CDU im Umfragetief: Führungsstreit, Vertrauensverlust und Kritik am Kurs von Merz

Die Union steht nach einem historischen Umfragetief unter massivem Druck. Während CDU-Generalsekretär Linnemann die Lage als „bitter“ bezeichnet, verteidigen andere Parteigrößen den Kurs von Friedrich Merz. Zugleich sorgt die Zustimmung zu Klimaziel und Sondervermögen für Ärger an der Basis – und die Asyldebatte spaltet die politische Landschaft.
Top-Verhandler von CDU, CSU und SPD ringen angesichts einer in Umfragen immer mehr erstarkenden AfD weiter um die Finanzierung zentraler Projekte einer schwarz-roten Koalition. Hier der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU).
Top-Verhandler von CDU, CSU und SPD ringen angesichts einer in Umfragen immer mehr erstarkenden AfD weiter um die Finanzierung zentraler Projekte einer schwarz-roten Koalition. Hier der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU).Foto: Christophe Gateau/dpa
Von 6. April 2025

In der CDU herrscht weiterhin Nervosität angesichts der jüngsten INSA-Umfrage. Dieser zufolge hat die Union nicht nur innerhalb von sechs Wochen ab der Bundestagswahl 4,5 Prozentpunkte in der Wählergunst verloren. Die AfD hat auch erstmals mit der Union insgesamt gleichgezogen.

Im Interview mit „Bild am Sonntag“ nennt Generalsekretär Carsten Linnemann die Umfragewerte „bitter“. Sie zeigten, dass es „jetzt nicht nur auf einen guten Koalitionsvertrag ankommt, sondern vor allem auf die Taten der neuen Regierung“. Es dürfe kein „Weiter so“ geben.

Frei: „Neustart“ bald „in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, verspricht hingegen einen „Neustart“, der „in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren“ sein werde; in der Wirtschaftspolitik, aber auch bei Migration und Verteidigung würde die neue Regierung die Weichen neu stellen.

Die noch mit dem alten Bundestag durchgesetzte Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse hatte auch innerhalb der Union für massiven Unmut gesorgt. Die Partei hatte seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 stets betont, auch ohne Neuverschuldung und Haushaltstricks notwendige Reformen durchsetzen zu können.

Nun hat sie den Weg freigemacht für Sondervermögen im Umfang von mindestens 1 Billion Euro. Zudem haben sich CDU und CSU bereit erklärt, das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 in die Verfassung aufzunehmen, um die erforderlichen grünen Stimmen für die Grundgesetzänderung zu erhalten. Auch das wird an der Basis vielfach als Vertrauensbruch aufgefasst – im Wahlkampf hatte die Union angekündigt, ökologische Politik auf ihre Wirtschaftsverträglichkeit zu überprüfen.

De Vries: Schlechte CDU-Werte liegen an „hoher Erwartungshaltung“

CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries erklärte gegenüber dem „Handelsblatt“, dass ein „Politikwechsel“ der Auftrag der Bürger sowohl an die Union als auch die SPD sei. Dazu gehöre eine „echte Asylwende“ ebenso wie eine „Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die auf Leistung und Wachstum setzt“. Außerdem müsse es zu einer „umfassenden Staatsmodernisierung kommen“.

De Vries zeigte sich überzeugt, dass all dies unter der Führung von Friedrich Merz gelingen werde. Die Menschen würden in vier Jahren „spürbar zufriedener“ mit ihrer Regierung sein. Die Enttäuschung vieler Wähler über CDU und CSU führt er auf die „hohe Erwartungshaltung“ nach „dreieinhalb Jahren Ampel-Chaos“ zurück. Ein Urteil über die Union in der Regierung zu fällen, sei jedoch „verfrüht“, bevor der Koalitionsvertrag stehe.

Auch Gitta Connemann, Vorsitzende der Mittelstandsunion, warnt vor „Unkenrufen schon vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen“. Diese brächten „niemanden weiter, am wenigsten das Land“, äußerte sie im „Handelsblatt“. Die Union meine es mit dem Politikwechsel ernst, könne sich aber „erst in der Regierung beweisen“.

SPD bleibt bei kategorischem Nein zu Sommer-Vorstoß

Baden-Württembergs Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges, mahnte unterdessen Änderungen im Bereich des Asylrechts an. Im „Handelsblatt“ brachte sie ihre Unterstützung für die Vorschläge von BAMF-Chef Hans-Eckard Sommer zum Ausdruck. Dieser hatte am Montag, 31. März, vor der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Ende des individuellen Rechts auf Asyl gefordert.

Es sei eine „grundsätzliche Debatte über unser Asylsystem notwendig“, so Gentges. Der Debattenbeitrag Sommers stelle dafür einen „wertvollen Impuls“ dar. Es sei nicht möglich, „mehreren hundert Millionen Menschen“ in Deutschland Asyl zu geben. Sommer hatte unter anderem vorgeschlagen, Flüchtlinge nur noch über EU-weite Kontingente aufzunehmen. Er hatte sich für ein Asylsystem nach dem Vorbild Kanadas ausgesprochen. Das derzeitige deutsche Asylsystem sei „zynisch und ungerecht“.

Mehrheiten für diesen Vorstoß sind jedoch nicht in Sicht. Vor allem beim wahrscheinlichen Koalitionspartner ist keine Bereitschaft zu erkennen, die Vorschläge von Sommer auch nur zu diskutieren. Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner forderte sogar personelle Konsequenzen für Sommer, der mit seiner laut eigenen Angaben „rein persönlichen Einschätzung“ seine Kompetenzen überschritten habe.

Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote schloss sich Stegners Kritik im „Handelsblatt“ an. Sommer habe als Behördenleiter die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags sicherzustellen. Es stehe diesem nicht zu, „Grundrechte politisch zur Disposition zu stellen“.

„Umweltschutz ist Heimatschutz“: Linke fordert Rücktritt von CDU-Landeschef

Nicht alle führenden Exponenten in der Union können unterdessen den Unmut über den Kurs der Partei unter Friedrich Merz nachvollziehen. Dennis Radtke vom Arbeitnehmerflügel forderte die CDU dazu auf, diesem gerade jetzt den Rücken zu stärken. Es komme vor allem darauf an, zu erklären, warum die Kompromisse erforderlich seien.

So werde in die Verteidigung investiert, damit nicht „unsere Kinder einmal Russisch lernen müssen“. Außerdem dürfe man nicht den Eindruck erwecken, als hätte „die CDU eine absolute Mehrheit errungen und wir würden gerade ohne Not unsere Seele verkaufen“.

In Baden-Württemberg hat CDU-Landeschef Manuel Hagel in der Vorwoche bei einer Veranstaltung in Ehingen auch den Kurs der Partei im Bereich der Ökologie verteidigt. Diese sei „immer das Thema der CDU“ gewesen. Dabei gehe es „nicht nur um Greta Thunberg, da geht es vielleicht auch um Papst Franziskus“.

Unterdessen hat die Linkspartei den Rücktritt Hagels gefordert. Grund dafür sei, dass Hagel im Kontext seines Bekenntnisses auch die Parole „Umweltschutz ist Heimatschutz“ verwendet habe. Linken-Chef Luigi Pantisano bezeichnete diese als „traditionsreiche Nazi-Parole“. Tatsächlich hatten in der Vergangenheit Parteien wie die als gesichert rechtsextremistisch eingestufte NPD oder ähnlich ausgerichtete Publikationen wie „Die Kehre“ mit dieser Aussage geworben.



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