Trotz Schuldenbremse-Urteil: Habeck bringt neues Sondervermögen ins Spiel
Angesichts der anhaltenden Haushaltskrise infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein neues Sondervermögen angeregt. Einem Bericht der „Rheinischen Post“ zufolge hat der Minister diese Idee am Donnerstag, 7. Dezember 2023, vorgebracht. Der Rahmen dafür war ein sogenannter Strategiedialog der Automobilwirtschaft Baden-Württemberg.
Ein Sondervermögen zur Beendigung aller Sondervermögen?
Das Sondervermögen, das erneut von der Schuldenbremse ausgenommen sein soll, müsse zweckgebunden Investitionen in die Infrastruktur dienen. Finanzieren solle es die Sanierung von Brücken, den Ausbau der Bahn sowie Bildung, Forschung und Entwicklung.
Flankieren will Habeck dieses „Sondervermögen Zukunft“ durch sogenannte Tax Credits für Unternehmen. Auch mittels solcher Steuergutschriften will der Minister Anreize für private Investitionen setzen.
Das Ministerium bestätigte, dass Habeck solche Gedanken skizziert habe, konkrete Angaben wolle man jedoch unter Verweis auf interne Gespräche nicht kommentieren. Rechtlich wäre ein solches Vorgehen machbar, allerdings müssten Opposition und Länder das Vorhaben mittragen.
Union winkt ab: „Keine weitere Umgehung der Schuldenbremse“
Habecks Idee ist vergleichbar mit dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr. Dieses hatte die Ampel mit den Stimmen der Union im Grundgesetz verankert und auf diese Weise gegenüber dem Bundesverfassungsgericht bestandssicher gemacht.
Eine Verankerung im Grundgesetz würde das entsprechende Sondervermögen im verfassungsmäßigen Normengefüge auf die gleiche Stufe stellen wie die Schuldenbremse. Theoretisch könnte dies mit noch weiteren Sondervermögen geschehen – solange die Richter in Karlsruhe nicht diese Praxis als solche zu einer Aushöhlung des Grundgesetzes erklären.
Im Fall des von Habeck vorgeschlagenen Sondervermögens für die Infrastruktur winkt die Union allerdings bereits jetzt ab. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut betonte gegenüber der „Rheinischen Post“ zwar, dass der Bund gemachte Zusagen an Unternehmer einhalten müsse. Überdies sei eine Missachtung des Urteils der Bundesverfassungsrichter vom 15. November aber nicht akzeptabel:
„Anstatt neue Sondervermögen zu fordern, um damit die Schuldenbremse abermals zu umgehen, sollte die Bundesregierung nun zügigst ihre Hausaufgaben machen.“
„Ampel hat Vertrauen verspielt“
Auch die Union im Bund ist nicht bereit, der Ampel in dieser Frage Zugeständnisse zu machen. Zwar hatte diese das Sondervermögen Bundeswehr unter dem Eindruck des Ukrainekrieges mitgetragen. Mit Blick auf eine weitere Konstruktion dieser Art erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU, Thorsten Frei, hingegen:
„Für ein weiteres Sondervermögen fehlt die Grundlage.“
Zudem, so betont er gegenüber der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe), habe die Ampel ihr Vertrauen verspielt. Sie habe „das Sondervermögen für die Bundeswehr ganz anders eingesetzt, als es ursprünglich vereinbart war“.
Die Ampel zeige „eine erstaunliche Kreativität, wie sie die Schuldenbremse austricksen könnte“. Dies sei jedoch eine „Sackgasse“. Der Staat könne sich auf Rekordeinnahmen stützen. Deshalb gebe es keinen Grund, die Schulden weiter in die Höhe zu treiben.
DIW nennt geplantes Sondervermögen „eine kluge Lösung“
Rückenwind bekommt Habeck hingegen vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW). Dessen Vorsitzender Marcel Fratzscher sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Diese müsse „die politische Krise schnellstmöglich lösen und dies auch überzeugend tun“.
Fratzscher äußerte gegenüber der „Rheinischen Post“, das von Habeck angeregte große Sondervermögen für Klimaschutz und Infrastruktur sei „eine kluge Lösung“. Die Bundesregierung zeige so, dass sie alle ihre Versprechen einhalten werde.
Demgegenüber seien Ausgabenkürzungen – etwa bei Sozialleistungen – entweder kaum machbar oder würden kurzfristig kaum Einsparungen bringen. Deshalb müsse die Ampel eine „klare Priorität für Zukunftsinvestitionen“ setzen, die „über zusätzliche Schulden und nicht stärkere steuerliche Belastungen finanziert“ würden. Eine „Reform der Schuldenbremse“ sei hingegen „mittelfristig notwendig“.
Habecks Beirat für Umgestaltung der Schuldenregel
Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hatte jüngst Änderungen in der Konzeption der Schuldenbremse gefordert. Man plädierte insbesondere für eine Trennung bezüglich der Finanzierung von Konsumausgaben wie Sozialtransfers und von substanzerweiternden Nettoinvestitionen.
Für das Letztgenannte solle die Schuldenbremse fallen, da diese sonst einen erforderlichen Ausbau der Infrastruktur verhindere. Außerdem solle der zeitliche Rahmen für die längerfristige Finanzplanung erweitert werden.
Kritiker weisen darauf hin, dass eine Unterscheidung zwischen staatlichen Konsum- und Transferausgaben und staatlichen Investitionen nicht immer trennscharf möglich ist. Bezüglich beider Kategorisierungen gebe es erheblichen Interpretationsspielraum. Der Beirat plädierte deshalb für eine Kontrolle des Gebarens durch ein unabhängiges Expertengremium oder den Bundesrechnungshof. Diese könnte man auch mit einem Vetorecht ausstatten.
Ex-ifo-Chef Sinn warnt vor „sehr hohen Inflationsraten“ bei Aufweichung der Schuldenbremse
Das ifo Institut und die Wirtschaftsweise Veronika Grimm raten demgegenüber dringend von einer Aufweichung der Schuldenbremse ab. Diese trage selbst zu einer Sanierung des Bundeshaushalts bei, erklärte Professor Niklas Potrafke. Kredite wären günstiger, es könne mehr Geld investiert werden, weil die Zinszahlungen geringer seien.
Grimm betonte, dass eine Reform der Schuldenbremse kurzfristig ohnehin nicht machbar sei, weil diese sorgfältig abgewogen und vorbereitet werden müsse. Der frühere ifo-Chef Hans-Werner Sinn warnte gegenüber der „Wirtschaftswoche“, eine Aufweichung staatlicher Schuldengrenzen würde „die Wiederkehr sehr hoher Inflationsraten“ ermöglichen.
Am 15. November hatte das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt für 2021 für verfassungswidrig erklärt. Die Umschichtung von 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Fonds in den Klima- und Transformationsfonds sei eine Umgehung der Schuldenbremse gewesen. Der Bund dürfe sich Notkredite nicht auf Vorrat sichern.
(Mit Material von dts und dpa)
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