„Tag X“-Klimakampf: Lützeraths neue „Bewohner“ werben für Straftaten
Der kleine, aus wenigen Häusern bestehende Weiler Lützerath gehört zur Stadt Erkelenz, die ganz im Westen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und ganz im Westen von Deutschland liegt. Bis zur niederländischen Grenze sind es noch 25 Kilometer. Wahrscheinlich würde sich niemand für Lützerath interessieren, läge der Ort nicht im Rheinischen Revier – und damit über den wertvollen Braunkohlevorkommen, die Deutschland so dringend zur Energiegewinnung in diesen Krisenzeiten benötigt.
Lützeraths neue Bewohner
Derzeit machen wieder die „neuen“ Bewohner des Ortes Schlagzeilen. Sogenannte Klima-Aktivisten hatten sich hinter brennenden Barrikaden verschanzt. Böller, Flaschen und Steine seien gegen die Polizei eingesetzt worden, als diese im Rahmen von vorbereiteten Arbeiten für die Räumung der Häusergruppe Mitte Januar sorgen wollte. Mehrere Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs wurden eingeleitet, berichtet ntv.
Laut RWE haben alle „ursprünglichen Bewohner von Lützerath“ den Ort bereits verlassen und die „Inanspruchnahme der ehemaligen Siedlung“ zum Braunkohleabbau sei in diesem Winter notwendig, „um inmitten der Energiekrise eine sichere Versorgung der Kraftwerke zu gewährleisten“.
Angaben des WDR zufolge scheinen mittlerweile mehrere Hundert dieser neuen Bewohner hier zu wohnen. Entweder in den von ihren ursprünglichen Einwohnern längst verlassenen Häusern oder in Baumhäusern. Ob die Hausbesetzer irgendeiner Erwerbstätigkeit nachgehen oder wie sie sich finanzieren, darüber gibt der Beitrag keinen Aufschluss.
Psychologisch raffiniertes Anwerbevideo
Auf Twitter behauptet eine Gruppe, die sich „Lützerath bleibt! – Tag X seit 3.1.“ nennt: „Unser Dorf wird abgerissen: RWE will die Kohle darunter. Wir nehmen das nicht hin & kämpfen für Klimagerechtigkeit!“ In einem aktuellen Beitrag der Gruppe heißt es: „Heute ist Tag X. Die Polizei hat die ersten Strukturen abgerissen und RWE hat angefangen Wälle, Straßen und Stützpunkte zu bauen. Komm so schnell es geht her! Noch kannst du legal anreisen. Gemeinsam kämpfen wir für Klimagerechtigkeit!“
Unterlegt ist die Aufforderung zum Kampftreffen mit einem Anwerbevideo auf Basis von Klimapanikmache: Eine junge Frau oder Jugendliche soll überzeugt werden.
Ein fiktiver Gedankenprozess wird gezeichnet. In Vorher-Nachher-Sprüngen erlebt die junge Frau zwei Zeitebenen, von Zweifeln und Bedenken bis zum vorgegebenen und als einzig richtig suggerierten Ziel, dem Widerstand.
Offener Aufruf zu Straftaten
„Entweder du kannst klettern lernen und Baumhäuser besetzen oder aber du besetzt ein Haus oder eine Hütte.“ Bei Räumung solle man die Cops blockieren und ihnen die Arbeit erschweren. Die Sprecherin erklärt auch, dass es in Lützerath und vielen Städten Deutschlands gerade „Aktionstrainings“ und „juristische Trainings“ gebe. Denn wer in Lützerath sei, begehe Hausfriedensbruch (gegenüber RWE-Eigentum). Es wird sogar mit der Möglichkeit der Straffreiheit geworben, „wenn wir viele sind und die Personalien verweigern“. Wenn doch eine Strafe komme, „gibt es das Legal-Team“. Woher das Team kommt, wer es bezahlt: keine Auskunft.
Die Agitatorin verweist auf eine erfolgreiche Kampfarbeit im „Hambi“, dem Hambacher Forst. Da habe man es geschafft, heißt es. „Stell dir doch einmal vor, Teil einer Bewegung zu sein, die global für Klimagerechtigkeit streitet.“
Das Finale des Videos erschüttert nochmals mit emotionalen Bildern von Naturkatastrophen, untermalt von Kampfrufen von teils vermummten Aktivisten mit erhobener Faust, dass man nicht zu stoppen und eine andere Welt (Gesellschaft) möglich sei. Die Zielperson sieht sich bereits in der Gruppe: Rucksack packen und los.
Das Lockvideo ist aktuell immer noch auf Twitter zu finden, obwohl darin eindeutig zur Teilnahme an Straftaten aufgerufen wird.
Heute ist #TagX. Die Polizei hat die ersten Strukturen abgerissen und RWE hat angefangen Wälle, Straßen und Stützpunkte zu bauen.
Komm so schnell es geht her! Noch kannst du legal anreisen. Gemeinsamen kämpfen wir für #Klimagerechtigkeit! ✊ pic.twitter.com/RIfNcEvHey— Lützerath bleibt! – Tag X seit 3.1. (@LuetziBleibt) January 3, 2023
Was ist eigentlich „Tag X“?
„Tag X“, eigentlich ein Synonym für ein fiktives unbekanntes Datum, ist für die linke Aktivistengruppe offenbar der Tag, an dem die Polizei damit beginnt, Lützerath zu räumen und die Besetzung fremden Eigentums wieder rückgängig zu machen. Auf der Website der Haus- und Grundbesetzer wird Alarm geschlagen: „!!! Es ist TAG X !!! – Polizei und Cops bauen ihre Infrastruktur auf! – Kommt jetzt nach Lützi, um das Abriegeln des Dorfes und die Räumung zu verhindern!“
Eine ähnliche Vorstellung von „Tag X“ pflegt die in Hamburgs linksextremer Szene verwurzelte „Rote Flora“, ein Autonomes Zentrum in einem seit 1989 besetzten Teil des ehemaligen Flora-Theaters im Schanzenviertel. Dort wurde 2017 unter dem Begriff „Tag X“ geschrieben: „Derzeit verdichten sich die Informationen, dass es in den kommenden Wochen zu einer Durchsuchung der Roten Flora kommen könnte. Wir rufen zum Tag X um 20h zu einer Vollversammlung in der Flora auf. Haltet die Augen und Ohren offen. Solidarität gegen ihre Repression!“
In anderen Quellen wird „Tag X“ nicht mit der Polizei und dem demokratischen Staatssystem verbunden, sondern mit Rechtsextremismus. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt: „Das apokalyptische ‚Tag X‘-Narrativ ist nicht neu – es taucht immer wieder in rechtsradikalen und neonazistischen Publikationen und Äußerungen auf.“ Auch die Linksfraktion des Bundestages berichtet vom „Tag X“ auf ihrer Website als „erwartete und ersehnte finale Krise des politischen Systems, den totalen Zusammenbruch des Staates, aus dessen Trümmern die Herrschaft der extremen Rechten hervorgehen soll“. Dann sollen politische Gegner, Politiker und nicht von ihnen anerkannte Gruppen der Gesellschaft angegriffen und beseitigt werden.
Politische Gegner beseitigen wollten auch die Sozialisten der DDR. Das Stasi-Unterlagen-Archiv berichtet unter dem Titel „Vorbereitung auf den Tag X –Die geplanten Isolierungslager der Stasi“ über eine „ungeheuerliche Maschinerie“, die mit einem bestimmten Codewort im Ernstfall in Gang gesetzt werden sollte: „Innerhalb von 24 Stunden sollten über 2.900 Personen festgenommen und über 10.000 in Isolierungslager verschleppt werden. Weitere 72.000 Bürgerinnen und Bürger sollten unter verstärkte Überwachung gestellt werden.“ Dieser Befehl, auch bekannt als „Direktive 1/67“, wurde an alle 211 Kreisdienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) geschickt und lag als versiegelter Briefumschlag mit der Aufschrift „Kz 4.1.3.“ in den Panzerschränken der Stasi. Dort wurden die Dokumente nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems gefunden.
RWE-Kohleausstieg im Rheinischen Revier
Der vom Deutschen Bundestag am 1. Dezember beschlossene und um acht Jahre vorgezogene Kohleausstieg im Rheinischen Revier betrifft die drei Braunkohlekraftwerke Neurath F und G und Niederaußem K. 2030 soll hier schon Schicht im Schacht sein. Für RWE bedeutet das den kompletten Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030. 280 Millionen Tonnen Kohle bleiben dadurch unter der Erde begraben.
Zuvor hatte es entsprechende Verhandlungen zwischen RWE, der NRW-Landesregierung und der Bundesregierung gegeben. Teil der Vereinbarungen war aber auch, dass die Kraftwerksblöcke Neurath D und E nicht zum Jahresende 2022 abgeschaltet wurden, sondern aufgrund der Energiepreiskrise mindestens bis Ende März 2024 weiterarbeiten. Um die Energiewende zu beschleunigen, erklärte RWE im Oktober, weltweit bis 2030 mehr als 50 Milliarden Euro zu investieren, 15 Milliarden allein in Deutschland. Einher geht dies mit einem erheblichen Personalabbau, den RWE „sozialverträglich gestalten“ will.
„Das war ein sterbender Ort“
Seit 2006 wurde damit begonnen, die wenigen Bewohner des Ortes Lützerath umzusiedeln; ins benachbarte Neu-Immerath, eine Neubausiedlung und ein Stadtteil von Erkelenz. Aktuell leben dort 849 Menschen. Dorthin wurden auch die meisten Bewohner des vorherigen Immerath umgesiedelt. Im alten Immerath sind noch 20 Personen ansässig, in Lützerath noch acht. Immerath soll ebenfalls der Kohleförderung des Energiekonzerns RWE im Tagebau Garzweiler II weichen. Auch hier findet die Umsiedlung seit 2006 statt. Seitdem ziehen sich die Entschädigungsverhandlungen von RWE mit den Eigentümern hin.
Manche blicken mit wehmütigen Augen auf ihre alte Heimat und die alten Häuser. Andere finden, dass es sich ohnehin um sterbende Orte gehandelt habe, wie in einem „Galileo“-Beitrag über Geisterdörfer in NRW vor einigen Jahren deutlich wurde: „Im alten Ort war nichts mehr“, erklärte eine umgesiedelte Friseursalonbesitzerin den Reportern. Es seien keine neuen jungen Leute mehr dazugekommen, niemand habe dort mehr gebaut. „Das war ein sterbender Ort.“ In Neu-Immerath sehen dem Beitrag nach auch viele junge Leute wieder Zukunftsperspektiven.
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