„Afghanistan wird Folgen für Deutschland haben – bei Migration und Terrorismus“

Peter Neumann ist ein Mitglied von Armin Laschets Zukunftsteam und Miterschaffer der „Agenda für ein sicheres Deutschland“. Der Sicherheitsexperte fordert mehr Weitsicht, wenn es um das Thema Auslandseinsätze geht. Das Desaster in Afghanistan etwa werde für Deutschland noch negative Folgen haben.
Epoch Times13. September 2021

Zur Vermeidung terroristischer Angriffe in Europa setzt die CDU auf mehr Kooperation mit den EU-Partnern. Peter Neumann, der im Zukunftsteam von Kanzlerkandidat Armin Laschet für Sicherheitsfragen zuständig ist, forderte vergangene Woche im Interview mit den Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“ (NBR) die Einführung einer europäischen Gefährderdatei. „Wenn wir offene Grenzen haben, müssen wir da kooperieren und uns besser austauschen.“

Deutschland und Frankreich beispielsweise wüssten derzeit nicht, wen der jeweils andere als Gefährder einstufe, sagte Neumann weiter. Auch würden Geheimdienste ihre Erkenntnisse meist nur ungern teilen. „Das muss dann politisch durchgesetzt werden“, forderte der Sicherheitsexperte. Nötig seien zudem mehr europäische Ermittlerteams.

Mit Blick auf Afghanistan sagte er im Gespräch mit der „Welt“, die missglückte Mission der Bundeswehr in Afghanistan sei ein Weckruf gewesen, um das Thema der inneren und äußeren Sicherheit endlich ernsthaft zu diskutieren.

Deutschland sei unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ganz gut regiert worden. Allerdings hätte sich gerade in seinem Fachbereich viel gewandelt. An dem Afghanistaneinsatz wäre das gut zu beobachten gewesen, so Neumann.

Deutschland habe den Auslandseinsatz als reinen Militäreinsatz gehandhabt, dabei wäre es wichtig gewesen, sich von Anfang an enger mit der Entwicklungshilfe, der Wirtschaftspolitik und der Diplomatie abzustimmen. Bei einem erneuten Auslandseinsatz der Bundeswehr müssten die Ziele von Beginn an klar definiert sein. Die Armee müsse dann auch dem Ziel entsprechend die Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, was in Afghanistan nicht der Fall gewesen wäre, betonte der Sicherheitsexperte.

Neumann ist sicher: Was in Afghanistan passiert ist, wird Folgen für Deutschland haben, sowohl bei der Migration als auch beim Thema Terrorismus.

„Agenda für ein sicheres Deutschland“

Die Ausarbeitung der sicherheitspolitischen Agenda der Union – „Agenda für ein sicheres Deutschland“ – war angeleitet von dem Bestreben nach verbesserter Vernetzung der innen- und außenpolitischen Sicherheitspolitik. In anderen Ländern ist dieser Ansatz bereits Standard, in Deutschland soll das jetzt nachgeholt werden. Ein zentraler Vorschlag des Strategiepapiers ist die Schaffung eines nationalen Sicherheitsrates, der die Sicherheitspolitik ganzheitlich betreiben würde.

Die CDU wolle grundsätzlich, so Neumann, eine schlagfertige und gut ausgerüstete Armee, die ihre Aufgaben erfüllen kann. Würde in Deutschland ein Vorfall ähnlichen Ausmaßes wie der Einsturz der Twin-Towers in New York passieren, müsste das Land möglichst schnell möglichst viele Leute mobilisieren und das könne nur die Bundeswehr, so der Experte.

Hinzu käme noch, dass die Armee Fähigkeiten habe, welche zivile Agenturen nicht hätten. Zum Beispiel im ABC-Bereich, der Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Bedrohungen oder in der Dekontamination im Ereignisfall. Es sei wichtig, so Neumann, dass bei besonderen Gefährdungslagen auf die Fähigkeiten der Bundeswehr im Innern zurückgegriffen werden könne – natürlich unter Führung der Polizei und im Rahmen festgelegter Grenzen.

Auf die Frage, ob Deutschland aufgrund der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan einer erhöhten Terrorgefahr ausgesetzt sei, antwortete der Experte, dass sich die unmittelbare Terrorgefahr seiner Einschätzung nach erhöht hat. Nicht nur direkt aus Afghanistan, sondern auch aus der dschihadistischen Szene in Deutschland. Dort herrsche zurzeit eine positive Stimmung und es werde versucht – auch über die sozialen Medien –, eine Art Momentum zu schaffen, was motivieren soll. Mittelfristig könnte geschehen, was vor 20 Jahren bereits einmal der Fall gewesen war, nämlich dass Afghanistan zu einem Rückzugsraum für international orientierte terroristische Gruppen werde, ergänzt Neumann seine Analyse.

Der Experte warnte diesbezüglich vor einer linken Regierung. Denn das würde für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bedeuten, dass im Unterschied zur CDU die Parteien des linken Spektrums die Sicherheitspolitik von rein ideologischen Gesichtspunkten angehen würden. So würden diese sich zwar für die Bundeswehr aussprechen, aber gleichzeitig die nötigen Mittel nicht ausreichend zur Verfügung stellen, so Neumann.

Aufgrund dieser Zweideutigkeit seien linke Parteien oft nicht dazu bereit, realistische Außenpolitik zu machen, auch was die Beteiligung an Auslandseinsätze beträfe. Bezüglich der inneren Sicherheit hätte er in diesem Wahlkampf von den Linksparteien noch fast gar nichts vernommen.

Kriminalitätsbekämpfung mit moderner Technik

Auch im Bereich der Polizeiarbeit und Kriminalitätsbekämpfung fordert der sicherheitspolitische Experte, dass sich die Befugnisse des Staates den aktuellen Entwicklungen anpassen müssen. So sei der Einsatz moderner Technik möglich, ohne dass der Bürger eine Massenüberwachung fürchten müsse. Die CDU wolle eine möglichst liberale Ordnung bereitstellen, einen Rechtsstaat mit klarem Ordnungsrahmen, der die Freiheit sichere und auch den Datenschutz respektiere, so Neumann.

Die Kriminalitätsbekämpfung müsse sich an den digitalen Realitäten anpassen, wo sie benötigt würde. Beispielsweise bei den verschlüsselten Nachrichten über Messenger-Dienste. Videosicherheitstechnik könne, so Neumann weiter, die Polizei an Brennpunkten wie Bahnhöfen und Flughäfen unterstützen. Dabei ginge es in erster Linie um den Einsatz zielführender und effizienter Technik, die mehr Sicherheit bringen könnte. Es sei möglich, dass ein liberaler Staat Freiheitsbeschränkungen grundrechtskonform und im Sinne der Verhältnismäßigkeit erbringen könne, so der Sicherheitsexperte.

Peter Neumann ist Professor an der renommierten Universität King’s College in London. CDU-Kanzlerkandidat Laschet hatte ihn vor einer Woche als Mitglied seines achtköpfigen Zukunftsteams vorgestellt. Gemeinsam mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wollen sie am Freitag in Berlin ihre „Agenda für ein sicheres Deutschland“ vorstellen. (nw/dts/oz)



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