach einer Wahlperiode genug. Die 55-Jährige begründete ihren Ausstieg unter anderem damit, „dass die Politik der Ampel-Koalition nicht immer mit meinen liberalen Grundüberzeugungen im Einklang steht“.
Für Alexander Gauland (83) und Albrecht Glaser (82) von der AfD ist es die letzte Legislaturperiode im Bundestag. Gleiches gilt für Renate Künast (68, Grüne) und Petra Pau (61, Linke), zwei lang gediente Parlamentarierinnen, die eine erneute Kandidatur ausgeschlossen haben. (dpa/red/sua)
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