Tiefer Sturz: Kommunale Kassen so leer wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr

Die deutschen Kommunen haben 2024 das höchste Finanzierungsdefizit seit den 1990er-Jahren verzeichnet. Trotz steigender Einnahmen kletterten die Ausgaben noch schneller, insbesondere für Personal, Sozialleistungen und Zinsen. Laut Statistischem Bundesamt mussten viele Städte und Gemeinden auf Rücklagen zurückgreifen oder Kredite aufnehmen.
«Die Sozialausgaben laufen uns davon», sagt der Präsident des Deutschen Städtetages (Illustration).
Die Kommunen kommen finanziell immer stärker unter Druck.Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Von 2. April 2025

Die Kommunen in Deutschland haben im Jahr 2024 das höchste kommunale Finanzierungsdefizit seit den 1990er-Jahren verzeichnet. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Dienstag, 1. April, hervor. Diese fasst schon jetzt einige wesentliche Entwicklungen zusammen, die im statistischen Bericht „Vierteljährliche Kassenergebnisse der Kern- und Extrahaushalte des öffentlichen Gesamthaushalts“ präsentiert werden. Dieser soll in der zweiten Aprilhälfte veröffentlicht werden.

Größte Deckungslücke der Kommunen seit der Wiedervereinigung

Die kommunalen Kern- und Extrahaushalte der Kommunen wiesen im Jahr 2024 ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 24,8 Milliarden Euro auf. Im Jahr davor hatte es sich insgesamt auf 6,6 Milliarden Euro belaufen. Zwar stiegen die Einnahmen um 7,6 Prozent und bei den Steuereinnahmen gab es immerhin noch ein Plus von etwa 1,5 Prozent.

Die Ausgaben insgesamt stiegen jedoch im gleichen Zeitraum um 12,6 Prozent. Den vorläufigen Ergebnissen zufolge waren 6,2 Prozent aller Ausgaben der Kommunen nicht durch reguläre Einnahmen gedeckt. Diese mussten entweder ihre finanziellen Reserven angreifen oder Kredite aufnehmen.

Bislang lag die größte Deckungslücke seit der Wiedervereinigung bei minus 5,8 Prozent im Jahr 1992, selbst in den Jahren der Weltfinanzkrise waren es lediglich im Schnitt minus 4 Prozent. Die größten Überschüsse in diesem Bereich gab es in den Jahren 2007 und 2008. Allerdings war der Finanzierungssaldo auch zwischen 1998 und 2000 sowie von 2012 bis 2022 jeweils im positiven Bereich.

Hohe Tarifabschlüsse schlagen sich in Personalkosten nieder

Die Defizite entstanden dabei vorwiegend in den Kernhaushalten. Zwar hat sich auch jenes in den Extrahaushalten von 0,3 auf 0,5 Milliarden Euro erhöht. In der Gesamtbetrachtung stellt dies jedoch einen überschaubaren Anteil dar. Die Summe der bereinigten Haushalte der Gemeinden- und Gemeindeverbände – ohne Stadtstaaten – stieg 2024 um 29,4 auf 362,7 Milliarden Euro.

Den größten prozentualen Beitrag zum Ausgabenplus steuerten die Zinsausgaben bei. Diese legten von 2,434 auf 3,215 Milliarden Euro zu – was 32,1 Prozent entsprach. Gemessen an den Gesamtausgaben waren es jedoch vor allem jene für Personal, die eine tragende Rolle spielten. Sie stiegen von 80,9 auf 88,1 Milliarden Euro und damit um 8,9 Prozent. Gründe dafür waren hohe Tarifabschlüsse und zusätzliche Einstellungen.

An zweiter Stelle unter den Einzelposten lag der Aufwand für die sozialen Leistungen. Dieser wuchs um 11,7 Prozent oder 8,9 Milliarden Euro auf insgesamt 84,5 Milliarden Euro. Dabei waren vor allem die Anpassungen der Regelsätze bei der Sozialhilfe und beim Bürgergeld relevant. Letztgenanntes war zum 1. Januar 2024 um etwa 12,2 Prozent angepasst worden, um Inflationsfolgen zu lindern. Für 2025 gab es keine Erhöhung mehr.

Überdurchschnittliches Plus bei Kinder- und Jugendhilfe

Die Leistungen zur Sozialhilfe nach SGB XII stiegen im Vorjahr um 12,4 Prozent auf 21,1 Milliarden Euro. Diese sind nicht zu verwechseln mit dem Bürgergeld, das als Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II bezahlt wird. Dieses wird hauptsächlich aus Bundesmitteln finanziert. Im Bundeshaushalt waren für diese Leistung 29,7 Milliarden Euro für das Jahr 2024 eingeplant.

Die Kommunen tragen allerdings neben der Sozialhilfe nach SGB XII auch die Ausgaben zur Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII. In diesem Bereich stiegen diese um 17,1 Prozent auf 18,3 Milliarden Euro. Um 13,6 Prozent auf 22,7 Milliarden Euro wuchsen die Ausgaben für Eingliederungshilfen nach SGB IX.

Im Bereich des Bürgergelds sind die Kommunen für Unterkunfts- und Heizungskosten sowie für Leistungen nach dem Bildungspaket zuständig. Diese stiegen 2024 um 4,4 Prozent auf 15,4 Milliarden Euro. Der Bund steuerte zehn Milliarden Euro zu den Unterkunfts- und Heizkosten zu, die um 4,5 Prozent auf 14,6 Milliarden Euro zugelegt hatten. Ein Plus von 3,3 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro gab es auch bei den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Kommunen hoffen für 2025 auf reformierte Grundsteuer

Nachdem die Nettoeinnahmen aus Steuern für die Kommunen in den Jahren zuvor noch jeweils um 7,1 Prozent angewachsen waren, stiegen sie im Vorjahr nur um 1,5 Prozent. Zwar konnten sie bereits im Jahr vor dem Inkrafttreten der Grundsteuerreform am 1.1.2025 insgesamt 14,5 Milliarden Euro und damit um 4 Prozent mehr als 2023 einnehmen.

Hingegen schlug die Wirtschaftskrise auch auf das kommunale Steueraufkommen durch und hatte zur Folge, dass die Gewerbesteuern um nur noch 0,3 Prozent stiegen. Sie beliefen sich insgesamt auf 62,1 Milliarden Euro. Mit 0,7 Prozent fiel auch der Zuwachs an Einnahmen aus dem kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer durchwachsen aus. Dieser betrug insgesamt 7,6 Milliarden Euro.

Bei der Einkommenssteuer erhöhte sich der auf die Kommunen entfallende Anteil um 2,1 Prozent auf insgesamt 46,1 Milliarden Euro. Während die Kernhaushalte immerhin um 7,5 Prozent mehr durch Verwaltungs- und Benutzungsgebühren einnahmen, stiegen die auch Schlüsselzuweisungen der Länder. Im Bereich der allgemeinen Finanzierung vollzog sich dies in einer Größenordnung von 51,0 Milliarden Euro (plus 2,0 Prozent), bezüglich der Investitionen gab es ein Plus von 2,2 Prozent auf 13,9 Milliarden Euro.

Finanzierung von Deutschlandticket sorgt für leichte Ergebnisverzerrung

Da die Finanzierung der Deutschlandtickets bei den etwa 370 kommunalen ÖPNV-Unternehmen seit dem Quartal II/2023 über Extrahaushalte erfolgt, hat sich in einigen Kernhaushalten ein Verzerrungseffekt ergeben. Dies betrifft insbesondere die Personalausgaben, einen Teil des laufenden Sachaufwands (der insgesamt von 68,224 auf 73,455 Milliarden Euro angestiegen ist) und die Verwaltungs- und Nutzungsgebühren.

Bei den Sachinvestitionen gab es 2024 einen Ausgabenzuwachs von 41,814 auf 44,497 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Plus von 6,4 Prozent. Um 6,1 Prozent stiegen die Aufwendungen für Baumaßnahmen – in Zahlen war das ein Zuwachs von 31,937 auf 33,895 Milliarden Euro.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion