Thüringer BSW vor Umbruch – muss die Parteispitze gehen?

Die Zukunft des Thüringer „Brombeerbündnis“ von CDU, SPD und BSW scheint entgegen anderslautenden Medienberichten gefestigt. Sowohl die Bundes- als auch die Landespartei stünden zur bestehenden Koalition, teilte ein Sprecher des BSW-Landesverbands auf schriftliche Anfrage der Epoch Times mit.
„Nach meiner Einschätzung unterstützen derzeit etwa 76 Prozent der Mitglieder unseres Landesverbandes die Arbeit der Koalition“, gab der Sprecher ein aktuelles Stimmungsbild ab. Etwa zehn Prozent des aktuell rund 120 Mitglieder starken Thüringer BSW seien „unentschlossen“. Der Rest, also etwa 14 Prozent, stehe der Koalition unter CDU-Ministerpräsident Mario Voigt „skeptisch“ gegenüber.
In den ersten Monaten des Jahres 2025 seien die Mitgliederzahlen um etwa 20 Personen angestiegen. Vor der Landtagswahl im September 2024 habe es etwa 80 Mitglieder gegeben, bis Jahresende 2024 sei die Zahl bereits auf rund 100 gestiegen, bestätigte der BSW-Thüringen-Sprecher.
Landesparteitag am 26. April
Anlass für die Epoch Times-Anfrage waren Berichte des „Stern“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ, Bezahlschranke) oder der „Thüringer Allgemeinen“ (TA, Bezahlschranke), die über Streitereien und gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Bundes- und Landesverband geschrieben hatten.
Nach TA-Recherchen sollen manche BSW-Mitglieder zum Landesparteitag im April planen, ihre Landesparteichefs Katja Wolf und Steffen Schütz abwählen zu lassen und einen Antrag auf ein Ende der Koalition zu stellen. Sowohl Wolf als auch Schütz bekleiden derzeit Ministerposten in der Landesregierung – Wolf ist Finanzministerin und Vizeministerpräsidentin, Schütz Digitalminister. Außerdem gehört Tilo Kummer dem Landeskabinett als Umweltminister an.
Nach den Worten des Thüringer BSW-Sprechers soll der Landesparteitag am Samstag, 26. April 2025, in Ilmenau stattfinden.
Ein Fragenkatalog der Epoch Times an die Bundesparteispitze blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Wir wollten unter anderem mehr über die Zukunftspläne von Parteigründerin Sahra Wagenknecht erfahren, nachdem das BSW nun definitiv nicht mehr im Bundestag vertreten ist.
Unzufriedenheit und Streit nach Bundestags-Aus
Das noch vor wenigen Tagen lediglich wahrscheinliche Aus der Partei im Bund war auch der Hintergrund für die aktuellen Querelen. Nach dem amtlichen Endergebnis vom vergangenen Freitag hatte das BSW den Einzug in den Bundestag mit genau 4,981 Prozent der Stimmen verpasst, also noch etwas knapper als zunächst berechnet.
Dazu hatte auch das relativ schlechte Bundestagswahlergebnis in Thüringen beigetragen. Das BSW holte in Thüringen nur noch 9,4 Prozent der Zweitstimmen. Noch im September war es mit 15,8 Prozent in den Erfurter Landtag eingezogen.
Manche Parteimitglieder sehen den Absturz der Partei im Bund in der Tatsache begründet, dass die BSW-Parteispitze in Thüringen sich auf eine Koalition mit der CDU und der SPD eingelassen hatte, statt Oppositionsarbeit zu machen. Letzteres wäre auch eher im Sinne von Sahra Wagenknecht gewesen, die die im Koalitionsvertrag verankerten Passagen zum Thema Friedenspolitik nicht als ausreichend erachtet hatte.
Umgekehrt hatte das in der BSW-Bundessatzung (PDF) verankerte Recht der Parteispitze, allein über Mitgliederanträge zu entscheiden, für Unmut nicht nur im Thüringer Landesverband gesorgt.
Alexander Ulrich, Beisitzer im BSW-Bundesvorstand und Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz, hatte Wolf laut FAZ kurz nach der Bundestagswahl nahegelegt, als Landesvorsitzende zurückzutreten. Der Thüringer BSW-Co-Landeschef Schütz habe sich daraufhin schützend vor Wolf gestellt.
Wolf verteidigt Regierungsbeteiligung in Thüringen
Bei einer TV-Debatte am Abend des 12. März war von einem Zerwürfnis der BSW-Landesparteichefin Wolf mit dem BSW-Bundesvorstand zuletzt nicht mehr viel zu spüren. Wolf bemühte sich in der MDR-Livesendung „Fakt ist!“ ebenso wie der stellvertretende BSW-Bundesvorsitzende Shervin Haghsheno, die Wogen der vergangenen Wochen zu glätten.
Sie verstehe, dass in einer Partei „auch Nerven blank liegen“, wenn man „so nah an einer Fünfprozenthürde vorbeigeschlittert“ sei, sagte Wolf. Das habe auch mit „persönlichen Dramen“ zu tun, wenn etwa Bundestagsmandate verloren gingen. „Sehr schnell Schuldige zu suchen“, liege insofern „ein bisschen in der menschlichen Natur“. Dennoch habe die Bundestagswahl angesichts der hohen Wahlbeteiligung „ein sensationelles Ergebnis“ gebracht.
Wolf: „große Verunsicherung“ unter den Wählern
Die stärksten Verluste habe das BSW in Mecklenburg-Vorpommern, nicht aber in Thüringen oder Brandenburg erlitten, betonte Wolf. Der Stimmenverlust habe von daher „relativ wenig“ mit der Frage der Regierungsbeteiligung in den östlichen Bundesländern zu tun. Vielmehr habe es unter den Wählern infolge der Trump-Wahl und dreier Anschläge „eine große Verunsicherung“ auch wirtschaftlicher Art gegeben. „Dass wir als kleine Partei nicht klassisch gewählt werden für politische Stabilität, ist auch klar“.
Wolf verteidigte ihr Festhalten an der Thüringer Koalition: Nach der Landtagswahl hätten laut einer repräsentativen Umfrage drei Viertel der BSW-Wähler erwartet, dass die Partei sich in Verantwortung begebe. „Das heißt, die 75 Prozent haben wir zufrieden gestellt, 25 Prozent haben wir unglücklich gemacht. Und so bewegt sich das glaube ich insgesamt auch in der Bundesrepublik.“ Man werde immer auch „einen kleinen Tod sterben müssen“.
Wolf will Partei breiter aufstellen und selbst über Mitgliedsanträge entscheiden
In der „Wachstumsphase“ des BSW sei es zwar wichtig gewesen, sich „auch auf Köpfe“ zu konzentrieren, gestand Wolf bezüglich der restriktiven Praxis im Umgang mit Mitgliedsanträgen zu. Es sei aber „immer klar gewesen“, dass das BSW mit seinem Wachstum auch eine „Breite“ würde entwickeln müssen. Bei der nächsten Bundestagswahl sei das normalerweise ohnehin „die einzige Chance“.
Sie hoffe und erwarte, dass es besonders Landesverbänden, „die gewachsen sind, die Strukturen haben, die sich entwickelt haben“, bald erlaubt sein werde, selbstständig über die Aufnahme neuer Mitglieder zu entscheiden. In Thüringen hätten sich immerhin rund tausend Bürger als Unterstützer angemeldet, die gerne ins BSW aufgenommen werden wollten. Darunter seien „ganz sicher“ 500 oder 600 „tolle Menschen“, die „eine entsprechende Bereicherung für uns wären“.
„Vielleicht kriegen wir da den Bundesvorstand an der ein oder anderen Stelle doch noch überzeugt, dass Vertrauen in die Landesverbände durchaus angemessen ist“, so Wolf.

Von links: Shervin Haghsheno, der stellvertretende Parteivorsitzende der BSW-Bundespartei und Katja Wolf, die Thüringer BSW-Landesvorsitzende, am 12. März 2025 in der MDR-Livesendung „Fakt ist!“. Foto: Bildschirmfoto/ARD-„Mediathek“
Bundesvize Haghsheno verspricht liberalere Aufnahmepraxis
Shervin Haghsheno, der als stellvertretender Parteivorsitzender anstelle der ursprünglich angefragten Wagenknecht vom MDR eingeladen worden war, bekräftigte, dass das BSW den Weg des „langsamen und geordneten“ Parteiaufbaus grundsätzlich weiter verfolgen wolle, um Chaos oder dem Risiko einer „feindlichen Übernahme“ zu entgehen.
Andererseits habe man sich schon vor der Bundestagswahl darauf geeinigt, nach der Wahl in diesem Punkt „liberaler“ zu werden. Einen „großen Schritt nach vorne“ werde es speziell bei der Aufnahme jener Menschen geben, die sich im Wahlkampf für das BSW engagiert hätten, versprach Haghsheno.
„Perspektivisch“ werde man zudem irgendwann die Satzung ändern, damit die Landesverbände auch ohne Rücksprache mit der Bundespartei Mitglieder aufnehmen könnten, kündigte der Bundesvize an. Für die Gesamtparteitage werde man irgendwann auf ein Delegiertensystem umstellen müssen.
Für die schon länger geplante Umbenennung des BSW gebe es derzeit „noch keine Festlegung“.
Haghsheno stellt „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ fest
Haghsheno trat dem Eindruck entgegen, dass das BSW zerstritten sei. Das halte er für eine „falsche Charakterisierung“. Er räumte allerdings ein, dass es intern Debatten um die Regierungsbeteiligung in den ostdeutschen Bundesländern und um die Organisation des Parteiaufbaus gegeben habe. In der Presse seien dann „Einzelstimmen“ „thematisiert“ worden. Unter den allermeisten Funktionären, Führungskräften, Mitgliedern, Unterstützern und vielen Wählern sei nach der Wahl aus seiner Sicht aber eine „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ entstanden.
Für das jüngste Scheitern des BSW im Bund sehe er mehrere Gründe. So habe der Wahlkampf sieben Monate früher begonnen als geplant. Das sei der Partei nicht entgegengekommen, zumal diese sich noch im Aufbau befinde und wenig Ressourcen besitze.
Außerdem habe das BSW während der „hysterischen Debatte“ um Migration „nicht gewinnen“ können. Das Medienumfeld sei „nicht freundlich“ gewesen, und das Thema Krieg und Frieden sei im Wahlkampf ebenfalls „etwas in den Hintergrund gerückt“. Die Niederlage bei der Bundestagswahl gelte es nun gemeinsam zu meistern, schlug Haghsheno vor.
GG-Änderung für Aufrüstung für gesamtes BSW indiskutabel
Einig waren sich Wolf und Haghsheno beim Thema Grundgesetzänderung. Es werde mit dem BSW keine Zustimmung zu einer GG-Änderung geben, die zusätzliche Schulden oder Ausgaben für Aufrüstung bedeute, stellte der stellvertretende BSW-Vorsitzende klar. Da sei die Partei „glasklar“. Ähnlich hatte sich Sahra Wagenknecht am vergangenen Donnerstag auf ihrem X-Kanal und auch im Bundestag bei der ersten Lesung der GG-Änderungsanträge geäußert: Sowohl Thüringen als auch Brandenburg würden der GG-Änderung im Bundesrat nicht zustimmen (Video auf Bundestag.de).
„Das ist tatsächlich ’ne Grundsatzfrage, da müssen wir uns gar nicht vorher abstimmen“, pflichtete Wolf ihrem Bundesvize und ihrer Parteigründerin bei. „Friedenspartei“ zu sein, sei der „Markenkern“ des BSW (Video in der ARD-„Mediathek“).
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