Trotz großer Ankündigungen: Deutschland liefert seit Ende März kaum Waffen
Die Bundesregierung hat ihre militärische Unterstützung der Ukraine in den vergangenen neun Wochen offenbar auf ein Minimum reduziert. Bisher lehnte es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Verweis auf Abstimmungen mit Nato-Verbündeten ab, deutsche Kampf- und Schützenpanzer zu liefern. Aber wie aus Dokumenten aus ukrainischen Regierungskreisen hervorgeht, über die die „Welt am Sonntag“ berichtet, lieferte Deutschland seit Ende März auch kaum mehr nennenswerte leichte Waffen.
Zwischen dem 30. März und dem 26. Mai trafen demnach nur zwei Waffenlieferungen der Bundesregierung in der Ukraine ein. Beide beinhalteten lediglich Kleinstgerät. Mitte Mai schickte Deutschland laut Ukraine zwar 3.000 Panzerabwehrminen und 1.600 speziellere Richtminen zur Panzerabwehr. Das Hauptproblem der ukrainischen Armee sei derzeit aber die überlegene russische Feuerkraft im Osten des Landes. Dieser kann sie mit Minen wenig entgegensetzen.
Eine weitere Lieferung der Bundesregierung hatte die Ukraine demnach einen Monat zuvor erreicht. Darin waren nur Ersatzteile für Maschinengewehre, „Anzündmittel“, Sprengschnüre, Funkgeräte, Handgranaten, Sprengladungen und Minen enthalten.
Die letzte Lieferung von Luft- und Panzerabwehrwaffen erfolgte laut Ukraine am 25. März und liegt damit mehr als zwei Monate zurück. Sie beinhaltete 2.000 Raketen für die Panzerfaust 3 und 1.500 Luftabwehrraketen des Typs Strela.
Keine Informationen vom Verteidigungsministerium
Auf Anfrage teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums mit: „Die Informationen zu konkreten Waffenlieferungen sind sicherheitsrelevant und eingestuft, sodass ich um Verständnis bitte, weder nähere Informationen mitteilen noch Einzelheiten bestätigen zu können.“ Auch bei den angekündigten Lieferungen der ersten 15 Gepard-Flugabwehrpanzer an die Ukraine kommt es wohl weiter zu Verzögerungen.
Wie die „Welt am Sonntag“ nach eigenen Angaben aus Kiewer Regierungskreisen erfuhr, hänge das mit der Ausbildung der ukrainischen Soldaten an den deutschen Panzern zusammen. Demnach starte die Ausbildung der ersten 45 Soldaten erst am 13. Juni und ende am 22. Juli.
Für die zweite Gruppe Soldaten gehe es am 18. Juli los und ende am 26. August, weshalb die 15 weiteren Geparde erst Ende August geliefert würden. Die Bundesverteidigungsministerin teilte auf Anfrage mit, dass es sich „um ein Exportvorhaben der Industrie“ handele. „Auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten und die Lieferung von Munition liegen in Verantwortung der Industrie“, so eine Sprecherin.
Robert Habeck: Berlin kann nicht alle Wünsche der Ukraine erfüllen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: „Während wir reden, werden gerade ukrainische Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 ausgebildet.“ In Kürze werde Deutschland diese Waffen in die Ukraine liefern. „Es ist also keineswegs so, dass Deutschland nichts oder zu wenig liefert.“ Richtig sei, dass Berlin nicht alle Wünsche der Ukraine erfüllen könne. „Daraus entsteht ein gewisses Spannungsverhältnis“, meinte Habeck.
Befragt dazu, ob es in dieser Frage ein Spannungsverhältnis in der rot-grün-gelben Regierung gebe, sagte Habeck: „Es ist in Ordnung, dass verschiedene Meinungen zu einem Abwägungsprozess führen.“ Insgesamt sei aber eine Menge geschehen. „Ich finde, der Vorwurf, Deutschland tue zu wenig, ist so falsch wie erklärbar: Falsch, weil es nicht stimmt. Und erklärbar, weil wir als größte Volkswirtschaft der EU ein Land sind, von dem man zu Recht viel erwartet, und weil Deutschland in den vergangenen Jahren ein zu unkritisches Verhältnis zur russischen Regierung gepflegt hat.“
Michael Roth: Möglichkeiten der Bundeswehr sind sehr eingeschränkt
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Michael Roth (SPD), sagte am Samstag im Deutschlandfunk zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine: „Es ist komplizierter, als es manchmal scheint. Ich unterstelle niemandem eine böse Absicht. Aber wir alle wissen inzwischen, dass die Möglichkeiten der Bundeswehr selbst sehr eingeschränkt sind, aus eigenen Beständen zu liefern.“
Man habe sich jetzt auf sehr komplizierte Verfahren verständigt, etwa auf den sogenannten Ringtausch, sagte Roth. „Das heißt, die Länder, die noch aus sowjetischer Produktion Waffen haben, stellen sie schnell der Ukraine zur Verfügung. Wir kompensieren das dann durch eigene, modernere Waffen.“ Aber auch hier gebe es Diskussionen mit den osteuropäischen Partnern darüber, was das denn eigentlich für Waffen seien. „Diese Partner wollen das modernste Gerät haben. Aber das haben wir selber nur sehr begrenzt.“ (dts/dpa/red)
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