Transparenz-Vorstoß: Polizei NRW soll künftig Täter-Nationalität nennen – Presserat lobt Entscheidung
In Presseauskünften soll in Nordrhein-Westfalen künftig die Nationalität aller Tatverdächtigen genannt werden, wenn diese zweifelsfrei feststeht.
Der Erlass zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in NRW werde derzeit entsprechend überarbeitet, teilte das Innenministerium am Montag in Düsseldorf mit. Reul, der sich auch den Kampf gegen die kriminellen Groß-Clans auf die Fahnen geschrieben hat, sagte:
Ich werbe seit meinem Amtsantritt um Transparenz. Das sollten wir in Zukunft auch in der Pressearbeit der Polizei noch konsequenter umsetzen.“
(Herbert Reul, Innenminister)
Künftig solle gelten: „Wir nennen alle Nationalitäten von Tatverdächtigen, die wir sicher kennen – selbstverständlich auch die von deutschen Tatverdächtigen.“
Reul will mit diesem Schritt der Offenheit offenbar auch wilde Spekulationen und Stimmungmache unterbinden: „Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Transparenz das beste Mittel gegen politische Bauernfängerei ist.“ Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet.
Presse- statt Behörden-Entscheidung
Im bisherigen Erlass heißt es: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist.“
Der Deutsche Presserat begrüßte, „dass die Polizei der Presse die Information über die Nationalität von Tatverdächtigen zur Verfügung stellt“. Presseratssprecher Volker Stennei sagte weiter:
Die Entscheidung, ob die Nationalität für die Berichterstattung relevant ist, muss jede ethisch gebundene Redaktion sorgsam selbst abwägen und treffen. Das kann und darf keine Behörde entscheiden.“
(Volker Stennei, Deutscher Presserat)
Außerdem erklärte Stennei: „Allein die Tatsache, dass eine Behörde die Nationalität nennt, rechtfertigt nicht die Verwendung in der Berichterstattung.“ Nach der entsprechenden Richtlinie des Presserates müsse „ein begründetes öffentliches Interesse an der Herkunft eines Tatverdächtigen bestehen“. Dies sei zumeist bei besonders schweren Taten wie Mord oder Terrorismus gegeben. Der Pressekodex empfiehlt in Richtlinie 12.1, in der Berichterstattung über Straftaten außerdem darauf zu achten, „dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt“.
Handhabung in Deutschland
Innerhalb Deutschlands ist die Praxis nicht einheitlich: In Schleswig-Holstein etwa soll die Nationalität weiterhin nur dann genannt werden, wenn der Sachzusammenhang das erforderlich mache. „Diese Regelung hat sich bewährt“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Auch in Baden-Württemberg ist in Presseauskünften der Polizei keine generelle Nennung der Nationalität von Verdächtigen bei Straftaten geplant. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte in Stuttgart, die Nationalität werde in Abstimmung mit den beteiligten Staatsanwaltschaften und Gerichten dann veröffentlicht, wenn sie bei der Beurteilung einer Straftat eine Rolle spiele – bei einfachen Körperverletzungen zum Beispiel werde sie nicht genannt.
Pressekodex, nicht Polizeikodex
In Thüringen gibt es nach Angaben des Innenministeriums weder einen Erlass zur Nennung von Nationalitäten in Pressemitteilungen, noch sei ein solcher in Planung, heißt es aus dem Hause von Innenminister Georg Maier (SPD).
Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Polizeibeamten, zu entscheiden, ob die Nennung der Nationalität relevant für das Tatgeschehen ist.“
(Innenministerium Thüringen)
Dabei sollen sich die Polizisten am Pressekodex orientieren, wie eine Sprecherin der Landespolizeidirektion ergänzte. „Letztlich muss von Fall zu Fall entschieden werden“, sagte die Sprecherin.
Zensur durch Informationsblockade?
In Rheinland-Pfalz sei kein Erlass geplant, bei Presseauskünften künftig die Nationalität aller Tatverdächtigen zu nennen, so weit diese zweifelsfrei feststehe, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz. Sie werde genannt, sofern dies aus Ermittlungsgründen für sinnvoll gehalten werde oder wenn in Übereinstimmung mit dem Pressekodex „ein begründetes öffentliches Interesse“ bestehe.
Allerdings: Der Pressekodex stellt eine freiwillige Selbstverpfllichtung für Journalisten und Verleger, nicht für Staatsbeamte, wie Polizisten beispielsweise. Es unterliegt somit der Entscheidung der Presse und nicht der staatlichen Vorgabe, was berichtet werden darf und was nicht.
(dpa/sm)
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