Tönnies, Laschet und die Corona-Quarantäne: 750 Meter Bauzaun für 680 Menschen

Am 20. Juni, am Samstagnachmittag, wurde binnen zwei Stunden in Verl-Sürenheide, Kreis Gütersloh, Wohnblocks eingezäunt, in denen Arbeiter von Tönnies ab sofort unter Quarantäne stehen. Allerdings leben dort nicht nur Mitarbeiter von Tönnies. Und Mitarbeiter von Tönnies leben nicht nur in Verl.
Von 22. Juni 2020

Die in Verl-Sürenheide in mehreren Wohnblocks wohnenden 680 Menschen wurden überrumpelt, während 750 Meter Bauzaun um ihre Häuser gezogen werden. Sie wurden optisch sichtbar in Quarantäne eingeschlossen – und milde im Vergleich zu dem, was man aus China kennt, wo Türen zugeschweißt wurden.

Der Aufbau erfolgte durch 50 Kräfte der Feuerwehr, 10 Mitarbeitern der Verwaltung und 20 des Bauhofes. Hinzu kamen zwei Polizeizüge und Einsatzkräfte des Sicherheitsdienstes, wie die „Welt“ schrieb. Die Bereitschaftspolizei sperrt das Gebiet ab.

Unter den 680 Menschen gab es mehr als 100 positive Tests auf COVID-19; hier leben den Behörden zufolge auch 60 Kinder und Jugendliche, 20 seien unter drei Jahre alt.

Bundeswehr und Dolmetscher im Einsatz

Bürgermeister Michael Esken (CDU) erklärte vor Ort 150 der Bewohner arbeiten nicht für Tönnies, sondern für andere Unternehmen in der Region“.

Laut Postings auf Twitter waren am „Kreis GT 32 ‚mobile Teams‘, u.a. mit Soldat*innen der Bundeswehr (auch aufgrund osteuropäischer Sprachkenntnisse) im Einsatz.“

Dabei soll die Anzahl der Teams, die aus jeweils einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes, einem Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, einem Soldat der Bundeswehr sowie bei Bedarf Dolmetschern bestehen, am Montag „deutlich erhöht“ werden.

Zuvor verschwanden einige Männer

Neben den Bauzäunen zog ein Sicherheitsdienst auf, der nun 24 Stunden am Tag dafür sorgen soll, dass keiner mehr rauskommt. Allerdings ist bekannt, dass am Vorabend, so die „Welt“, etwa „15 Männer mit Koffern und Sporttaschen zu Fuß aus Richtung der Unterkünfte an den Parkplatz einer wenige Hundert Meter entfernten Gaststätte“ kamen und dort warteten. Wo sie hin seien, wüsste keiner.

Die Kreisverwaltung bestätigte „vermehrte Mobilität“, Gerüchten zufolge sollen weitere Arbeiter von Tönnies verschwunden sein. In den kommenden Tagen soll geprüft werden, wer in den jetzt isolierten Wohnungen lebe, wie die „Welt“ schreibt.

Bei Tönnies arbeiten viele Menschen aus osteuropäischen Ländern, die die Wuhan-Lungenseuche womöglich in ihre Heimatländer bringen könnten. Es sei nicht auszuschließen, dass erkrankte Mitarbeiter bereits „nach Hause gefahren sind“, räumte der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), am Sonntag bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Laschet ein.

Quarantäne schwer zu überwachen – es gibt 7.000 Beschäftigte an 1.300 Wohnanschriften

Die Behörden versuchten alles zu tun, damit Tönnies-Beschäftigte „nicht plötzlich verschwinden“, versicherte der Landrat. Zugleich gab Adenauer zu, dass es bei knapp 7.000 Menschen an 1.300 Wohnanschriften „verdammt schwer“ sei, die Einhaltung der Quarantäne zu überwachen.

Wie „Radio Bielefeld“ berichtet, halten sich viele Mitarbeiter von Tönnies nicht an die Quarantäne. In Bielefeld leben um die 168 Mitarbeiter des Unternehmens, sie werden und wurden vom Ordnungsamt aufgesucht.

Am Wochenende wurden an 27 von 121 aufgesuchten Adressen keiner angetroffen. In einem Fall musste die Polizei gerufen werden, um die Personalien festzustellen. In Bielefeld gibt es bislang 9 Infektionen, die auf Mitarbeiter von Tönnies zurückführbar sind – ein Drittel aller aktuell Erkrankten.

Auch aus Paderborn gibt es Corona-Tönnies-Fälle, auf Twitter ist die Rede von 10.



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