Trotz Lauterbachs Legalisierungsplänen: Cannabis bleibt vorerst verboten

Das Cannabisverbot in Deutschland verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal bestätigt. Der Bernauer Jugendrichter und Legalisierungsbefürworter Andreas Müller zeigte sich entsetzt über den Beschluss. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug.
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Symbolbild: Ein Joint und ein Tütchen „Gras“. Das Bundesverfassungsgericht sieht keinen Grund, seinen repressiven Standpunkt zu Cannabis zu verändern: Seit dem letzten Beschluss von 1994 habe sich nichts Grundsätzliches an den Zielen des Betäubungsmittelgesetzes geändert.Foto: iStock
Von 14. Juli 2023

Solange es keine anderslautenden Gesetze gibt, bleibt es bei einem Cannabisverbot in Deutschland und dem entsprechenden Strafkatalog. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe noch einmal klargestellt. Zuvor hatten drei Amtsrichter in Deutschland vergeblich versucht, die Strafnormen aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) für verfassungswidrig erklären zu lassen.

Am 11. Juli hatte die 3. Kammer des Zweiten-BVerfG-Senats eine Pressemitteilung zum Thema veröffentlicht. Der ihr zu Grunde liegende Beschluss datiert allerdings bereits vom 14. Juni 2023. Die Karlsruher Verfassungsrichter wiesen darin drei „inhaltlich nur geringfügig voneinander abweichende“ Richtervorlagen der Amtsgerichte Bernau bei Berlin (BB), Münster (NRW) und Pasewalk (MV) als unzulässig zurück.

Es habe den Vorlagen bereits an der „Entscheidungserheblichkeit“ und an den „erhöhten Begründungsanforderungen“ gemangelt. Die Vorlagen zeugten zudem von einem „unzutreffenden Verständnis der Maßstäbe für eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Strafnormen“, kritisierte das BVerfG.

Kein „Recht auf Rausch“

Somit sah das höchste deutsche Gericht keinen Grund, seine eigene Entscheidung vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145 ff.) abzuändern. Schon damals hatten die Richter festgestellt, dass in Deutschland kein staatlich geschütztes „Recht auf Rausch“ existiere. Der „Umgang mit Drogen, insbesondere das Sichberauschen“ gehöre „nicht zum unbeschränkbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung“.

Besitz, Handel, Einfuhr, Abgabe und der Erwerb von Cannabisprodukten bleibe aus gutem Grund verboten, denn die „Annahme gänzlich fehlender Gefährlichkeit von Cannabis sei […] weiterhin ungesichert“. An der Sach- und Rechtslage habe sich bis heute nichts geändert. Somit bleibe es bei der Strafbewehrung mit Geld- oder Freiheitsstrafen nach den Paragraphen 29, 30 und 31 des Betäubungsmittelgesetzes. Diese „Strafnormen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen“, sei nicht Aufgabe der Justiz, sondern des „demokratisch legitimierten Gesetzgebers“, argumentierten die Karlsruher.

Drei Amtsrichter wollten Strafpraxis beenden

Die drei legalisierungsfreudigen Amtsrichter aus Bernau, Münster und Pasewalk hatten nach Angaben des BVerfG zuvor „mehrere Strafverfahren, in denen es jeweils um strafbewehrte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Umgang mit Cannabisprodukten ging, ausgesetzt“.

Sie waren der Ansicht, dass es sich um „unverhältnismäßige Eingriffe“ in die Handlungsfreiheit, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in die Freiheit der Angeklagten gehandelt hätte, die Cannabissünder getreu den Buchstaben des Gesetzes zu verurteilen.

Deswegen hätten sie das BVerfG gebeten, die BtMG-Strafparagraphen nach beinahe 30 Jahren Stillstand erneut einer „verfassungsrechtlichen Prüfung“ zu unterziehen.

Wie der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (rbb) berichtete, verlieh speziell der Bernauer Amtsrichter Andreas Müller seinem Entsetzen über den Beschluss auf seinem Twitterkanal „Jugendrichter Müller“ einen äußerst emotionalen Ausdruck.

Amtsrichter Müller: Unverständnis für Verfolgung von Millionen

Den Tränen nahe sprach der Bernauer Jurist vor der Kamera von einem „Schockzustand“: Er „verstehe nicht, warum man weiter und weiter Millionen von Menschen verfolgen“ wolle. „Es wäre Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, zu sagen, jetzt ist Schluss, es reicht“, meinte Müller. Selbst der amerikanische Präsident habe von „tiefstem Unrecht“ gesprochen.

Müllers Feldzug für die Cannabislegalisierung war sogar der „New York Times“ (Bezahlschranke) einen Artikel wert gewesen.

In einem weiteren aktuellen Tweet griff Müller zu einem historischen Vergleich:

Wie Jahrzehnte die Homosexuellen- und Frauenverfolgung gebilligt wurde, billigen sie jetzt weiter die Cannabis-Verfolgung.“

Er selbst sei durch jahrelange Erfahrungen als Jugendrichter zu dem Standpunkt gelangt, dass das 1994er-BVerfG-Urteil längst nicht mehr zeitgemäß sei, berichtet der rbb. Es stehe nach Müllers Meinung inzwischen fest, dass das „Suchtpotential [sic] von Cannabis“ als „wesentlich geringer“ einzuschätzen sei als das Suchtpotenzial von Nikotin oder Alkohol. Ursprüngliche Annahmen über die Gefahr langfristigen Konsums hätten sich nicht als richtig erwiesen.

Müller, so der rbb, setze sich schon seit Jahren für die Legalisierung von Cannabis und für ein Umdenken in der „gescheiterten Drogenpolitik“ ein.

BVerfG: Alkohol noch schädlicher, aber…

Die beiden BVerfG-Richterinnen Dr. Sybille Kessal-Wulf, Prof. Astrid Wallrabenstein und der BVerfG-Richter Thomas Offenloch waren aber Müllers Argumenten nicht gefolgt: Es sei nach wie vor „nicht belegt“, ob Cannabis „völlig ungefährlich“ sei.

Außerdem, so die Verfassungsrichter laut rbb, gehe es beim Betäubungsmittelgesetz vor allem darum, „nicht nur den einzelnen Konsumenten, sondern insbesondere Jugendliche“ zu schützen und „den Kampf gegen die organisierte Kriminalität“ führen zu wollen. Aus ihrer Sicht sei es auch kein stichhaltiges Argument, dass manch andere Staaten ihre Drogenpolitik längst gelockert hätten.

Dem Bundesverfassungsgericht sei zwar schon 1994 klar gewesen, dass Alkohol durchaus „schädlicher und gefährlicher sei als Cannabis“. Alkoholkonsum aber lasse sich nach Einschätzung des Verfassungsgerichts „wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden“.

Der Berliner Rechtsanwalt und Journalist Hasso Suliak kommentierte den aktuellen BVerfG-Entscheid bei „Legal Tribune Online“ (LTO) als „ein verheerendes politisches Signal“, das zudem in einem „belehrende[n] und mitunter despektierlich-genervte[n] Ton“ gegeben worden sei. Zudem zeuge der Beschluss von einer „bemerkenswert tiefen Ablehnung der Kammer gegenüber einer liberalen Cannabispolitik“.

Noch ein weiter Weg bis zum ersten legalen Joint

Das Thema Cannabislegalisierung hatte schon im Wahlkampf 2021 eine gewisse Rolle gespielt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will nun bald Nägel mit Köpfen machen. Ihm schwebt ein „Zwei-Säulen-Modell“ vor.

In einem ersten Schritt will Lauterbach den Besitz von 25 Gramm Cannabis für Erwachsene straffrei stellen lassen. Außerdem soll es Menschen ab 18 Jahren erlaubt sein, maximal drei Hanfpflanzen für den Eigenkonsum selbst anzubauen. Auch ein gemeinschaftlicher nichtkommerzieller Anbau soll in „Cannabis Social Clubs“ gestattet sein. Ein Referentenentwurf für Säule eins liegt seit Ende Juni 2023 vor (PDF). Das Papier wurde nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bereits in „die Ressortabstimmung“ übergeben. Danach müssen erst Länder und Verbände gehört werden, bevor es zur Lesung in den Bundestag geht.

Der Gesetzentwurf zur zweiten Säule soll laut BMG noch im Laufe des Jahres 2023 ausformuliert werden. Dabei soll es um die Etablierung von „regionalen Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten“ gehen. Solche Pläne machten allerdings eine Prüfung durch die Europäische Kommission erforderlich, heißt es beim Ministerium.

Die Freigabe von Cannabis (auch „Marihuana“ oder „Gras“) als Rausch- oder Heilmittel wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Gegner der Legalisierung argumentieren mit vielfältigen negativen Folgen.



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