Tausende Brücken in Deutschland sanierungsbedürftig – Bundesrechnungshof zweifelt an Machbarkeit

Der Einsturz eines Teils der Carolabrücke in Dresden am 11. September hat das Thema Brückensicherheit in Deutschland wieder in den Fokus gerückt. Experten warnen, dass Tausende Brücken sanierungsbedürftig sind, doch bürokratische Hürden und fehlende Ressourcen verzögern dringend nötige Maßnahmen.
Nach dem Teileinsturz der Brücke laufen die Arbeiten.
Nach dem Teileinsturz der Brücke laufen die Arbeiten.Foto: Robert Michael/dpa
Von 13. September 2024

Wie sicher sind Deutschlands Brücken? Der teilweise Einsturz der verkehrstechnisch bedeutsamen Carolabrücke in Dresden am Mittwoch, 11. September, hat Besorgnis bezüglich des Zustands der deutschen Infrastruktur ausgelöst. Die Ursache für das Unglück, bei dem wie durch ein Wunder keine Menschen verletzt wurden, ist noch nicht vollständig geklärt.

Erst im Frühjahr hatte ein sogenannter Brücken-TÜV den Zustand des betroffenen Abschnitts als „nicht ausreichend“ beurteilt. Dem „Blauen Wunder“, einer weiteren Elbbrücke der Stadt, wurde mit „ungenügend“ sogar eine noch schlechtere Bewertung zuteil. Der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Andreas Audretsch, warnte, dass bundesweit nicht weniger als 16.000 Brücken sanierungsbedürftig seien.

Insgesamt etwa 130.000 Brücken unter Verantwortung von Bund, Ländern oder Kommunen

Zahlen zum Brückenbestand in Deutschland, die das Bundesverkehrsministerium präsentiert, sind lediglich auf dem Stand von Juni 2019. Dennoch bieten sie eine grobe Orientierung über die Größenordnung. So sind es etwa 39.500 Brücken, deren Erhaltung als Teil des Bundesfernstraßennetzes in der Verantwortung des Bundes liegt.

Insgesamt ergibt dies eine Summe von etwa 51.360 Teilbauwerken mit einer Gesamtlänge von 2.100 Kilometern und einer Gesamtfläche von mehr als 30 Millionen Quadratmetern.

Das Deutsche Institut für Urbanistik spricht zudem von etwa 67.000 Brücken, für deren Erhalt die Kommunen verantwortlich sind. Diese Zahl stammt jedoch aus dem Jahr 2013. Weitere knapp 23.500 Brücken sind landeseigenen Verkehrswegen zuzuordnen.

Für Maßnahmen zur Instandhaltung und Sicherung der Carolabrücke war die Kommune zuständig. Die Sanierung war in Etappen geplant. Von 2019 bis 2021 dauerten die entsprechenden Arbeiten am ersten Brückenzug, ein weiterer wurde bis November 2023 wieder in einwandfreien Zustand gebracht. Der nun eingestürzte Teil, der für Fußgänger und Straßenbahn ausgelegt war, sollte ab nächstem Jahr bis April 2026 für etwa 5,8 Millionen Euro saniert werden.

Etwa 70 Prozent aus gleichem Material wie Carolabrücke gebaut

Wie aus Zahlen des Verbandes der Betoninstandsetzer hervorgeht, stammt allein im Fernstraßennetz des Bundes mehr als die Hälfte der knapp 40.000 bestehenden Brücken aus der Zeit vor 1985. Rund 70 Prozent davon sind aus Spannbeton – dem gleichen Material, das für die Carolabrücke verwendet wurde. Dem stehen 17 Prozent Stahlbetonbrücken, sieben Prozent Stahlverbundbrücken und sechs Prozent Stahlbrücken gegenüber.

Die ARD-„Tagesschau“ thematisierte bereits im Mai des Vorjahres Untersuchungen der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken. Diesen zufolge befinde sich knapp die Hälfte der 25 höchsten Brücken des Landes in einem kritischen Zustand. Elf hätten zudem deutliche Defizite bei der Traglast.

Von den Autobahnbrücken in Deutschland befanden sich dem Bundesamt für Straßenwesen zufolge im Vorjahr 15,7 Prozent in einem guten Zustand. Weitere 47,4 Prozent wiesen einen befriedigenden und weitere 25,1 Prozent immerhin einen ausreichenden Zustand aus.

Allerdings war in 4,9 Prozent der Fälle ein „nicht ausreichend“ und in 0,4 Prozent sogar ein „ungenügend“ vergeben worden. Insgesamt würde das bedeuten, dass etwas mehr als 150 Brücken besonders dringend sanierungsbedürftig wären. Die Zustände landeseigener und kommunaler Brücken werden dezentral erfasst.

Schlechte Zustandsnoten heißen nicht automatisch akute Gefahr

Alle sechs Jahre findet der sogenannte Brücken-TÜV statt. Bei der „Hauptprüfung nach DIN 1076“, so der technische Name, werden Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit evaluiert. Anschließend gibt es Zustandsnoten von 1,0 bis 4,0. Jeweils drei Jahre später gibt es noch eine vereinfachte Prüfung.

Marco Götze, der Vorsitzende der Bundesgütegemeinschaft, machte deutlich, dass schlechte Zustandsnoten nicht automatisch Nutzungseinschränkungen erforderlich mache. Immerhin können bereits kleinere Mängel wie fehlende Geländerstäbe eine Bewertung beeinträchtigen.

Eine Note von 3,5 oder schlechter sei jedoch ein Hinweis auf die Notwendigkeit rechtzeitiger Planung von Erhaltungsmaßnahmen. Vor allem bei Brücken, die für den aktuellen und noch wachsenden Schwerverkehr nicht ausgelegt seien, stehen Götze zufolge „umfangreiche Maßnahmen für die Modernisierung und Verstärkung an“.

Im Jahr 2018 hatte unter anderem die A40-Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp eine Bewertung von 4,0. Sie war in den vergangenen Jahren teilweise gesperrt und wurde mittlerweile um einen Ersatzneubau erweitert. Auch die mit 3,9 bewertete A1-Rheinbrücke Leverkusen ist in der Zwischenzeit runderneuert worden.

Moseltalbrücke unter aktiven Bundesautobahnbrücken am schlechtesten bewertet

Im Jahr 2021 gesperrt und 2023 gesprengt wurde die Talbrücke Rahmede nahe Lüdenscheid. Derzeit wird ein Ersatz gebaut. Die 1972 erbaute A61-Moseltalbrücke bei Winningen gilt mit einer Zustandsnote von 3,5 und einem Traglastindex von V, der schlechtesten Stufe, als die gefährlichste in Betrieb befindliche Bundesautobahnbrücke. Sie wird zurzeit saniert und ist nur eingeschränkt benutzbar.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte erst im Frühjahr 2022 ein Maßnahmenpaket für eine schnellere Brückenmodernisierung angekündigt. Langfristig sollen 8.000 Autobahnbrücken des Bundes bis 2042 modernisiert werden, die Hälfte bis 2032. Die Länder wären für weitere 3.000 modernisierungsbedürftige Brücken im Bundesstraßennetz zuständig.

Die Deutsche Bahn soll bis 2029 ganze 2.000 ihrer insgesamt rund 25.700 Brücken saniert haben. Einige davon sind bereits mehr als 100 Jahre alt. Für das Programm steht ein Budget von etwa neun Milliarden Euro zur Verfügung. Der Bund plant ab 2025 jährlich etwa fünf Milliarden Euro für die Sanierung von Brücken ein. Die Summe zusätzlicher Schäden wird für die nächsten fünf Jahre auf mindestens 1,8 Milliarden Euro geschätzt.

Woran die Sanierung von Brücken scheitert

Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass der Bund in der Lage sein wird, seine Vorhaben in diesem Bereich zu erreichen. Einer Analyse der Einrichtung zufolge kommt die zuständige Autobahn GmbH „mit der Modernisierung nicht hinterher“.

Erfahrungswerten zufolge scheitern geplante Sanierungen nicht immer nur an knappen Finanzmitteln – diese sind zumindest für dringlichere Vorhaben regelmäßig vorhanden. Zu kämpfen haben auch die öffentlichen Auftraggeber oft mit bürokratischen, komplexen Genehmigungsverfahren und langwierigen Planungsprozessen.

Dazu kommen der Mangel an Baumaterial oder dessen Verteuerung, aber auch ein Fehlen qualifizierter Fachkräfte. Ein weiterer Faktor, der Sanierungen verzögert, sind Schwierigkeiten bei der erforderlichen Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses. Viele Brücken müssen während der Sanierung weiterhin für den Verkehr geöffnet bleiben, was die Arbeiten komplizierter und zeitaufwendiger macht.

Kriterien der Priorisierung von Brückensanierungen sind in Deutschland Zustandsnote, Traglastindex, Verkehrsbedeutung, bestehendes Sicherheitsrisiko und wirtschaftliche Auswirkungen. Die Autobahn GmbH des Bundes hat die Verwaltungsverantwortung für die Brücken im Autobahnnetz übernommen. Sie kann eine Gesamtbetrachtung des Netzes vornehmen, um die Priorisierung effizienter zu gestalten.



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