Thüringen: Mario Voigt als neuer Ministerpräsident vereidigt – mit Unterstützung der Linken
UPDATE
+++ Mario Voigt ist zum neuen Ministerpräsidenten Thüringens gewählt worden. Der CDU-Politiker erhielt am Donnerstag im Landtag in Erfurt im ersten Wahlgang 51 von 88 abgegebenen Stimmen, 45 waren für die erfolgreiche Wahl nötig. Es gab 33 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen.
Der 47-Jährige nahm die Wahl an und wurde im Anschluss vereidigt.
Mario Voigt ist neuer Ministerpräsident von #Thüringen. Unterstützung erhielt die erste Brombeer-Koalition von den Linken, die damit „das Erpressungsspotenzial der AfD verschwinden“ lassen wollte. pic.twitter.com/YuUXpfTM1N
— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) December 12, 2024
Der Landtag besteht insgesamt aus 88 Abgeordneten – die neue „Brombeer-Koalition“ aus CDU, SPD und BSW kommt zusammen auf 44 Parlamentssitze und hat damit keine eigene Mehrheit. Die Linksfraktion hatte kurz vor der Wahl – nach Zugeständnissen der neuen Koalitionäre – ihre Unterstützung für eine Wahl Voigts angekündigt.
Voigt hatte im Vorfeld gesagt, im Notfall erst auf die Wahl im dritten Wahlgang zu setzen. Dann wäre keine absolute Mehrheit mehr nötig gewesen und die Stimmen der Koalition hätten voraussichtlich gereicht. Durch seine Wahl löst Voigt Bodo Ramelow (Linke) als Ministerpräsident ab.
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Wie war die Ausgangslage?
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt kandidierte im ersten Wahlgang konkurrenzlos. Er brauchte mindestens eine Stimme aus der Opposition, um die in den ersten beiden Wahlgängen erforderliche absolute Mehrheit zu erreichen.
Die Landtagswahl hat Thüringen ebenso wie Sachsen, wo eine Brombeer-Koalition scheiterte, schwierige Mehrheitsverhältnisse im Parlament gebracht. CDU, BSW und SPD kommen zusammen auf 44 von 88 Abgeordneten im Landtag.
Die AfD stellt erstmals in einem Landesparlament die stärkste Fraktion mit 32 Abgeordneten. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Die Linke als bisherige Regierungspartei landete mit 12 Abgeordneten auf der Oppositionsbank. Die Brombeer-Koalition kann das Patt nur mit Unterstützung aus der Opposition auflösen.
Befürchtet wurde, dass die AfD-Fraktion Mario Voigt mitwählt. Zumindest für Teile der SPD wäre das ein Bruch der Koalitionsvereinbarungen. Die Sozialdemokraten bestehen darauf, dass keine wechselnden Mehrheiten mit der AfD gebildet werden.
Würde Voigt eine Wahl mit AfD-Stimmen annehmen?
Das ist unklar. Der Koalitionspartner BSW hat bereits öffentlich signalisiert, dass er damit kein großes Problem hätte.
Die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht sagte vor einigen Tagen auf einem Landesparteitag: „Wir können doch nicht der AfD die Entscheidung darüber geben, ob jemand Ministerpräsident wird. Die Macht an Herrn Höcke auszuliefern, das wäre doch völlig verrückt.“
Voigt könne die Wahl „selbstverständlich“ annehmen, schließlich würde er in einem dritten Wahlgang ohnehin gewählt. Laut Thüringer Verfassung reicht dann die relative Mehrheit. Teile der CDU denken ähnlich.
Voigt selbst hat bisher noch nicht öffentlich erklärt, ob er die Wahl in einem solchen Fall annehmen würde.
Drohte die gleiche Situation wie im Februar 2020?
Am 5. Februar 2020 stellte die AfD bei der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen zwar einen eigenen Kandidaten auf, wählte dann aber überraschend den FDP-Politiker Thomas Kemmerich und verhalf ihm ins Amt des Regierungschefs.
Thüringen stürzte damals in eine Regierungskrise, Kemmerich trat nach öffentlichem Druck drei Tage später zurück.
Voigt würde im 3. Wahlgang auch ohne die AfD ins Amt kommen, die Stimmen seiner Koalition reichen dann aus. Außerdem steckt vielen Abgeordneten das politische Beben von 2020 noch in den Knochen, die Fraktionen dürften für einen solchen Fall besser vorbereitet sein.
Gibt es einen Ausweg?
An einer Lösung arbeiten Spitzenpolitiker CDU, BSW, SPD und der Linken schon seit Wochen. Es geht darum, ob Voigt zumindest die zur absoluten Mehrheit fehlende Stimme von der Linken bekommt.
Kurz vor dem Wahlgang teilte die Linke dann mit, dass sie CDU-Landeschef Mario Voigt zum Erfolg verhelfen wollen. Das sagte Linken-Landeschef Christian Schaft am Donnerstag kurz vor der Wahl.
„Unsere Stimmen sind ein Vertrauensvorschuss, aber kein Blankoscheck“, so der Linken-Politiker. „Wir werden die Vorhaben der Brombeere nach unseren politischen Maßstäben bewerten und Mehrheiten suchen.“ Die Entscheidung habe man getroffen, damit das „Erpressungspotential“ der AfD ein Ende habe.
Zuvor hatten die Koalitionsfraktionen der Linken im Gegenzug für die Unterstützung Voigts zugesagt, sie in die künftige Zusammenarbeit einzubinden. Zudem hatte die Linke darauf gedrungen, dass die Koalition auf eine Zusammenarbeit mit der AfD verzichtet.
Wer ist der neue Ministerpräsident?
Voigt ist in Thüringen geboren und lebt mit Frau und zwei Kindern in Jena. Er ist ein erfahrener Landespolitiker – seit 15 Jahren sitzt er im Parlament in Erfurt. Seine Koalitionspartner bescheinigen ihm, die Verhandlungen konstruktiv und beharrlich geführt zu haben, ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Partnern sei entstanden. Voigt ist promovierter Politikwissenschaftler und trägt einen Professorentitel.
Das politische Geschäft hat er von der Pike auf gelernt: Mit 17 klopfte er bei der CDU an, er wurde Landesvorsitzender der Jungen Union und später CDU-Generalsekretär, unternahm aber auch Ausflüge in die Wirtschaft und die Wissenschaft. Kurz nach der Thüringer Regierungskrise 2020 wurde Voigt Fraktions- und Parteichef.
Wie nahe stehen sich die Parteien der Brombeer-Koalition?
Menschlich scheint es zwischen den Spitzenpolitikern von CDU, BSW und SPD in Thüringen zu funktionieren – das stellen sie bei gemeinsamen Auftritten auch gern zur Schau. Inhaltlich trennt die Parteien einiges. Auf Landesebene gibt es viele Gemeinsamkeiten, etwa bei Themen wie Bildung, Digitalisierung oder Sicherheit.
Wegen des Themas Krieg und Frieden stand die Koalition zwischenzeitlich auf der Kippe, ein Kompromiss stellte dann aber auch BSW-Gründerin Wagenknecht zufrieden.
Das ungewöhnliche Bündnis gilt in Thüringen als Experiment. Erst kürzlich bezeichnete Wagenknecht CDU-Chef Friedrich Merz als „Kriegshasardeur“. Merz wiederum lehnt eine Koalition auf Bundesebene mit der Partei von Wagenknecht, der früheren Frontfrau der kommunistischen Plattform der Linken, ab. (dpa/red)
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