Trauer nach Hirntod von Jugendfußballer: „Dunkelste Stunde“

Schock und Trauer: In Frankfurt wird ein Berliner Fußballer bei einem Streit von Jugendlichen schwer verletzt. Politiker und Funktionäre sind mit einem wachsenden Problem konfrontiert.
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Einer der vielen Notarzt-Einsätze.Foto: iStock
Epoch Times31. Mai 2023

An Fußball ist beim Jugendfußballclub Berlin derzeit nicht zu denken. „Absetzung“ lautet der angesichts der dramatischen Ereignisse ziemlich technisch klingende Hinweis auf der Terminseite Fußball.de zu dem für heute Abend ursprünglich geplanten Spiel der B-Jugend des JFC gegen Hertha 03 II. Diese schlichte Information ist auch auf der Website des Vereins zu sehen.

Es wird getrauert beim JFC Berlin. Aber nicht nur beim Verein aus dem Hauptstadt-Bezirk Lichtenberg sitzt der Schock über den Hirntod eines 15-Jährigen aus der U17-Jungenmannschaft der Ost-Berliner tief.

Handgemenge zwischen den Spielern

Die gewalttätigen Ereignisse unter Jugendfußballern bei einem Turnier in Frankfurt/Main, die am Pfingstsonntag zu den fatalen Verletzungen des Nachwuchsspielers führten, beschäftigen die Justiz. Und sie führen erneut zu Betroffenheitsbekundungen bei Politikern und Fußball-Funktionären.

Fußball und Gewalt, das ist ein längst bekanntes Phänomen, gerade auf lokalen Sportplätzen und – immer öfter auch im Juniorenbereich. Die Ereignisse beim „Germany Cup“ in Hessen sind aber in ihrer Dimension besonders dramatisch.

Nach dem Halbfinale des JFC gegen das französische Team der Jugendakademie vom FC Metz, das die Berliner gewonnen hatten, kam es Berichten zufolge zu einem Handgemenge zwischen den Spielern beider Teams. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf das Amtsgericht heute berichtete, soll der aus Frankreich stammende Beschuldigte zunächst einen anderen Gegenspieler angegriffen und ihm mit beiden Fäusten ins Gesicht geschlagen haben.

Anschließend habe er den 15-Jährigen in den Schwitzkasten genommen und in die Magengegend geschlagen. Dieser habe sich zunächst befreien und weggehen können. Der Beschuldigte sei ihm nachgelaufen und habe ihm von hinten einen festen Schlag auf den Kopf gegeben. Als der Jugendliche zusammenbrach, sei er weggegangen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte den Ablauf.

Die schreckliche Diagnose: Hirntod. Sie bedeutet, dass die noch funktionsfähigen Organe des 15-Jährigen nur durch Maschinen am Leben gehalten werden. Bei Bewusstsein ist das Opfer nicht, eine Rückkehr ins Leben gilt als medizinisch ausgeschlossen. Das Todesopfer wird nach Informationen der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) Organspender.

Fall soll aufgeklärt werden

Der mutmaßliche Täter wurde den Angaben zufolge festgenommen und kam am Montag in Untersuchungshaft. „Der Haftbefehl geht bislang von gefährlicher und schwerer Körperverletzung aus“, sagte die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Nadja Niesen, der dpa. „Da der Geschädigte mittlerweile hirntot ist, wird es jetzt um den Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge gehen.“

Gesucht werden Zeugen. Videos und Fotos können online an die Polizei geschickt oder auf einer speziellen Seite hochgeladen werden.

Der mutmaßliche Täter beteuert laut Mitteilung seines Vereins, das Opfer nicht absichtlich verletzt zu haben. Der FC Metz stehe den Behörden zur Aufklärung der Vorfälle zur Verfügung. Der JFC teilte auf seiner Homepage mit, sich aus Respekt vor dem Opfer und dessen Familie derzeit nicht öffentlich äußern zu wollen.

Ein Sportplatz im Frankfurter Stadtteil Eckenheim wird zum traurigen Symbol einer bedenklichen Entwicklung. Regelmäßig wurden zuletzt Gewaltfälle publik. Vor einem Jahr attackierte ein wütender Vater auf einem Sportplatz in Berlin einen Jungen im Teenager-Alter, der zuvor seinen Sohn gefoult hatte. Im Laufe der Auseinandersetzung wurde ein Messer gezückt.

Prominente Reaktionen

Die grundsätzliche Problematik einer fortschreitenden Enthemmung auf den Sportplätzen ist den Verbänden bekannt. Der Deutsche Fußball-Bund hat schon vor fast einem Jahrzehnt die AG Fair Play und Gewaltprävention gegründet. „Der Fußball hat kein Gewaltproblem. Aber Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das daher auch den Fußball betrifft“, sagte deren Leiter Gunter A. Pilz, der wohl bekannteste Forscher zum Thema Fußball-Gewalt.

Ob das Drama um den JFC-Spieler zu neuen Präventionsaktionen führt? Betroffen reagierten Entscheider auf allen Ebenen. „Dass nach einem Fußballspiel in Frankfurt a. M. ein junger Spieler aus dem Leben gerissen wurde, macht mich fassungslos, lässt mich sprachlos zurück. Ich wünsche den Angehörigen, den Freundinnen & Freunden, dem Team unendlich viel Kraft in dieser dunkelsten Stunde“, schrieb Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD).

Berlins Fußballverbands-Präsident Bernd Schultz wurde in einer Mitteilung zitiert: „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten in diesen schwierigen Stunden allen Angehörigen und den Teammitgliedern des betroffenen Spielers.“ Man stehe dem Verein, wo es gehe, zur Seite.

Ähnliche Worte kamen aus Hessen: „Wir sind schockiert darüber, dass ein Jugendlicher durch Gewalt auf einem hessischen Fußballplatz um sein Leben kämpft. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des Jungen“, sagte die Vizepräsidentin des Hessischen Fußball-Verbands und DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning.

Ein Gewaltproblem?

Der Berliner Fußball-Verband notierte in der Spielzeit 2021/22 insgesamt 1.936 Ereignisse, die die Sportgerichtsbarkeit beschäftigten oder in Spielberichten notiert wurden. Physische und verbale Vergehen halten sich dabei ungefähr die Waage. Besonders bedenklich aber: 43,5 Prozent der Fälle wurden im Jugendfußball registriert.

Der JFC war 2010 gegründet worden, um ein Lebensgefühl zu vermitteln, das eben jener Gewalt abschwört, deren Opfer nun einer seiner Spieler geworden ist. „Mentale Werte, wie das kameradschaftliche Verhalten innerhalb einer Gemeinschaft sowie der faire Umgang miteinander, stehen bei uns im Vordergrund“, heißt es auf der Website. „Fair Play“ sei das „oberste Gebot“. (dpa)



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