Thüringen-Plan: Wie Mario Voigt (CDU) Björn Höcke (AfD) schlagen will
Mario Voigt, CDU-Landeschef und zugleich Spitzenkandidat für die Thüringer Landtagswahl, will bis zum 1. September möglichst noch an seinem Hauptkonkurrenten Björn Höcke (AfD) vorbeiziehen. Helfen soll ihm dabei der „Thüringen-Plan“: Unter diesem Titel stellte Voigt am 2. Mai 2024 in Erfurt das neue Regierungsprogramm des CDU-Landesverbands vor.
Das gut 80-seitige Papier dreht sich um nahezu alle Politikfelder. Vor allem im Bereich der Migration, der Bildung und der inneren Sicherheit will die CDU punkten. Auch die Bürokratie soll im Fall einer Regierungsbeteiligung zurecht gestutzt werden.
„Flüchtlingsschutz“ soll keine „Einladung zur Einwanderung“ sein
Ähnlich wie die AfD fordert auch die Thüringer CDU einen „Richtungswechsel in der Migrationspolitik“: Das, „was bereits Rechtslage ist“, soll „auch in der Praxis konsequent umgesetzt werden“, heißt es in dem neuen Landesparteiprogramm (PDF). Demnach dürfe der „Flüchtlingsschutz“ nicht „als Einladung zur Einwanderung missverstanden werden“. Offenbar verfolgt der Landesverband ähnliche Ziele wie die AfD:
Wer keinen Schutzgrund hat, über seine Identität täuscht oder sich nicht an die Regeln hält, muss unser Land sofort wieder verlassen.“
Das „Sofort“ bedeutet allerdings nicht immer unverzüglich: Menschen „ohne Bleibeperspektive“ sollen zunächst in den noch zu etablierenden Thüringer Zentren für Aufnahme und Rückführung (TZAR) untergebracht werden, „anstatt in Landkreise und Gemeinden verteilt zu werden“.
Eine ebenfalls neu zu schaffende Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) solle den TZARs vorstehen und die Abschiebungen managen. „Wir können uns auch vorstellen, mit Sachsen und Bayern zusammen solche Rückführungen gemeinsam zu organisieren, damit das auch durchgeführt wird“, erklärte Voigt nach Informationen der „Welt“.
Innere Sicherheit, Bildungspolitik, Landleben
Gewalttäter, die sich an Kindern vergehen oder Frauen schlagen, sollen nach den Vorstellungen des CDU-Landesverbands via Fußfessel kontrolliert werden können: „Für uns steht Kinderschutz vor Datenschutz“, betonte Voigt gegenüber der „Bild“. Immerhin sei „die häusliche Gewalt in Thüringen […] um 18 Prozent gestiegen“.
Das Landeskriminalamt solle zudem auf die Unterstützung von „Cyber-Sicherheitsagenturen“ zurückgreifen können, um speziell Jugendliche vor Attacken in Messenger-Apps zu schützen.
Nicht mehr hinzunehmen ist für die CDU Thüringen, dass Kinder die Grundschule ohne ausreichende Fähigkeiten in puncto Lesen, Schreiben und Rechnen verlassen. Zudem soll jeder Jugendliche seine Schulzeit mit einem Abschluss in der Tasche beenden. Um den dazu notwendigen Lehrerbedarf zu decken, solle jeder Lehramtsstudent in Thüringen nach einem erfolgreichen zweiten Staatsexamen eine Einstellungsgarantie erhalten, so Voigt laut „Welt“.
In jeder Regelschule soll es laut Thüringen-Plan „mindestens einen Schulsozialarbeiter“ geben. Hortgebühren an den Schulen soll es mit der CDU nicht mehr geben, dafür ab der zweiten Klasse aber wieder Kopfnoten für Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung im Zeugnis und die Möglichkeit zum Wiederholen einer Klasse („Versetzungsentscheidung“). Wer als Handwerker den Meisterbrief erlangen wolle, soll künftig nichts mehr für den Weg zum neuen Abschluss bezahlen müssen, schreibt die „Bild“.
Einfacher soll das Leben laut „Bild“ auch für Menschen auf dem Lande werden: Die CDU will flächendeckend „24-Stunden-Läden“ und eine Garantie, dass von jedem beliebigen Punkt Thüringens aus Ärzte, Apotheker und Handelsmärkte innerhalb von 20 Minuten zu erreichen sind.
Schnellere Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie
Der Bürokratieabbau soll unter anderem mithilfe einer „8-Wochen Genehmigungsfiktion“ erfolgen: Demnach soll „überall dort, wo es möglich ist“, ein Antrag automatisch als genehmigt gelten, wenn innerhalb von acht Wochen kein anderslautender Bescheid erfolgt. Das gilt laut „Thueringen.de“ unter anderem für das Baurecht, die Führerscheinstelle, Kindergeldauszahlungen oder die Gewerbeanmeldung.
Sämtliche „Statistik-, Melde- und Dokumentationspflichten“ sollen unter Voigt ohnehin innerhalb von 200 Tagen „auf den Prüfstand“: „Unser Ziel ist es, dass Daten von Bürgern und Unternehmen nur einmal übermittelt werden“, heißt es im CDU-Regierungsprogramm. Um eine neue Vorschrift einführen zu dürfen, müssen zuvor zwei alte gestrichen werden („Paragrafenbremse“). Der Gebührenkatalog soll gestrafft werden und für mindestens zwei Jahre gelten. Auch der Digitalisierung sollen nach den Worten Voigts „Meilenstiefel“ angezogen werden, so die „Welt“.
Nachdem die CDU bereits im September 2023 mit den Stimmen von AfD und FDP eine Grunderwerbssteuersenkung gegen den Willen der Minderheitsregierung Ramelow durchgedrückt hatte, soll es nach Angaben der „Welt“ einen „Eigenheimzuschuss“ geben, der wenigstens so hoch sein solle wie die Grunderwerbsteuer. Diese soll laut „Bild“ auf nur noch 2,5 Prozent gesenkt werden. So solle die Eigenheimquote von derzeit 42 Prozent auf die Hälfte der Bürger erhöht werden.
Nach Informationen von ntv ist sich Voigt sicher, dass der entscheidende Wahlkampfmonat der August sein wird: Die Landtagswahl werde erst „im Schlussspurt“ entschieden, so der promovierte Politikwissenschaftler. Er sei zuversichtlich, Björn Höcke schlagen zu können. Dass die AfD grundsätzlich überholt werden könne, habe etwa die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis Ende Januar 2024 gezeigt.
Regierungsbildung bleibt schwierig
Vier Monate vor dem entscheidenden Wahlgang hat die AfD in Thüringen einen Vorsprung von zehn Prozentpunkten: Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA vom 1. Mai hatte ergeben, dass sowohl CDU (20 Prozent) als auch AfD (30 Prozent) jeweils einen Punkt gegenüber der letzten Messung vom 19. März 2024 eingebüßt hatten.
Dahinter nähert sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit drei Punkten plus und nunmehr 16 Prozent dem zweitplatzierten Voigt – gleichauf mit den Linken, der amtierenden Regierungspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow (minus zwei Prozentpunkte). Die FDP wird mit ihren derzeit zwei Prozent wahrscheinlich nicht mehr in den Landtag einziehen.
Für Voigt besteht nach Vorgaben der Bundes-CDU ein Koalitionsverbot mit den Linken und der AfD. Ob er mit dem aus der Linken hervorgegangenen BSW zusammenarbeiten würde, ließ Voigt bislang offen. Nach dem Stand der Dinge würde ihm wohl kaum etwas anderes übrig bleiben, denn die bisherigen Mitregierungsparteien SPD (7 Prozent, plus eins) und Grüne (5 Prozent, konstant) würden für eine Mehrheit nicht ausreichen.
Ausschließen wollte Voigt eine Kooperation mit den Grünen zuletzt nicht ausdrücklich: Für ihn gehörten die Grünen wegen ihrer „ideologischen Politik“ in die Opposition, sagte Voigt gegenüber ntv. Doch was nach der Wahl möglich sei, würden die Wähler entscheiden. „Umfragen sind keine Wahlergebnisse“, so Voigt. Er war am 24. Februar 2024 zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt worden.
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