„Taktische Wahl“ statt „inhaltlicher Debatten“: Parteien ziehen Bilanz
Es war knapp, aber es hat offenbar gereicht: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat seine Partei bei der Landtagswahl in Brandenburg laut Hochrechnungen von ARD und ZDF zum Sieg geführt. Sie landete demnach am Sonntag knapp vor der AfD. Aus einer Neuauflage der Koalition mit CDU und Grünen wird jedoch nichts, weil die Grünen an der Fünfprozenthürde scheiterten. Die CDU rutschte zugleich in der Wählergunst ab, sodass es wohl auch für eine große Koalition nicht reicht.
Woidke hatte den Wahlkampf ganz auf seine politische Zukunft mit dem Abschneiden seiner SPD verknüpft: Sollte sie nicht mehr stärkste Kraft werden, wollte er das Amt an der Regierungsspitze abgeben. Am Abend zeigte er sich erleichtert: „Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch nie gegeben hat.“
Für die Bundes-SPD in Berlin war das Ergebnis in Brandenburg ein Lichtblick nach einer Serie von Wahlschlappen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert attestierte Woidkes Landes-SPD eine „furiose Aufholjagd“ und räumte ein, dass die SPD-geführte Bundesregierung keine Hilfe gewesen sei: „Der bundespolitische Wind ist ein schwieriger.“ Woidke war er im Wahlkampf demonstrativ auf Distanz gegangen, es gab keine gemeinsamen Auftritte mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Nach Ansicht von Wahlforscher Manfred Güllner könne Scholz jedoch nicht der SPD in Brandenburg profitieren. „Für den Kanzler und die Ampel-Koalition wird mit diesem Wahltag nichts besser“, sagte der Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa dem „Tagesspiegel“ vom Montag. „Das war eine Woidke-Wahl“, sagte er mit Blick auf Brandenburgs SPD-Ministerpräsidenten.
AfD sieht sich als „Sieger des Abends“
AfD-Chefin Alice Weidel sah derweil ihre Partei als „Sieger des Abends“. Sie sei „extrem zufrieden mit dem Ergebnis“, sagte Weidel in der ARD am Sonntagabend. Aber „wir sehen natürlich, dass hier taktisch abgestimmt wurde“. Die Stimmen seien an Woidke gegangen. Das müsse sie einfach so akzeptieren, sagte Weidel. Es sei lediglich eine Etappe. „Der Osten ist blau, wir sind stärkste Kraft im Osten.“
Auch der AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt hat sich erfreut über das Abschneiden seiner Partei gezeigt. „Vergesst nicht diesen Zuspruch, den wir in diesem Wahlkampf hatten, diesen Zustrom der Jugend“, rief er Anhängern auf der AfD-Wahlparty am Sonntagabend zu. Obwohl die anderen Parteien sich gegen die AfD gestellt hätten, sei seine Partei erfolgreich gewesen, sagte Berndt. „Wir sind fast gleich stark“, fügte er mit Blick auf den geringen Abstand zwischen SPD und AfD in den ersten Prognosen und Hochrechnungen hinzu.
Grünen-Chefin: Sind bei taktischer Wahl „unter die Räder gekommen“
Bei den Grünen sah es zunächst nach einem knappen Überspringen der Fünfprozenthürde aus – in späteren Hochrechnungen kamen sie jedoch nur noch auf 4,6 Prozent. Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sieht die Verluste ihrer Partei bei der Landtagswahl in Brandenburg als Folge einer Polarisierung im Wahlkampf. Die letzten Wochen seien von einem „Kopf-an-Kopf-Rennen“ zwischen SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und der AfD geprägt worden, sagte sie am Sonntagabend in der ARD. Die Wähler hätten dann taktisch gewählt, um die AfD zu verhindern. Dabei seien die Grünen „unter die Räder gekommen“.
Lang verneinte zugleich, dass es nun Zeit für die Grünen für einen Abgang aus der Ampel-Koalition im Bund sei. Sie räumte aber ein, dass es einen negativen Trend für die Grünen gebe. „Da werden wir uns gemeinsam rauskämpfen.“
„Bitterer Abend“ für die CDU
Für die CDU war das Ergebnis wenige Tage nach der Benennung von Bundeschef Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten ein herber Rückschlag. Es gebe hier „nichts schönzureden“, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann. CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann sprach am Sonntag von einem „bitteren Abend“. Er selbst führte das schlechte Abschneiden seiner Partei auf die Zuspitzung zwischen SPD und AfD zurück. Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Anfang des Monats sei den Brandenburgern „der Schreck in die Glieder gefahren“, sagte Redmann. Die darauf folgende Polarisierung sei zu Lasten der anderen Parteien gegangen.
FDP-Generalsekretär: Keine „inhaltliche Debatten“ möglich
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat sich enttäuscht über das Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl in Brandenburg gezeigt. Dass die Liberalen den Einzug in den Landtag laut Hochrechnungen erneut nicht schafften, sei zwar „absehbar“ gewesen, sagte er am Sonntagabend. Es sei aber „trotzdem bitter und ein enttäuschender Abend“. Im Wahlkampf hätten „polarisierende Verhältnisse“ geherrscht und „inhaltliche Debatten über Landespolitik waren da kaum möglich“, beklagte Djir-Sarai.
„Momentan ist unser eigenständiges Profil als Partei für freiheitsliebende, optimistische und leistungsbereite Menschen durch viel Koalitionsstreit in Berlin verdeckt“, fügte der Generalsekretär hinzu. Die FDP wolle „trotzdem optimistisch und kämpferisch nach vorne schauen“, versicherte er.
„Wir werden in den nächsten Tagen dieses Ergebnis, aber auch die aktuelle politische Lage sehr ausführlich und intensiv in den Gremien der FDP diskutieren und behandeln“, kündigte Djir-Sarai an. „Es muss und es wird einen Herbst der Entscheidungen geben“, sagte er.
Linken-Spitzenkandidat kritisiert „Panikwahlkampf“
Brandenburgs Linken-Spitzenkandidat Sebastian Walter hat sich nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl zuversichtlich gezeigt, dass die Linke bei der nächsten Wahl wieder ins Landesparlament einzieht. „Wir werden uns in den nächsten Jahren neu aufstellen und dann wieder einziehen in diesen Landtag“, sagte Walter am Sonntagabend in der ARD.
Die Niederlage seiner Partei führte er auf eigene Fehler, aber auch auf einen „Panikwahlkampf“ von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zurück. Der Landtag werde „arm und gruselig“, wenn die Linke darin nicht mehr vertreten sei, sagte Walter. Woidke werde keine soziale Politik machen. Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler nannte das Scheitern ihrer Partei in Brandenburg „bitter“ und eine „Zäsur“.
In Brandenburg waren 2,1 Millionen Menschen aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben, darunter etwa hunderttausend Erstwählerinnen und Erstwähler. Die Wahlbeteiligung lag laut ARD und ZDF bei 73 bis 74 Prozent – nach 61,3 Prozent bei der Wahl 2019.
(Mit Material von Agenturen)
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