Tag des Mauerbaus: Museum am Checkpoint Charlie erinnert an dramatische DDR-Fluchten und Schicksale
Der durch seine spektakulären Fluchten weltbekannte Kontrollpunkt „Checkpoint Charlie“ wurde nach dem Mauerbau durch das DDR-Regime im August/September 1961 von den Alliierten eingerichtet, um den Angehörigen des US-Militärpersonals weiterhin das Überschreiten der Sektorengrenze zu ermöglichen. Zivilpersonen aus dem Osten mussten andere Übergänge nutzen, während West-Berliner, Ausländer und DDR-Funktionäre ihn bis zum Mauerfall 1989 nach einer Kontrolle passieren konnten.
In Berlin widmet sich das Mauermuseum, das nur wenige Meter vom ehemaligen Militärgrenzübergang liegt, den vergangenen Fluchten aus der damaligen DDR. Gegründet wurde das Museum 1962 von der Bürgerinitiative „Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.“, ihrerseits von Dr. Rainer Hildebrandt gegründet und bis zu seinem Tod am 9. Januar 2004 auch von ihm geleitet.
Das Museum an der Grenze zur DDR auf der Westseite Berlins wurde bereite am 14. Juni 1963 bezogen und wuchs mit der Zeit auf seine jetzige Größe heran. Es war eine „Insel der Freiheit im letzten Gebäude direkt vor der Grenze“, heißt es seitens des Museums. Hier hätten Fluchthelfer durch ein kleines Fenster alle Bewegungen am Grenzübergang beobachtet, seien Flüchtlinge stets willkommen gewesen und unterstützt worden. Auch seien hier Fluchtpläne ausgedacht und immer gegen das Unrecht in der DDR gekämpft worden.
Leiterin: Ausstellung war Protest gegen den Mauerbau
Die Museumsleiterin Alexandra Hildebrandt, Witwe des Begründers, erklärte gegenüber der Epoch Times, dass die Ausstellung von Anfang an ein Protest gegen den Mauerbau und die Teilung Deutschlands war.
Sie hält ein Museum zu diesem Thema für „wichtiger denn je“: „Die Ausstellung ist ein immer bleibender ‚Zeitzeuge‘, denn die noch lebenden Zeitzeugen werden immer weniger werden.“ Für sie ist das Museum keine ‚reine Ausstellung‘. Es sei mit den geschichtlichen Ereignissen nach 1962 mitgewachsen und spiegele sie wider.
Auf mittlerweile über 2.500 Quadratmetern werden unzählige Geschichten, von zumeist erfolgreichen, oftmals spektakulären Fluchten erzählt. Aber auch den missglückten, tragischen und manchmal gar tödlich geendeten, widmet sich das Museum. Dazu gehört unter anderem der Tod von Peter Fechter.
„Helft mir doch!“, rief er mit seinen jungen 18 Jahren, schwer verletzt an der Mauer liegend, bevor er starb. 50 Minuten soll es gedauert haben, bis ein Bergungskommando von DDR-Grenzern kam. Er verblutete getroffen von Schüssen der DDR-Grenzbrigade. Sein Fluchtkamerad, ein ebenfalls 18-jähriger Mann, schaffte es über die Mauer in die Freiheit.
Zahlreiche Menschen wurden Augenzeugen der Tragödie
Auf beiden Seiten der Absperrungen waren damals zahlreiche Menschen Augenzeugen der Tragödie. Während Hilfe seitens der DDR-Grenztruppe auf sich warten ließ, fragten West-Berliner Polizeibeamte auf einer Leiter stehend über die Mauer hinweg nach seinem Namen und warfen ihm Verbandszeug zu.
Doch hinüberzusteigen und ihm zu helfen, wagten sie nicht, wie aus den damaligen Berichten hervorgeht. Dies trifft auch auf die Angehörigen der US-amerikanischen Militärpolizei vom nahe gelegenen „Checkpoint Charlie“ zu. Auch sie wollen es nicht riskieren, Ost-Berliner Boden zu betreten.
Man befürchtete damals offenbar, wegen der politischen Auseinandersetzungen um die Zuständigkeiten in dem geteilten Berlin einen militärischen Konflikt auszulösen. „It’ s not our problem“ („Es ist nicht unser Problem.“), soll einer von ihnen gesagt haben.
Doch Peter Fechter ist nur einer von vielen Todesopfern an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Laut der Museumsdirektorin Hildebrandt zähle man in der eigens angelegten Statistik namentlich insgesamt 1.913 Maueropfer. Darunter auch mehrere, die über die Ostsee flüchteten.
„Es waren einfach zwei sehr verzweifelte junge Leute“
Eine davon war Lilli Gruner, die in den Akten von 1961 noch als Studentin an der Universität Rostock geführt war. 1962 sei der Name dann in allen Studierendenunterlagen durchgestrichen gewesen. „Daneben steht: DDR verlassen“, erinnert sich Anita Krätzner-Ebert, die 2008 an ihrer Examensarbeit in Geschichte arbeitend auf den Namen stieß.
Was sich tatsächlich hinter diesem Eintrag verbirgt, lernte die inzwischen promovierte Historikerin unter anderem aus Stasi-Akten. Von der mecklenburgischen Küste aus wollte Lilli Ende August 1962 zusammen mit ihrem Bruder Peter in einem Schlauchboot aus der DDR fliehen.
Anfang September desselben Jahres wurde ihre Leiche vor Pelzerhaken in Schleswig-Holstein treibend entdeckt, ihr Bruder wurde nie gefunden. Krätzner-Ebert hat ein Buch über die Geschwister geschrieben. „Es waren einfach zwei sehr verzweifelte junge Leute.“
Mehr als 100 Fluchten über die Ostsee mit Todesfolge
Dass es sich um kein Einzelschicksal handelt, verdeutlicht die Arbeit einer Forschergruppe an der Universität Greifswald. 112 Fluchten über die Ostsee mit Todesfolge habe ihr Team derzeit bestätigt, sagt Merete Peetz. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Todesfälle bei Fluchtversuchen über die Ostsee. Hinzu kämen 70 bis 100 Fälle, bei denen stark davon auszugehen sei, dass es sich um tödliche Fluchtversuche handele.
„Die Landfluchten sind ziemlich gut erforscht“, sagt Henning Hochstein, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem Projekt. Was die Fluchten über die Ostsee angeht, sei es der erste Versuch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Vorher habe es nur Privatinitiativen gegeben. Deren Arbeit nutze die Forschergruppe zwar, aber die Fälle würden noch einmal wissenschaftlich überprüft.
Manchmal müsse Hochstein bei der Arbeit seinen Stift weglegen und durchatmen, wie er erzählt. Mit dem Versuch, einen Fall zu rekonstruieren, komme automatisch auch Anteilnahme. Etwa in Fällen, in denen Familienmitglieder ihren Angehörigen beim Ertrinken zusehen mussten. „Es ist nicht leicht“, sagt auch Peetz.
Nach Stasi-Anwerbeversuch die Flucht ergriffen
Den Fall Gruner haben die Forscher ebenfalls in ihre Aufstellung aufgenommen. Die Gruners seien eigentlich vorbildliche DDR-Bürger ohne Fluchtabsichten gewesen. In ihrem Freundeskreis hatte es aber Fluchten gegeben, weshalb die Stasi sie verhörte und zur Zusammenarbeit bringen wollte.
Am Ende sahen Schwester und Bruder nur die Flucht als Ausweg. Ähnlich sei es vielen der Fluchtopfer ergangen, erläutert Peetz. Viele seien erst durch eine versuchte Anwerbung durch die Stasi zur Flucht gedrängt worden. Ihn habe beeindruckt, dass sich die Menschen lieber den Naturgewalten ausgesetzt hätten, als weiter im DDR-System zu leben, sagt Hochstein. So mag es auch den vielen Menschen gegangen sein, die über die Mauer flüchteten. Sie nahmen das Risiko in Kauf, entdeckt und beschossen zu werden, um die Freiheit zu erlangen und das DDR-System zu verlassen.
Mit Material von dpa.
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