Thüringen: Geht eine Koalition von CDU und SPD mit dem Bündnis Wagenknecht?

Rechnerisch ist eine Regierungsmehrheit ohne Einbindung von AfD oder BSW in Thüringen nicht möglich. Eine ungewöhnliche Achse ist im Gespräch – oder es bleibt bei einer Minderheitsregierung. Doch davon hat die Linke die Nase voll.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird in Thüringen als potenzieller Regierungspartner gehandelt. Doch schon vor der Wahl stellt es Bedingungen.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird in Thüringen als potenzieller Regierungspartner gehandelt. Vor der Wahl gibt es erste Bedingungen.Foto: Hannes P. Albert/dpa
Epoch Times19. August 2024

Die Auswahl an Partnern ist begrenzt: In Thüringen wird seit Wochen über eine mögliche Koalition mit der Wagenknecht-Partei BSW diskutiert. Was geht mit wem und geht am Ende überhaupt irgendetwas?

Eine ungewöhnliche Liaison aus CDU, BSW und SPD scheint nach Umfragen derzeit Thüringens einzige Hoffnung auf eine Mehrheitsregierung zu sein. Nach fast fünf Jahren Minderheitsregierung ist das ein Thema im Land.

Schon knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl am 1. September sondieren die möglichen Partner, was mit wem geht – und pendeln im Wahlkampf zwischen Angriff und Zuneigung, Gelassenheit und Panik.

Das Problem ist: Rechnerisch ist nach Umfragen eine Mehrheit ohne Einbindung von AfD oder BSW in Thüringen nicht möglich. Da niemand mit der AfD koalieren will, richten sich nun alle Blicke auf die Wagenknecht-Partei.

In Thüringen steht laut einer Wahlumfrage des Instituts INSA vom 13. August die AfD mit 30 Prozent an der Spitze. Es folgen die CDU mit 21 Prozent, das BSW mit 19 Prozent und die Linke mit 16 Prozent. Alle anderen Parteien liegen im einstelligen Bereich: Die SPD bei 6 Prozent, Grüne und FDP je 3 Prozent. Die Sonstigen erreichen 2 Prozent.

BSW schlägt erste Pflöcke ein

Das Pendeln zwischen Attackieren und Umwerben war vergangene Woche gut in einer TV-Runde zu beobachten, an der auch BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf teilnahm.

„Ich kenne Frau Wolf schon lange, und da waren auch pragmatische Dinge heute dabei“, sagte ein sichtlich aufgebrachter Georg Maier in der Runde, Spitzenkandidat der Thüringer SPD. Aber wenn das BSW meine, Bedingungen zu stellen, die man in Thüringen gar nicht regeln könne, mache man „doch was kaputt für die Menschen“. „Lasst uns doch das, was geht, zusammen ausloten, mit den Demokraten!“

Wagenknecht hatte ihre Position zu Krieg und Frieden zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung der Partei gemacht. Maier sprach von Erpressung, und CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt verbittet sich seitdem Einmischungen von außen.

Sahra Wagenknecht, die in Jena geboren ist, hätte in der aktuellen Landtagswahl in Thüringen, obwohl sie nicht kandidiert, gute Chancen auf eine hohe Zustimmung. Laut einer Umfrage würde sie bei einer theoretischen Direktwahl des Ministerpräsidenten 29 Prozent der Stimmen erhalten, was sie vor Amtsinhaber Bodo Ramelow (Die Linke) und Björn Höcke (AfD) positionieren würde, die jeweils 18 Prozent erzielen würden.

Das Thema gilt als mögliche Sollbruchstelle, wenn es zu Koalitionsverhandlungen der drei Parteien kommen sollte. Trotzdem lassen die Bundesparteien von CDU und SPD ihren Landesverbänden in Sachsen und Thüringen freie Hand. Zuletzt bekräftigte SPD-Chefin Saskia Esken, die Landesverbände brauchten den Rat der Bundesebene in der Frage nicht.

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sieht in den vom BSW gestellten Bedingungen eher Signale der Partei an die eigene Wählerschaft und an noch Unentschlossene.

„Ich glaube, das sind Bedingungen, die den Wählerinnen und Wählern noch einmal versichern sollen, dass die Partei hier fest ist in ihren Grundsätzen“, sagt er. Bei Koalitionsverhandlungen sei es auf Landesebene sicher möglich, Lösungen zu finden. „Es ist ein Pflock, den man einrammt, aber es ist keine Brandmauer.“

Abstimmungen mit der AfD

Gerade für die CDU könnte ein solches Bündnis ein waghalsiges Konstrukt sein – schließlich war Wagenknecht einst die Ikone der Kommunistischen Plattform der Linkspartei, in ihren frühen Jahren sogar mit teils stalinistischen Ansichten. Und sie war SED-Mitglied.

Das betont Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gern. Für ihn ist es ein Widerspruch, dass die CDU eine Koalition mit seiner Linken ausschließt, aber mit der Partei von Wagenknecht auf Landesebene nicht. Auch im Bund dürfte ein Bündnis mit dem BSW nicht bei jedem Christdemokraten Jubel auslösen.

Zuletzt sorgten Aussagen von BSW-Vertretern zum Umgang mit der AfD für Aufregung. In der TV-Runde hatte Wolf nicht ausgeschlossen, für AfD-Gesetzesvorschläge zu stimmen, wenn diese vernünftig seien.

Das öffne nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Brodocz aber nicht die Tür für eine Zusammenarbeit zwischen BSW und AfD. „Da hat das BSW die Grenzen deutlich markiert, dass das damit nicht gemeint ist.“ Zudem beinhalteten Koalitionsverträge üblicherweise Regeln, wonach nicht mit anderen Parteien gestimmt werde.

Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei

„Interessanter“ seien die Aussagen für den Fall einer formlosen Tolerierung einer Minderheitsregierung, sagt Brodocz.

Das Szenario wäre dann dies: Setzt etwa CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt auf eine Minderheitsregierung unter seiner Führung und lässt das BSW außen vor, könnte die Wagenknecht-Partei im Parlament zusammen mit der AfD Gesetze beschließen – an der Regierung vorbei.

Das gleiche Prinzip musste Ramelows rot-rot-grüne Koalition in den letzten Jahren erleben – als die CDU mehrfach mit AfD-Stimmen eigene Gesetze durch den Landtag boxte und sogar eine Steuer senkte.

Laut Brodocz könnten die BSW-Aussagen zur AfD also ein Signal an die CDU sein, dass es „schon auf eine verbindliche Form der Zusammenarbeit dringt“. Die Botschaft wäre: Regiert lieber mit uns, sonst überstimmen wir euch im Parlament. Brodocz würde auch nicht ausschließen, dass Katja Wolf am Ende vor Mario Voigt ins Ziel einläuft.

Widerstand in CDU gegen Zusammenarbeit mit BSW

Gegen eine mögliche Zusammenarbeit zwischen CDU und BSW nach den Landtagswahlen in mehreren ostdeutschen Ländern gibt es in der CDU jedoch auch Widerstand. „Jede Zusammenarbeit mit dem BSW wäre für die CDU toxisch“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke dem Berliner „Tagesspiegel“ vom Montag.

Auch eine Kooperation in einem Bundesland mit „der stalinistischen Kaderpartei BSW“ sei undenkbar und „schadet der CDU in ganz Deutschland“, warnte er.

„Wir als CDU haben eine Verantwortung für Deutschland und Europa“, sagte Radtke weiter. „Da können wir nicht mit Putin-Helfern koalieren oder kooperieren“, fügte er hinzu.

„Viele Menschen in Deutschland wählen CDU, weil wir pro Westbindung, pro Bundeswehr, pro NATO, pro Europa sind“, sagte dazu Radtke. „Wollen wir die wirklich verprellen?“, fragte er.

Der Hinweis auf Mehrheitsbildungen in Thüringen und Sachsen nach den Landtagswahlen dort am 1. September überzeuge ihn nicht: Dass „wir als CDU mit dem BSW koalieren, um dann eine etwas weniger fürchterliche Konstellation zu schaffen“ als BSW und AfD, „leuchtet mir nicht ein“.

Radtke widersprach auch der These, man wisse nicht genau, wofür Wagenknecht und ihre Getreuen eigentlich stünden. Das BSW sei keine „Black Box“, sondern „in der Box befinden sich Wagenknecht und Putin. Mehr muss ich nicht wissen“. Außerdem wolle das BSW ebenso wie die AfD Deutschland in „ein anderes Land“ umwandeln. Dies stehe im Gegensatz zu den Zielen der CDU. (dpa/afp/red)



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