Teurer Preisdeckel für Gas und Strom

Ganz konkret weiß es noch keiner, doch die Preisdeckel für Gas und Strom kommen. Was die einen befürworten, kritisieren die anderen als Energie-Planwirtschaft.
Preisdeckel für Gas und Strom
Der bevorstehende Gaspreisdeckel bringt vermutlich nur kurzfristige Entlastung.Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
Von und 5. November 2022

Per Ministerpräsidentenkonferenz haben sich am 2. November in Berlin Bundesregierung und Bundesländer auf Entlastungsmaßnahmen gegen die hohen Energiepreise geeinigt. Für den „Preisdeckel für Gas und Strom“ sind 200 Milliarden Euro veranschlagt, die über neue Schulden finanziert werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) befürwortet die Gas- und die Strompreisbremse. Damit wolle er die Bürger während der Energiekrise entlasten: „Die Preise müssen runter“. Die jetzige Gaspreisbremse sei „dringend notwendig, damit wir durch die schweren Zeiten kommen“. Über Twitter verkündete der Kanzler:

Die Preisbremsen für Gas, Strom und Fernwärme kommen! Das haben wir heute mit den Ländern beschlossen. Das ist eine wichtige Nachricht für alle Bürgerinnen und Bürger, Handwerksbetriebe und Industrie. Wir lassen niemanden mit den hohen Energiepreisen allein. #MPK

Umgehend folgte Kritik an der Art und Weise des Zustandekommens des Beschlusses auf Twitter:

Stehen eigentlich durch diese #Corona-Erfindung #Ministerpräsidentenkonferenz“ Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss nur noch als Altlast im Grundgesetz herum? Als Abnickbuden? Frage für eine verfassungsmäßige Ordnung. 

Von 7 Cent auf 12 Cent pro Kilowattstunde

Was wurde beraten, was beinhaltet die Gaspreisbremse? Wie viel Geld ist für die einzelnen Posten in etwa eingeplant?

6 Milliarden von den 200 Milliarden Euro sind für die Dezemberrechnungen veranschlagt: Im kommenden Monat übernimmt der Staat die Gasrechnung für Privathaushalte, die auf Gas und Fernwärme angewiesen sind. Basis ist die Abschlagszahlung vom September 2022, übernommen werden die Kosten für den Dezember-Abschlag. Die Abwicklung erfolgt über die Versorger. Gleiches trifft auf klein- und mittelständische Unternehmen mit bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden Jahresverbrauch zu. Verschiedene Einrichtungen im Pflege- und Bildungsbereich und in der medizinischen Versorgung erhalten die Soforthilfe auch dann, wenn ihr Verbrauch höher ist.

Rund 33 Milliarden Euro gehen ab März – eventuell ab Februar – für die Deckelung des Gaspreises drauf. Dann erhalten Endverbraucher 80 Prozent des bisherigen Jahresverbrauchs zu einem Festpreis von 12 Cent pro Kilowattstunde („Kompensationsmodell“). Die restlichen 20 Prozent werden zum aktuellen Preis berechnet. Ab einem Jahreseinkommen von 74.000 Euro (bei Paaren das Doppelte) muss die vom Bund bezahlte Unterstützung versteuert werden.

21 Milliarden Euro stehen für Industriekunden mit hohem Gasverbrauch bereit. Hier wird ab dem 1. Januar für 70 Prozent der verbrauchten Kilowattstunden der Gaspreis bei 7 Cent gedeckelt. Vor der Energiekrise lag der durchschnittliche Gaspreis in Deutschland bei 7 Cent pro Kilowattstunde, aktuell bei circa 21 Cent. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent bleibt bestehen und gilt vorerst bis zum 31. März 2024.

69 Milliarden Euro fließen vermutlich in die Deckelung des Strompreises, die zwischen Januar 2023 und April 2024 geplant wird. Damit soll der Strompreis bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Die Strommenge orientiert sich an einem Grundkontingent in Höhe von 80 Prozent der Jahresverbrauchsprognose, die der Abschlagszahlung für den September 2022 zugrunde gelegt wurde. Aus Sicht der Energiebranche ist das angestrebte Ziel der Einführung im Januar nicht zu halten.

Die umstrittene Gasumlage kommt nicht, betroffene Firmen wie Uniper und andere notleidende Firmen sollen anderweitig gestützt werden. Die Einnahmen der Übergewinnsteuer, die Energieversorger (Gas-, Öl- und Kohle­unter­nehmen, Raffinerien und andere) zahlen und zur Gegenfinanzierung abgeschöpft werden sollen, werden auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt. Für die gesamte Finanzierung werden diese nicht ausreichen.

Bundesrechnungshof: „auf Vorrat“ ist verfassungswidrig

Am 18. Oktober wurde bekannt, dass der Bundesrechnungshof die geplante Schuldenaufnahme von 200 Mrd. Euro gegen die hohen Energiepreise für verfassungswidrig hält. Im Bericht an den Haushaltsausschuss hieß es: „Die vorgesehene Kreditaufnahme ‚auf Vorrat‘ verstößt gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Jährlichkeit“. Jährlichkeit ist im Grundgesetz festgeschrieben und beinhaltet, dass der Haushaltsplan für ein Jahr aufgestellt wird und aufgenommene Kredite dazu dienen sollen, ein Haushaltsminus im gleichen Jahr auszugleichen. Das Sondervermögen mit 200 Milliarden Euro ist bis 2024 terminiert und umfasst damit zwei Jahre.

Deutliche Kritik kommt laut einem Bericht des „mdr“ auch von verschiedenen Ökonomen. Einer der bekanntesten Kritiker ist der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp. Seiner Ansicht nach sind 200 Milliarden Euro für alle Bürger und Betriebe zu viel des Guten. Das Geld sei kein Überschuss von irgendwo. Deutschland müsse es sich per Kredit besorgen.

„Wer Geld an alle verteilt, hilft am Ende auch den Falschen“, moniert Gropp. Der Ökonom argumentierte, dass ein Villenbesitzer mehr Staatsgeld erhalte als eine Rentnerin mit Einraumwohnung. Sinnvoller wäre, lediglich kleine und mittlere Jahreseinkommen zu entlasten und dafür eine Obergrenze zwischen 40.000 und 50.000 Euro Einkommen zu beschließen.

An die Industrie würde Gropp überhaupt keine Staatshilfen vergeben, da der Gaspreis auf viele Jahre hoch bleiben werde. Stattdessen sollten die Unternehmen ihr Energiemanagement optimieren und den Verbrauch reduzieren.

Politikerstimmen: Kompromiss vs. Energie-Planwirtschaft

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nannte die Bund-Länder-Einigung einen Kompromiss. Mieter und Hauseigentümer, die mit Öl oder Holzpellets heizen, sollen in besonders schweren Fällen Unterstützung erhalten, Details dazu fehlen im Beschluss.

Kritik an der Gaspreisbremse kam auch von der Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alice Weidel. Der Preisdeckel drohe „ein bürokratischer Moloch zu werden, der die Zerrüttung der deutschen Staatsfinanzen auf eine neue Spitze treibt.“ Gleichzeitig würde die Bundesregierung „das Geld der Bürger in nie dagewesenen Dimensionen“ verbrennen sowie der Volkswirtschaft Liquidität entziehen. Es sei fraglich, ob staatliche Umverteilung in dieser Größenordnung überhaupt über längere Zeit finanzierbar sei.

„Ohne eine Perspektive auf Ausweitung des Energieangebots wird auch die einmalige Übernahme eines Gas-Monatsabschlags im Dezember verpuffen wie ein Tropfen auf den heißen Stein“, warnt die Politikerin. „Die Bundesregierung missbraucht die Not der Privathaushalte und Unternehmen, um eine auf Rationierung und Mangelverwaltung ausgerichtete Energie-Planwirtschaft einzuführen.“

 



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