Syrien-Thema im Bundestag: Grüne diskreditieren kritische Wortmeldung eines Deutsch-Syrers mit „AfD-Keule“

Bei einem "öffentlichen Fachgespräch" der Grünen-Fraktion zu Syrien im Bundestag wurden die Veranstalter durch eine offensichtlich unangenehme Wortmeldung eines Deutsch-Syrers in Bedrängnis gebracht.
Titelbild
Am 18. Mai fand im Bundestag ein öffentliches Fachgespräch der Grünen-Fraktion unter dem Titel "Die Zukunft Syriens. Perspektiven eines zerstörten Landes" statt.Foto: Screenshot Youtube
Von 19. Mai 2019

Eine Meinung frei äußern zu können, ist die mildeste ‚Waffe‘, um sich erklären zu können und um für Gerechtigkeit zu kämpfen ohne jemandem wirklich wehzutun.“

(Manaf Hassan, Deutsch-Syrer)

Doch seine Worte schienen den Leuten auf der Veranstalterbank dennoch wehzutun. Sie saßen mit schmerzverzerrten bis milde belächelnden Gesichtern auf ihren Sitzen.

Manaf Hassan besuchte die Veranstaltung der Grünen „Die Zukunft Syriens. Perspektiven eines zerstörten Landes“ am Mittwoch, 15. Mai 2019, im Bundestag in Berlin. Die Moderation und Leitung hatte der Deutsch-Iraner und Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen.

Doch niemand hatte mit Manaf Hassan gerechnet.

Grüne: Rückkehr von Flüchtlingen nicht möglich

Dabei hörte sich der Ausgangspunkt der Diskussionsveranstaltung noch recht offen an: „Wir möchten mit dem öffentlichen Fachgespräch über die aktuellen Entwicklungen in Syrien, den Blick auf die bestehenden Probleme und Konflikte in der aktuellen Situation richten“, heißt es dazu auf der Webseite der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Doch die Sache hatte einen Haken:  Die Bundestags-Grünen hatten einen fixen Ausgangspunkt, der ihrer sozialistischen Ideologie entsprach und gleichzeitig ihr Ziel in der Migrationsfrage definierte: „Syrien bleibt eine Diktatur, viele Menschen sind in politischer Haft oder werden vermisst. Es gibt keine sicheren Gebiete im Land, weshalb eine Rückkehr von Flüchtlingen nicht möglich ist.“ Dabei scheinen die sozialistisch gesinnten Grünen zu verkennen, dass Assads herrschende Baath-Partei arabisch-sozialistischer Prägung ist.

Nun musste nur noch die Diskussion in die richtigen und korrekten Bahnen gelenkt werden, um zum gewünschten und offenbar vordefinierten Ergebnis zu kommen.

Doch durch Manaf Hassan drohte das Ganze zu kippen, die Organisatoren versuchten abzuwiegeln.

Gestern war ein sehr emotionaler Tag für mich. Es ist nicht so, dass ich nicht schon länger weiß, dass eine Meinungsfreiheit in Deutschland zwar theoretisch sicher möglich, praktisch jedoch, in großen Teilen, sehr schwer umsetzbar oder gar unmöglich ist“, so Hassan.

Gesellschaftliche und Politische Schranken seien zwei Aspekte, die eine sehr große Rolle spielen würden.

„Syrische Rebellenanhänger“

Zahlreiche Zuschauer waren gekommen, laut Manaf Hassan seien auch „syrische Rebellenanhänger“ darunter.

‚Syrische Rebellenanhänger‘ – Anhänger von islamistischen Terroristen, die so viele Minderheiten und moderne, weltoffene Menschen unterdrückten und ermordeten, foltern und vergewaltigten – waren in einem Saal mit Deutschen, die die Wahrheit zu kennen glauben oder aber bewusst verkennen“, erklärt der Deutsch-Syrer.

Schon zu Beginn der Veranstaltung sei ein „Rebellenanhänger“ zu ihm gekommen. Er beschimpfte ihn: „Zur Hölle mit dir, du Ehrenloser und Bruder einer Hure.“ Manaf Hassan geht davon aus, dass dies auch auf der installierten Überwachungskamera dokumentiert sein müsste.

„Adopt a revolution“

Mit dabei bei der Veranstaltung war auch die nach Ansicht des Deutsch-Syrers „mehr als fragwürdige“ Organisation „Adopt a revolution“, vertreten durch deren Geschäftsführerin und Projektteamkoordinatorin Christin Lüttich. Auf der Webseite der Organisation heißt es u. a.: „Im Schatten von Diktatur, Krieg und Terror setzen sich syrische AktivistInnen friedlich für Menschenrechte und Demokratisierung ein. Adopt a Revolution unterstützt seit 2012 gewaltfreie emanzipatorische Projekte in Syrien und in der syrischen Diaspora.“

2012 schrieb beispielsweise der Liedermacher Konstantin Wecker auf seiner Seite: „Liebe Freunde, von Freunden der Friedensbewegung wurde ich auf eine Aussage von Ferhad Ahma, Beiratsmitglied und einer der Hauptinitiatoren von ‚adopt a revolution‘ hingewiesen. Herr Ahma hat am 03.12. im DLF gesagt: ‚Ich glaube, um schnellstmöglich einen Sturz des Regimes herbeizuführen, brauchen die Rebellen nach wie vor effiziente und bessere Waffen. Ansonsten wird dieser Kampf sich noch in die Länge ziehen.‘ Unter diesen Umständen muss ich meine Unterschrift unter den Syrien-Appell zurückziehen. Das verstehe ich nicht unter einer zivilen Demokratisierung. (…)“ Wecker distanzierte sich von möglichen militärischen Interventionen.

Auch Manaf Hassan hatte lange in Berlin zugehört, so sei er erzogen worden: Zuhören und dann höflich antworten. Doch die Podiums-Leitung konnte ihm nicht einmal fünf Minuten zuhören, schreibt er:

Nach der ersten Minute spürten sie schon, dass ihre Veranstaltung und das Ziel dieser Veranstaltung gefährdet sind.“

„Gefährdet von der Wahrheit“, wie sie sich den Beobachtungen Manaf Hassans nach in Syrien abspielt.

Er habe gewusst, dass man versuchen würde, ihn aus dem Konzept zu bringen, weshalb er seine Worte auf Papier geschrieben hatte. Und er habe gewusst, welche üblichen Floskeln sie anbringen würden: Fassbomben, Folter, Giftgas …

Doch ihre Propaganda sei so heftig gewesen, dass er sich „für eine Sekunde – mitten dort im Saal“ angefangen habe zu fragen, ob das, was er „in Syrien gesehen, gehört und gefühlt hat, wirklich echt war“.

Deutschland – das Land, dass außerhalb für so viel Einigkeit, Recht und Freiheit steht. Gestern stand es für nichts von all dem. Ich spürte eine Leere.“

(Manaf Hassan, Deutsch-Syrer)

Die „AfD-Keule“ in Anwendung

Der in Deutschland geborene Manaf Hassan verweilt nach eigenen Aussagen seit seiner Geburt jedes Jahr zu Besuch in Syrien. Das, was er sagte, passte jedoch so gar nicht in das von den Grünen ausgearbeitete Konzept. Mehrfach versuchten sie ihn zum Schweigen zu bringen, warfen dem Deutsch-Syrer am Ende gar AfD-Nähe vor, deutete dabei auf seinen Nebensitzer hin, einen syrischen Zuwanderer, den Manaf Hassan zufällig auf der Veranstaltung getroffen hatte.

Kevork Almassian arbeite im Bundestag als Fotograf und Social Media-Koordinator für einen Bundestagsabgeordneten der AfD, so der Deutsch-Syrer. Und tatsächlich, der Mann gehört zum Team von Markus Frohnmaier, einem aus Rumänien stammenden und mit einer russischen Journalistin verheirateten MdB der Alternative für Deutschland, der auch Sprecher von Frauke Petry war und jetzt von Alice Weidel ist.

Manaf Hassan traf die „AfD-Keule“ sehr, wie man an seiner Reaktion im Video sehen konnte. Er selbst sei entschieden gegen die AfD,

würde aber niemals so weit gehen, diese komplett als verfassungswidrig einzustufen, weil nicht alle Politiker und Anhänger der AfD sich so verhalten“.

Auch Kevork Almassian habe er dafür oft kritisiert, persönlich und auch öffentlich: „Das halten wir beide aber aus, weil man eben nicht immer einer Meinung ist bzw. sein muss.“

Doch der Deutsch-Syrer musste am eigenen Leib erfahren, was es heißt, „wie so viele Menschen als rechts(-populistisch) eingestuft“ zu werden, obwohl sie es gar nicht seien und „wie Propaganda funktioniert“.

Es wird zusätzlich als Diffamierung genutzt, um Menschen mundtot zu machen.“

Zum Hintergrund von Manaf Hassan:

„Meine Eltern kamen vor ca. 35 Jahren in dieses Land. Sie lieben dieses Land, genau wie ihr Herkunftsland Syrien. Sie haben es mir eingeimpft, Deutschland und Syrien im Herzen zu tragen. Immer dankbar zu sein für alles, was mir beide Länder direkt/indirekt gegeben haben und wozu sie mich auch geformt haben. Nämlich zu einem Menschen, der sich für alle einsetzt ohne jemanden zu diskriminieren oder rassistisch zu sein“, erklärte Manaf Hassan unter dem Video-Beitrag auf Facebook.

Er und seine Eltern würden seit acht Jahren sehen, „wie uns Politiker und Medien zum Syrien-Krieg belügen“. Für die Familie seien dies acht Jahre voll Leid gewesen.

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