Tests, Quarantäne als Hauptthemen vor Videokonferenz: Mehr Corona-Zentralismus für Deutschland?

Am Donnerstag wollen Bund- und Ländervertreter in der ersten Videokonferenz seit Mai über das künftige Vorgehen in der Corona-Krise beraten. CSU-Chef Markus Söder will mehr bundeseinheitliche Regeln, etwa zu Tests und Quarantäne, aus den Ländern kommt Widerstand.
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Deutschlandfahne über dem ReichstagsgebäudeFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 26. August 2020

In den kommenden Tagen stehen Deutschland weitere gesellschaftliche Zerreißproben im Zeichen der Corona-Krise bevor. Der Berliner Senat hat eine für Samstag (29.8.) geplante Großkundgebung gegen die Pandemie-Maßnahmen in Bund und Ländern verboten – jetzt liegt der Ball bei den Verwaltungsgerichten.

Am morgigen Donnerstag werden Bund und Länder zum ersten Mal seit Mai wieder zu einer Videokonferenz zusammenkommen, um das weitere Vorgehen in der Krise abzustimmen.

Erste Videokonferenz seit Mai im Zeichen steigender Infektionszahlen

Wie die „Welt“ berichtet, soll es konkret unter anderem um Tests und Quarantänevorschriften für Rückkehrer vom Urlaub in Risikogebieten gehen. Auch sollen die Regeln für private und öffentliche Feiern vereinheitlicht werden, die je nach Bundesland Höchstteilnehmerzahlen zwischen zehn und 500 variieren.

Bei der Debatte um einzelne Sachfragen dieser Art dürfte es jedoch nicht bleiben. Nachdem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jüngst offen mit der Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Vorgehen in der Corona-Krise vorgeprescht ist, wird auch eine generelle Aussprache darüber erwartet, ob und wie weit es bundesweite Harmonisierungen oder Abstimmungen in der Vorgehensweise geben soll.

In den vergangenen zwei Wochen ist die Zahl der festgestellten Neuinfektionen mit COVID-19 deutschlandweit um 17.910 angestiegen. Das ist zwar immer noch deutlich unter den Werten der Monate März und April, aber auch spürbar über der Erholungsphase im Juni. Vor allem Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz hatten Anstiege bei den Infektionszahlen zu verzeichnen.

Best-Practice-Ansatz in Corona-Politik überholt?

Die sogenannten R-Werte schwanken in Deutschland wieder knapp an der 1, was ebenfalls eine leichte Steigerung gegenüber den Vormonaten erkennen lässt. Der Anstieg liegt offiziell vor allem an der Rückkehr von Urlaubern aus Risikogebieten.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht in jüngsten Berichten davon, dass Herkunft und Altersstruktur der infizierten Rückkehr vor allem zwei erhöhte Risikobereiche erkennen lassen: Zum einen junge Urlauber auf Vergnügungs- und Partyreisen, zum anderen Einwanderer aus der mittleren Altersgruppe, die Urlaub bei Familienangehörigen gemacht hatten – der möglicherweise mit Feierlichkeiten in diesem Rahmen verbunden war.

Nachdem Anfang des Monats vorerst nur für einzelne Balkanstaaten außerhalb der EU eine Reisewarnung ausgesprochen worden war, wurde diese jetzt auf die meisten Balkanländer sowie Spanien (mit Ausnahme der Balearen) und die französische Mittelmeerküste ausgeweitet.

Der Konsens im Mai war eindeutig gegen mehr bundeseinheitliche Regelungen gerichtet. Bundesregierung und Ministerpräsidenten hatten sich darauf geeinigt, möglichst viele Kompetenzen zur Corona-Bekämpfung bei den Ländern zu belassen, da die Verhältnisse und auch der Grad der Betroffenheit deutliche Unterschiede erkennen ließen. Ein Wettbewerb der Pandemie-Konzepte erschien zudem auch gerade vor dem Hintergrund der Erlangung von Best-Practice-Modellen als zielführend.

Kretschmer: „Viele anderswo nötige Regelungen brauchen wir in Sachsen nicht“

Söder scheint sich hingegen mittlerweile von einheitlichen Herangehensweisen mehr zu versprechen – immerhin kennt man das Virus und seine Verhaltensweise mittlerweile besser und die Faktoren, die zu einem Wiederanstieg der Infiziertenzahlen geführt hatten, scheinen besser einschätzbar zu sein. Entsprechend seien es auch die Lösungsansätze. Vor allen gehe es um Tests und Quarantänebestimmungen für Rückkehrer aus Risikogebieten.

Aus den Reihen der Ministerpräsidenten weht Söder ein kalter Wind entgegen – nur wenige wollen sich in ihre Konzepte aus Berlin hineinregieren lassen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer macht beispielsweise deutlich, dass im Freistaat deutlich geringere Infektionszahlen zu verzeichnen seien als in Süddeutschland. Es sei deshalb nicht erforderlich, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“ und alles zu verallgemeinern.

Manche Maßnahmen, die für Baden-Württemberg oder Bayern sinnvoll sein könnten, müsse man „beispielsweise in Sachsen nicht treffen“. Vor allem eine bundesweite Teilnehmer-Obergrenze für Veranstaltungen stößt auf Widerstand. Aus Hamburg und dem Saarland kommt Rückendeckung für Söder, da man dort einheitliche Vorgehensweisen für eine sinnvolle Maßnahme hält, um die Corona-Politik zu erklären.

Quarantäne soll künftig wieder zur Regel werden

In anderen Bereichen scheint die Bereitschaft zum koordinierten Vorgehen größer zu sein: Hatte man sich Anfang des Monats noch auf eine Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten geeinigt, soll nun nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schon bald Schluss damit sein.

Das Problem an der Sache: Die Tests überfordern die Kapazitäten der Einrichtungen, die sie auswerten sollen – aus der Berliner Landesregierung wurden Aussagen übermittelt, infolge der „weltweiten Kontingentierung der zwingend benötigten Reagenzien und Verbrauchsmaterialien“ gingen sogar die erforderlichen Materialien zur Neige, um Tests durchführen zu können.

In Berlin liege die Auslastung der Labore nach Angaben des Senats derzeit bei 93 Prozent, bundesweit seien einer Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums zufolge von 1,2 Millionen Testkapazitäten bereits 825.000 und damit knapp 70 Prozent genutzt.

Wie die „Welt“ weiter berichtet, sei bereits am Montag ein grundsätzlicher Konsens erzielt worden, nach dem Ende der Urlaubssaison die Testpflicht wieder abzuschaffen und stattdessen wieder auf Quarantäne zu setzen. Die häusliche Isolation solle auf 14 Tage anberaumt sein, nach frühestens fünf Tagen können Betroffene jedoch durch einen negativen Test den Hausarrest vorzeitig beenden.

48-Stunden-Regel für Rückkehrer entfällt

Allerdings soll die bisherige Regelung entfallen, wonach ein Test im Urlaubsland, der zum Zeitpunkt der Rückreise nicht älter als 48 Stunden ist, Rückkehrer von der Quarantänepflicht befreien würde. Diese Vorgehensweise barg das Risiko in sich, dass Infektionen kurz vor der Abreise unerkannt geblieben wären. Spätestens Mitte September, mit dem spätesten Schulbeginn in Baden-Württemberg, soll die neue Regelung in Kraft treten.

Zu diesem Zeitpunkt soll die Quarantäne auch wieder besser administriert werden können. Obwohl in einzelnen Bundesländern Bußgelder von bis zu 25.000 Euro für Quarantänebrecher drohen, meint SPD-Gesundheitssprecher Karl Lauterbach, es würden sich „nicht mehr als zehn Prozent an die 14-tägige Quarantäne halten“.

In der Tat ist diese Regelung in der Praxis nur bei wenigen Arbeitnehmern oder Selbstständigen durchführbar, da nur ein kleiner Teil von ihnen dauerhaft im Homeoffice tätig ist und alle, auf die dies nicht zutrifft, für die Dauer der Quarantäne Urlaubstage verbrauchen müssten.

Derzeit kontrollierten die zuständigen Gesundheitsämter „stichprobenartig“, inwieweit die Quarantänebestimmungen eingehalten würden. Auch hier seien jedoch die freien Kapazitäten für eine Überwachung nicht überall in gleichem Maße vorhanden.



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