SWR-Meteorologe zum Ahrtal: „Es wäre genug Zeit gewesen, die Leute da rauszuholen“
Der Meteorologe Karsten Schwanke vom Südwestrundfunk (SWR) schlug dem Sender offenbar nur einige Stunden vor der Flutkatastrophe im Ahrtal vor, eine Sondersendung zu dem bevorstehenden Hochwasser auszustrahlen. Diesen Vorschlag lehnte der Sender allerdings ab. Das kam bei einem Untersuchungsausschuss heraus, bei dem geklärt werden sollte, warum es im Vorfeld der Katastrophe keine ausreichenden Warnungen gegeben hatte.
Schwanke sagte, dass er den Vorschlag dem SWR in Mainz machte, genauer gesagt der Redaktion „SWR Aktuell“. Bei einer Sondersendung am Abend des 14. Juli wollte er ausführlich über die sich abzeichnende Wetterkatastrophe in der Region des Ahrtals berichten und die Menschen damit warnen. So sollten rechtzeitig Vorkehrungen in den betroffenen Gebieten getroffen werden oder gar Evakuierungen stattfinden.
Wir wussten zwei Tage vorher, dass es eine Hochwasserlage im Ahrtal geben könnte“. Gegen 20, 21 Uhr am Abend des 14. Juli wäre noch „genug Zeit gewesen, die Leute da rauszuholen“, äußerte Schwanke beim Untersuchungsausschuss.
Die Redaktion lehnte Schwankes Angebot allerdings ab und es wurden keine speziellen Warnungen ausgestrahlt.
Keine Sondersendung
Stattdessen fand lediglich der reguläre Wetterbericht um kurz vor 20:00 Uhr statt. Diesen Bericht moderierte Schwanke dann auch. Jedoch konnte er in diesem eng gefassten Format nicht ausführlich genug vor dem Wetterereignis warnen, wie der Meteorologe sagte.
„Bei einer Extraschalte zu einem früheren Zeitpunkt hätte ich nur über die Hochwassermengen in der Eifel gesprochen … das hätte ein anderes Gewicht gehabt“, sagte Schwanke der FAZ.
Allerdings ging Schwanke nicht von einem solch katastrophalen Ablauf wie geschehen aus: „Ich wusste nicht, dass es zu dieser zehn Meter hohen Flutwelle kommt“, betonte Schwanke. Er hätte das nie erwartet. In anderen Regionen seien an dem Tag viel höhere Regenmengen gefallen.
Schwanke: Zuverlässige Prognose schwierig
Um eine zuverlässige Prognose erstellen zu können, hätten im Vorfeld weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen, stellte Schwanke im Untersuchungsausschuss klar. Einerseits sei die lokale Gegebenheit wichtig gewesen. Das enge, V-förmige Tal mit einem Zuschnitt, in dem einzelne Hochwasserwellen der Nebentäler im Haupttal zusammenlaufen.
Andererseits seien die Böden nach vielen Niederschlägen in den Vorwochen bereits nass gewesen, sodass sie nicht mehr viel Wasser hätten aufnehmen können. Eine entscheidende Rolle habe auch der Bau der Ahr-Brücken gespielt, die bis zum Bersten als Staudämme fungiert hätten.
Reaktion vom SWR
Der SWR reagierte auf Schwankes Aussage und bestätigte die damalige Anfrage seines Meteorologen. Es sei bekannt, dass während der Flutkatastrophe nicht alle Abläufe reibungslos und zufriedenstellend funktioniert hätten. Demnach wäre es auch im Interesse des SWR selbst, „aus den Erfahrungen dieses Tages zu lernen und allen möglichen Schwachstellen nachzugehen.“
Umweltministerium ist „nicht Teil der Meldekette“
Beim Ausschuss sprach auch der Abteilungsleiter des Umweltministeriums, Andreas Christ. Er erklärte, ihm sei am Tag der Flutkatastrophe nach 17 Uhr klar gewesen, dass es ein großes Hochwasser gäbe. Einen Lagebericht aus seinem Haus an die damalige Ministerin Anne Spiegel (Grüne) habe es seines Wissens an diesem Tag nur einmal gegeben. „Das Ministerium ist aber nicht Teil der Meldekette“, betonte Christ jedoch.
Der Hochwassermeldedienst und die Hochwasserfrühwarnung seien aktiv gewesen. Alles habe funktioniert, sagte der als Zeuge geladene Abteilungsleiter in Mainz. Er könne auf seinem Gebiet nicht wissen, was ein bestimmter Wasserstand vor Ort tatsächlich bedeute und welche Maßnahmen folglich dort ergriffen werden müssten. Er wollte nicht für Chaos sorgen, indem er „die Informationen an irgendwen verschickt“ oder „wild in der Gegend rum telefoniert“ hätte.
Meteorologen: Katastrophe war vorhersehbar
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli vergangenen Jahres erlebte das Ahrtal eine verheerende Hochwasserkatastrophe, bei der 134 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden. Mehrere Experten schätzten das Ereignis als vorhersehbar ein.
Für den Diplom-Meteorologen Sven Plöger war zwei Tage vor der Flutkatastrophe klar, „da kommt ein extremes Ereignis.“ Er ging von Regenmengen von 100 bis 200 Litern pro Quadratmeter aus.
Weitere Befragungen
Die Landtagsfraktionen ziehen aus dem Untersuchungsausschuss unterschiedliche Schlüsse. Es sollen künftig noch weitere Befragungen stattfinden. Dabei soll erörtert werden, „inwieweit und in welcher Form die tatsächlich eingetretenen meteorologischen Bedingungen rund um den 14. Juli in Ausmaß und Intensität vorhersehbar waren.“ (mf)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion